Meral Thoms: „Bei Gewalt im Gesundheitswesen gibt es null, wirklich null Toleranz“

Zum Antrag der FDP zu Gewalt im Gesundheitswesen

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie mag es sich anfühlen, im Job tagtäglich von Gewalt bedroht zu werden? Mit welchen Gefühlen, Sorgen und Ängsten steht Mann oder Frau dann morgens auf und geht zur Arbeit?

Wir wissen, für viele Beschäftigte im Gesundheitswesen gehört Gewalt von Patientinnen und Patienten, aber auch von Angehörigen zum traurigen beruflichen Alltag. Diese Woche erst wurde eine Blitzumfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe veröffentlicht, die zeigt: Ein Viertel der befragten Ärztinnen und Ärzte hat schon Gewalt in der eigenen Praxis erlebt, körperliche oder verbale Gewalt, und fast 20 % finden aufgrund der Gewalterfahrung kein Praxispersonal.

Im Krankenhaus hat fast jede Mitarbeiterin oder jeder Mitarbeiter schon einmal Gewalt oder Aggression erlebt. 94 % der Mitarbeitenden in Notaufnahmen berichten von verbaler Gewalt, 70 % von körperlichen Angriffen.

Uns allen ist klar: Alle Beschäftigten haben ein Recht auf angstfreies Arbeiten sowie körperliche und seelische Unversehrtheit. Das gilt selbstverständlich auch im Gesundheitswesen. Gewalt ist nicht zu tolerieren, auch und gerade nicht gegenüber Beschäftigten im Gesundheitswesen, um das noch einmal zu betonen.

Weil es uns allen klar ist, ist es auch nicht das erste Mal, dass wir in dieser Legislaturperiode über Gewalt im Gesundheitswesen reden. Ende 2022 hatte die SPD dazu einen Antrag im Plenum. Es folgte eine Anhörung von Sachverständigen. Die Empfehlungen aus der Anhörung haben wir in den daraufhin eingebrachten Entschließungsantrag von CDU und Grünen integriert. Unser Ziel war und ist es, einen intensiven Erfahrungsaustausch über Gewaltschutz im Gesundheitswesen zu fördern. Dabei – das war ein Ergebnis der Anhörung – ist es auch wichtig, sexualisierte Gewalt und rassistische Gewalt in den Fokus zu nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Maßnahmen, die wir beschlossen haben, waren zum Beispiel: Es muss Handlungsempfehlungen für den Umgang mit physischer und psychischer Gewalt, mit Diskriminierung, sexualisierter Gewalt und Rassismus geben.

Es fehlen Daten und Fakten. Eine Studie zum Thema „Rassismus im Gesundheitswesen“ wurde schon in Auftrag gegeben.

Wichtig ist auch – das zeigte die Anhörung –, dass es interne Ansprechpartner in Organisationen oder Beauftragte für Gewaltschutz und Antidiskriminierung gibt. Zudem soll in Verbänden und Kammern darüber beraten werden, wie Gewaltschutz in der Aus- und Fortbildung verankert werden kann.

Im Juni dieses Jahres hat der runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt und Diskriminierung im Gesundheitsministerium“ genau zu diesen Themen getagt, weitere Treffen werden folgen.

Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen hat als ein Ergebnis der Anhörung im Landtag eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Es wurde ein umfangreicher Leitfaden „Gewalt und Gewaltprävention im Krankenhaus“ mit zahlreichen Handlungsempfehlungen und ganz konkreten Praxistipps entwickelt und veröffentlicht.

Mit diesem Leitfaden und auch der sehr guten begleitenden Pressearbeit zur Veröffentlichung setzt die Krankenhausgesellschaft ganz wichtige Botschaften:

Erstens. Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen müssen für Gewalt sensibilisiert werden.

Zweitens. Gewaltprävention – das muss ganz klar sein – ist kein Nischenthema, sondern muss Chef- oder Chefinnensache im Krankenhaus sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Krankenhausgesellschaft konstatiert in diesem Leitfaden, dass es bereits in zahlreichen Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen feste Abläufe zum Gewaltschutz, zu Präventionsmaßnahmen, zur Dokumentation von Gewaltereignissen – auch das ist wichtig – und eine strukturierte Nachsorge gibt. Andere Häuser wiederum müssen diese wichtigen Prozesse erst etablieren. Dabei hilft auch, dass die Krankenhäuser in NRW bauliche Maßnahmen zur Gewaltprävention wie zum Beispiel Notrufschalter oder erhöhte Tresen aus Mitteln der NRW-Pauschalförderung finanzieren können.

Bei Gewalt im Gesundheitswesen gibt es null, wirklich null Toleranz. Da sind wir uns alle einig. Gemeinsam mit den Akteuren im Gesundheitswesen sind wir deswegen schon längst auf dem Weg, den Gewaltschutz auszubauen.

Trotzdem freue ich mich auf die weiteren Diskussionen und Impulse im Fachausschuss. Wir stimmen der Überweisung selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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