Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsatzsteuerpflicht für kommunale Leistungen, die Dritten angeboten werden, wird von uns gar nicht grundsätzlich infrage gestellt. Es geht aber nicht, dass interkommunale Zusammenarbeit – die wir wohl alle nicht nur für richtig, sondern auch für zwingend notwendig halten; das hat der Kollege Hübner auch dargestellt – letztlich unmöglich gemacht wird, weil sie durch eine Besteuerung, wie sie jetzt – der Kollege Hübner hat es bereits angesprochen – der Bundesfinanzhof einfordert, unwirtschaftlich wird.
Wir haben uns als Koalitionsfraktionen vorgenommen, diesen Bereich deutlich auszuweiten. Wir wollen mehr interkommunale Zusammenarbeit ermöglichen. Wir wollen Synergien dadurch erreichen, dass man in größeren Einheiten, aber auch flexibel miteinander zusammenarbeiten kann. Der Kollege Hübner hat schon auf die Problematik hingewiesen. Ich will einmal sehr plastisch darstellen, wie albern Fallkonstellationen, auf die der Bundesfinanzhof sich bezieht, zum Teil sein können.
Konkret wurde über einen Fall entschieden, in dem eine Stadt eine Sporthalle betreibt, in der sie vor allem ihren Schulsport abhält. An ausgewählten Tagen, wahrscheinlich am Wochenende, überlässt sie sie für einzelne Veranstaltungen Dritten, auch – das ist der entscheidende Punkt – einer anderen Stadt, damit diese Halle überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Wir wissen alle, dass keine Sporthalle am Ende des Tages überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann; es wird immer ein Zuschuss der jeweiligen Gebietskörperschaft notwendig sein. In diesem konkreten Fall hat der Bundesfinanzhof tatsächlich entschieden: Genau dieser Ausschnitt der Überlassung einer Sporthalle an Dritte ist umsatzsteuerpflichtig; denn diese Leistung hätte auch von einem Dritten angeboten werden können.
Tatsächlich würde aber niemand auf die Idee kommen, für drei Stunden in der Woche eine Halle zu bauen, um sie dann auf dem Markt anzubieten. Trotzdem hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass hier, unabhängig von der lokalen Marktlage, Umsatzsteuerpflicht besteht.
Ich kann noch andere Beispiele nennen wie die Zusammenarbeit von Gesundheitsämtern oder die gemeinsame Erarbeitung von chemischen Dienstleistungen. Gerade bei kleinen Kommunen mit wenigen tausend Einwohnerinnen und Einwohnern könnte man auf die Idee kommen, dass die eine Kommune sagt: Wir haben hier zwei Fachleute. Warum sollen die Kommunen, die im Umkreis liegen, dasselbe ebenfalls anbieten? Lasst uns das doch zusammen machen. Dann haben wir auch einen höheren Standard. Wenn wir die Leistungen gemeinsam erbringen, können wir sie überhaupt erst auf ein Niveau heben, das den gesetzlichen Standards dieser Aufgabe entspricht.
In diesem Fall würde wieder die Umsatzsteuerpflicht greifen, weil eine Kommune der anderen eine Leistung anbietet. Das kann niemand wollen – auch nicht der Bundesgesetzgeber –, weil man dann auf die Idee käme, diese Leistung einzeln anzubieten, und zwar teuer anzubieten. Hier kommen wir auch sehr schnell in hoheitliche Bereiche hinein. Trotzdem würde die Umsatzsteuerpflicht greifen. Insofern bitte ich dringend darum, dass diesem Antrag gefolgt wird.
Letztlich kann es – das ist noch ein Appell in Richtung Finanzministerium – überhaupt nicht in unserem Interesse sein, dass wir Leistungen, die wir in den Kommunen anbieten, mit der Pflicht zur Erhebung von Umsatzsteuer belegen, von der der Löwenanteil dann in Richtung Bund wandert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
An dieser Stelle lege ich – da bin ich ganz ehrlich – auch ein Stück Egoismus an den Tag. Wenn es hier eine Umverteilung in Richtung Bund gibt, müsste man sich andersherum einmal über die Umsatzsteuerverteilung insgesamt unterhalten.
Ich füge noch eine dritte Absurdität hinzu. Wenn beispielsweise Essen und Gelsenkirchen miteinander eine Leistung nutzen, die konkret in Gelsenkirchen angeboten wird, sodass die Essener Umsatzsteuer zahlen müssen, wenn sie sich diese Leistung in Gelsenkirchen abholen, könnten wir als Landesregierung ja auf die Idee kommen, genau in diesem Fall Essen und Gelsenkirchen als gemeinsame Gebietskörperschaft zu betrachten. Dann würde die Umsatzsteuerpflicht wieder entfallen. – Auch an diesem Beispiel wird wohl deutlich, wie absurd der Umgang mit dem Umsatzsteuerrecht im Moment ist.
Das liegt zugegebenermaßen auch daran, dass die Europäische Union erhebliche Probleme hat – nicht nur in diesem Fall, aber auch in diesem Fall –, das deutsche System zu verstehen. Ich erinnere nur an die Einrechnung der Sozialversicherungen der Kommunen beim Fiskalpakt oder bei sonstigen Steuergeschichten.
Es geht uns keineswegs darum, hier zu tricksen und die Kommunen unlauter besserzustellen, sondern darum, das, was öffentlich erbracht werden muss, möglichst effektiv, möglichst effizient und möglichst transparent zu erbringen. Dem steht eine Umsatzsteuerpflicht auf Leistungen entgegen; denn letztlich werden es die Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssen, und zwar nicht nur durch Mehrkosten, sondern auch durch Ineffizienz. Deswegen ist dieser Antrag so wichtig.
Und er ist auch deswegen so wichtig, weil er letztendlich die Weichen stellt, wie es in Europa in dieser Frage weitergeht. Wenn sich Deutschland und das größte Bundesland in dieser Frage nicht klar aufstellen, dann wird es interkommunale Zusammenarbeit nur noch in Ausnahmefällen geben, dann werden Leistungen teurer, ineffizienter. Darüber hinaus werden wir den guten Weg, den wir in Nordrhein-Westfalen eingeschlagen haben, abbrechen. Und die Leistungen werden für die Menschen in diesem Land letztendlich schlechter werden. Das kann niemand wollen. Auch die Europäische Union kann dies nicht wollen.
Unsere Landesregierung sollte sich intensiv darum bemühen – das tut sie schon; uns liegen Protokolle vor, dass auf Innenministerkonferenzen entsprechende Beschlüsse gefasst worden sind, und zwar mit Zutun von Nordrhein-Westfalen –, dass diese Art von Umsatzsteuerpflicht rechtssicher ausgeschlossen wird und dass der Zustand der Nichtaussetzung in einen generellen Zustand von Gesetzespflicht in Deutschland übergeht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)