Mehrdad Mostofizadeh: „Wir wollen die schnellstmögliche Entlastung.“

Aktuelle Stunde auf Antrag der FDP zum Thema Kommunalfinanzierung

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon einigermaßen beeindruckt von allen meinen Vorrednern, die heute vorgetragen haben, welche Windungen und Schwingungen zur Beurteilung verschiedener Sachverhalte hier an den Tag gelegt worden sind.
Um es klarzustellen: Ich finde es nicht in Ordnung, dass die schwarz-rote Koalition in Berlin in der Frage des Zeitpunktes der Entlastung Fragen offen lässt.
(Armin Laschet [CDU]: Da ist gar nichts offen!)
– Doch, es ist offen. Herr Barthle, CDU-Obmann im Haushaltsausschuss, sagt: frühestens 2018. Wir können auch gar nicht verstehen, warum die Kommunen sich so aufregen. Denen geht es so gut wie nie zuvor.
Das steht im krassen Widerspruch zu dem, was Herr Kuper hier im Landtagsplenum und im kommunalpolitischen Ausschuss in den letzten Monaten vorgetragen hat. Das ist nicht in Ordnung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zweitens. Herr Kollege Körfges, es ist völlig richtig, dass man die Frage der fachlichen Einbindung der Eingliederungshilfe sorgfältig diskutiert. Es ist auch nicht in Ordnung, das alleine auf fiskalische Entlastung abzustellen.
Was aber nicht passieren darf – deswegen ist ja unsere Einigung hier im Landtag auch so wichtig –, ist, dass die fachliche Frage genutzt wird, um den zeitlichen Aspekt so weit nach hinten zu schieben, dass man sich dahinter verstecken kann. Das darf natürlich auch nicht passieren.
Deswegen ist es wichtig, dass die Landesregierung ein klares Signal vom Parlament bekommt. Wir wollen die schnellstmögliche Entlastung. Wir von den Grünen hätten uns das sicherlich sehr schnell vorstellen können. Wir haben daran zu arbeiten. Die Bundesregierung hat schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der diese fachlichen Aspekte ausarbeitet und auch die finanzielle Entlastung vor Ort ankommen lässt. Denn die ist notwendig, um andere sozialpolitisch notwendige Entlastungen auch in den Kommunen wirklich werden zu lassen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wie nonchalant Sie von der Partei, die die Kommunen bis 2010 bekämpft hat – das muss ich schon sagen –,
(Zurufe von der FDP: Oh!)
jetzt zum Retter der Kommunen werden, finde ich schon abenteuerlich.
Um auch mal einen Unverdächtigen zu zitieren, nämlich den Fraktionsvorsitzenden der FDP-Fraktion im Landschaftsverband Westfalen-Lippe: Der sagt nämlich 2012 in Bezug auf das Thema „Eingliederungshilfe“ etwas anderes als Ihr Antrag zur Aktuellen Stunde suggeriert. Sie schreiben nämlich:
       „Auf Initiative der früheren schwarz-gelben Koalition übernimmt der        Bund seit Anfang 2014 die vollständigen Kosten für die Grundsicherung im Alter.“
Der Kollege aus Westfalen-Lippe sieht das aber eher so:
Die FDP-Fraktion beim LWL begrüßt die Ankündigung dieses Bundesleistungsgesetzes auch, wenn die Verantwortungsübernahme durch den Bund bedauerlicherweise erst durch die Diskussion um den Fiskalpakt erreicht worden ist.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
So viel zur FDP-Einschätzung zu dieser Frage.
Ich kann auch nur daran erinnern, dass die FDP sich im Bundesrat erst hat treiben lassen müssen, um die Entlastung bei der Grundsicherung im Alter durchsetzen zu können.
(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])
– Herr Kollege Abruszat, ein Zitat werde ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Das hat nämlich Ihr Vorgänger, Herr Kollege Engel, noch immer auf seiner Homepage stehen. Das ist sehr schön, dass er die nicht gelöscht hat und die immer noch frei zur Verfügung steht. Er sagte im kommunalpolitischen Ausschuss 2010:
„Die betroffenen Kommunen brauchen einen „Masterplan“, den sie zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln, um über die Parteigrenzen hinweg den Einstieg in eine nachhaltige Finanzpolitik zu schaffen.“
Soweit kann man noch folgen.
„Geradezu kontraproduktiv von SPD und Grünen ist es, den klammen Kommunen ihre Hilflosigkeit einzureden.“
Einzureden, Herr Kollege! Die sind also gar nicht hilflos, sondern SPD und Grüne reden denen die Hilfslosigkeit noch ein. Das nimmt diesen Städten und Gemeinden den letzten Schwung, um den Mentalitätswechsel zu erreichen.
Jetzt kommt es – halten Sie sich bitte fest –:
„Im kommunalpolitischen Ausschuss wurde deutlich, dass auch Oberhausen aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt erreichen kann.“
Soviel zur Kompetenz und finanzpolitischen Einschätzungsfähigkeit von Herrn Dr. Wolf und Herrn Engel in ihrer aktiven Regierungszeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
(Christian Lindner [FDP]: Das ist schon vier Jahre her!)
– Das ist wichtig.
(Lachen von der FDP)
Herr Lindner, Sie würden das auch heute noch sagen, wenn Sie nicht außerparlamentarische Opposition im Bund und hier parlamentarische Opposition wären. Sobald Sie nicht Regierungsverantwortung haben, sind Sie ganz geschmeidig.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Aber so lange Sie Regierungsverantwortung haben, erzählen Sie einfach unverantwortlichen Kram in die Welt hinein. Das finde ich nicht in Ordnung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wie ist die Aktuelle Stunde hierher gekommen? – Ich habe ja eben fast schon meinen Ohren nicht getraut, als mir auf dem Gang zugerufen wurde, die FDP möchte jetzt dem Antrag, den SPD und Grüne ausgehandelt haben, beitreten. Da habe ich mich gefragt: Warum haben die am Montag diesen Antrag geschrieben, wenn die jetzt diesem Antrag von SPD und Grünen und jetzt eben von SPD, Grünen und FDP zustimmen können?
(Beifall von Armin Laschet [CDU] – Zuruf von Kai Abruszat [FDP])
Damit habe ich intellektuelle Probleme. Aber natürlich habe ich keine Schwierigkeiten damit, die FDP auf einen vernünftigen Antrag der Koalition mit drauf zu nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Kollege Laschet, weil Sie sich gerade so freuen, möchte ich natürlich diese Freude nicht allzu lange währen lassen. Ich finde, dass es nicht in Ordnung ist, dass Herr Dr. Schäuble eine Finanzplanung vorlegt, die die Entlastung für diese Legislaturperiode nicht vorsieht.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Bitte setzen Sie sich auch im Interesse von Nordrhein-Westfalen dafür ein, dass die volle Entlastung noch in dieser Legislaturperiode möglichst früh kommt und dass nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern alle Kommunen von einem vernünftigen Bundesteilhabegesetz profitieren können. Da sind auch Sie als stellvertretender Bundesvorsitzender und als Vorsitzender im größten Bundesland massiv in der Verantwortung.
Wir als Koalition haben uns hier klar positioniert. Wir Grünen sind der Auffassung, dass wir sehr schnell handeln müssen, dass das Versprechen, das Sie und Sie von der FDP in der alten Legislaturperiode noch abgegeben haben, schnellstmöglich umzusetzen ist. Wir brauchen finanzpolitische Verlässlichkeit und kein parteipolitisches Geplänkel, liebe Kollegen von der FDP, sondern Fakten, die den Kommunen und den Menschen, die davon betroffen sind, unmittelbar helfen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])


2. Runde:

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP regt sich immer auf, wenn wir auf Dinge, die aus ihrer Sicht schon Ewigkeiten zurückliegen, hinweisen. Mir geht es nur darum, klarzustellen, wie die Fakten sind.
Was haben Sie, als Sie mit der schwarz-gelben Koalition gestartet sind, als Erstes getan? Sie haben – auch das können Sie wahrscheinlich nicht mehr hören – das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gemacht. Das hat die Kommunen in Nordrhein-Westfalen auf einen Schlag 400 Millionen € gekostet. Sie haben dann Steuersenkungen zulasten der Länder und Kommunen gemacht, die die Kommunen weitere 600 Millionen € gekostet haben. Als Sie in Nordrhein-Westfalen regiert haben, haben Sie die GFG-Befrachtung vorgenommen und gesagt, das sei ein notwendiger Beitrag zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen.
Das müssen Sie sich vorhalten lassen. Wer aktiv handelt, muss sich seine Handlungen vorhalten lassen. Vom Gerede kann sich niemand etwas kaufen, Herr Kollege Abruszat.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
– Herr Kollege Lindner, ich möchte eine Zahl hervorheben: 2010 haben Sie ein GFG mit einem Volumen von 7,5 Milliarden € vorgelegt. Das GFG von 2014 hat ein Volumen von 9,4 Milliarden €. Und da fehlen noch 600 Millionen € für den Stärkungspakt, die unmittelbar als kommunale Hilfe hinzukommen. Das sind zweieinhalb Milliarden € mehr. Das sind 30 % Aufwuchs, Herr Kollege Abruszat. Das sind die Hausaufgaben, die die rot-grüne Landesregierung gemacht hat; damit unterscheiden wir uns von Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Dann hat das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ja funktioniert! Dann war es sehr erfolgreich!)
Ich sage Ihnen, was die Grünen von der FDP unterscheidet: Herr Dr. Wolf hat auf der Homepage am 19.04.2010 als Resümee seiner Regierungsarbeit Folgendes ausgeführt:
„Die FDP hat sich in der vergangenen Legislaturperiode nachdrücklich für eine solide Gemeindefinanzierung eingesetzt … Auch im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die finanzielle Situation der NRW-Kommunen positiv zu bewerten.“
Das ist Ihr Resümee über ihre Arbeit. Es ist einfach schändlich, wenn Sie so tun, als wenn Sie nichts mehr damit zu tun hätten, Herr Kollege.
(Beifall von Norbert Römer [SPD])
An dieser Stelle will noch etwas sagen, denn der Kollege Biesenbach – so ist er – geht nach dem Motto vor: Was stört mich mein Geschwätz von gestern oder von vorhin? – Auch Herr Kuper hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass die Kommunen zur Konsolidierung beitragen müssen. Das war der Schlusssatz, den Herr Kuper ins Fazit geschrieben hat. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Ja, wir verlangen in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Stärkungspaktes erhebliche Eigenanstrengungen der Kommunen. Dies führt aber im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit dazu, dass diese Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt und genehmigungsfähige Haushaltssanierungskonzepte vorlegen können. Zu Ihrer Regierungszeit hat die Stadt Essen zum Beispiel 280 Millionen € statt 260 Millionen € Miese gemacht. Das ist der Unterschied. Es gibt eine substanzielle inhaltliche Verbesserung bei der Kommunalsanierung. Das unterscheidet uns fundamental von Ihnen.
Ich möchte Ihnen auch ins Stammbuch schreiben, dass es sehr wohl eine Unsicherheit auch und gerade in der CDU-Familie gibt. Norbert Barthle, der Haushaltsausschussobmann der CDU im Bundestag, führt aus, er sehe überhaupt nicht ein, warum jetzt die Konsolidierung greifen müsse. Der CDU-Abgeordnete Lammert sagt ganz eindeutig – das könnte ich auch zitieren –, dass eine Entlastung frühestens 2018 greifen könne, da erst dann ein Gesetz vorliege.
Dagegen wendet sich Rot-Grün ganz entschieden. Das hat auch der Innenminister eben dankenswerterweise klargemacht. Wir wollen keine Spielchen machen. Uns ist klar, dass ein Gesetz Zeit braucht. Aber die Bundesregierung braucht keine Zeit, um Entlastungen an die Kommunen durchzureichen, die sie versprochen hat. Das können wir auch auf anderem Wege gestalten. Das macht unser Koalitionsantrag deutlich.
Ich will mir einige letzte Bemerkungen erlauben, denn, Herr Kollege Kuper, Sie haben eben Hartz IV in die Debatte eingeführt. Die Hartz-IV-Gesetzgebung im Bundestag bedurfte der Zustimmung des Bundesrats – nicht einer allgemeinen Diskussion. Die CDU hat doch Druck gemacht und die Bedingungen verschärft.
(Michael Hübner [SPD]: So ist es!)
Sie sind maßgeblich daran beteiligt, dass Geschichten, die ich persönlich für falsch halte – Hartz IV würde ich allerdings nicht insgesamt wie das Kind mit dem Bade ausschütten –, von der CDU mit hineinverhandelt wurden. Sie können jetzt nicht so tun, als hätten Sie nichts damit zu tun. Dass Sie sich hierhin stellen und das behaupten, obwohl es der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, ist schon ein besonders starkes Stück. Deswegen sind Sie an dieser Stelle unglaubwürdig.
(Christian Lindner [FDP]: Dann machen die Grünen wohl keine Fehler! Die Grünen sind eine fehlerlose Partei!)
– Herr Kollege Lindner, bitte?
(Christian Lindner [FDP]: Eine fehlerlose Partei!)
– Wir sind nicht fehlerlos; wir haben auch nicht behauptet, fehlerlos zu sein. Sie behaupten, Sie hätten mit der Politik in Nordrhein-Westfalen nichts zu tun, weil Sie nicht regieren. Die schwarz-gelbe Regierung hat hier erhebliche Folgen hinterlassen, Herr Kollege Lindner.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Diese Folgen haben wir deutlich gemacht. Wir unterscheiden uns ganz massiv von dem. Wir machen eine gute Politik; Sie machen heiße Luft im Landtag.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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