Mehrdad Mostofizadeh: „Wir wollen die Professionalisierung der Pflege, die Mitsprache der Pflege, das Selbstverwaltungsorgan vorantreiben“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Pflegekammer

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Pflegekammer, das große Herzensanliegen der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen! Immer schon haben Sie sich für die Pflegekammer eingesetzt, haben Sie sich um die Kammer gekümmert,

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Haben Sie die ersten 1,5 Minuten meiner Rede verpasst?)

und deswegen der „konstruktive“ Antrag, eine Entschädigungsverordnung zu erlassen und die Kammer dafür anzugreifen, dass es diese Entschädigungsverordnung nicht gibt, um eine Änderung des Heilberufsgesetzes hervorzurufen.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ja, dass Ihnen „konstruktiv“ fremd ist, wundert mich nicht!)

– Natürlich ist das Ironie, was ich jetzt vortrage, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist deswegen Ironie, weil Sie sich lächerlich machen in der Art und Weise, wie Sie mit diesem Thema umgehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Schmitz hat es eben schon angedeutet: Die Pflegekammer hat eine Entschädigungsverordnung erlassen, und zwar bereits im April dieses Jahres, also deutlich vor Stellung Ihres Antrages. Die ist am 16. Mai, etwas nach der Antragstellung, veröffentlicht worden. Also könnten Sie schon mal den einen Punkt Ihres Antrages schlichtweg zurückziehen. Darauf ist Frau Kapteinat mit keiner Silbe eingegangen. Das macht deutlich, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern darum, diese Pflegekammer madig zu reden. Ich kann Ihnen sagen: Da machen wir nicht mit. Wir halten die Pflegekammer für vernünftig und notwendig in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ist doch lächerlich, ich habe was komplett anderes dazu gesagt! Das ist unverschämt!)

Wir wollen die Professionalisierung der Pflege, die Mitsprache der Pflege, das Selbstverwaltungsorgan vorantreiben. Wir sind dafür, dass die Pflege mitredet, wenn es um die Berufsordnung, um die Weiterbildung und um die Fragen anderer Berufe geht, die damit zusammenhängen.

Deswegen ist die Pflegekammer notwendig und sinnvoll. Wir unterstützen sie in ihrer Arbeit, wir pfuschen ihr aber nicht ins Handwerk!

(Thorsten Klute [SPD]: Das ist alles gut!)

Zweiter Punkt: das Heilberufsgesetz. Lieber Herr Klute, der Sie auch Staatssekretär in einer Landesregierung waren, das Heilberufegesetz – ich habe extra noch einmal nachgeschaut – wurde im Jahre 2000 erlassen. Seitdem waren drei Sozialdemokrat*innen, nämlich Fischer, Schartau und Brusis, Minister*innen und haben das Heilberufegesetz nicht angefasst.

Von dem Heilberufsgesetz ist im Übrigen nicht nur, wie eben richtig ausgeführt worden ist, die Pflegekammer betroffen, sondern zum Beispiel auch die Psychotherapeut*innen und auch die Ärztinnen und Ärzte. Bis jetzt habe ich Ihre Angst, dass Ärztinnen und Ärzte und andere für die Arbeit in den Kammern nicht freigestellt werden können, nicht nachvollziehen können.

Womit erklären Sie diesen Umstand? Sollen die Kolleginnen und Kollegen nicht in den Gremien mitarbeiten können? Ist Ihnen das jetzt aufgefallen, weil die Pflegekammer auf der Tagesordnung steht, oder könnte es damit zu tun haben, dass Sie schlichtweg jeden Anlass nutzen, der nach Ihrer Meinung geeignet ist, um die Pflegekammer schlechtzureden? Ich glaube, Letzteres ist der Fall. Deswegen ist Ihr Antrag auch nicht wirklich ernst zu nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Christof Rasche: Entschuldigung. Herr Kollege Klute hat eine Zwischenfrage.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön.

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Thorsten Klute (SPD): Lieber Herr Kollege Mostofizadeh, gestern Morgen waren wir uns in einer Veranstaltung, die nicht im Plenum stattfand, einig, dass wir unter den demokratischen Fraktionen aufpassen sollten, dass wir ordentlich und mit Respekt miteinander umgehen. Diesen Respekt habe ich gerade gegenüber der Kollegin Kapteinat vermisst. Aber Sie haben ja noch die Möglichkeit, das gleich anders darzustellen.

Ich möchte aber auch eine Frage stellen, weil Sie uns fragten, warum wir denn bisher nicht bei anderen Kammerberufen ähnliche Anträge gestellt hätten. Zunächst einmal denke ich, dass Sie sich doch freuen sollten,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Eine Kurzintervention ist auch zulässig!)

dass wir auch an der Pflegekammer konstruktiv mitwirken und weiterhin mitwirken werden.

Vizepräsident Christof Rasche: Der Redner am Rednerpult hat nicht ganz unrecht: Wenn wir uns alle an die Spielregeln halten, …

Thorsten Klute (SPD): Ist Ihnen der Unterschied zwischen abhängiger Beschäftigung und nicht abhängiger Beschäftigung bekannt? Ist Ihnen bekannt, dass die Anzahl der Pflegekräfte, die abhängig beschäftigt sind, sehr viel größer ist als die Anzahl der abhängig Beschäftigten in ärztlichen Berufen und dass damit eine ganz andere Notwendigkeit der Aufwandsentschädigung, der Entschädigung von beruflicher Tätigkeit gegeben ist?

(Marco Schmitz [CDU]: Sie fabulieren hier!)

Vizepräsident Christof Rasche: Bevor ich das Wort weitergebe, bitte ich alle Beteiligten, insbesondere auch Sie, lieber Herr Kollege, sich an die Spielregeln zu halten. Das hat auch was mit Respekt zu tun, den Sie gerade selbst eingefordert haben.

(Beifall von der CDU, den GRÜNEN und der AfD – Thorsten Klute [SPD]: Ich habe eine Frage gestellt!)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, dass ich wieder das Wort habe. Vielen Dank auch für die Frage, Herr Kollege Klute.

Tatsächlich ist es so, dass im Bereich der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, aber auch gerade im Bereich der Ärztinnen und Ärzte der Anteil der abhängig Beschäftigten ähnlich groß ist wie beispielsweise bei den Architektinnen und Architekten und dass Ihre Analyse, die Sie eben wiedergegeben haben, nicht zutreffend ist und deswegen die Frage auch irreführend ist, in der Sie einen Unterschied zwischen den vermeintlich mehrheitlich abhängig Beschäftigten und den Selbstständigen aufmachen.

Wenn wir uns den Kreis der Psychotherapeut*innen in Nordrhein-Westfalen angucken, was die Verdienste anbetrifft, ist es da keineswegs so, dass sie deutlich über den Verdiensten der Pflegekräfte liegen. Also kann ich diesen Unterschied überhaupt nicht verstehen. Insofern scheint es eher eine Ausflucht zu sein, die Sie herbeiziehen wollten, um das zu widerlegen, was ich aus meiner Sicht zutreffend dargelegt habe, dass Sie 23 Jahre gebraucht haben, um auf den Gedanken zu kommen, das Heilberufegesetz zu ändern.

(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Deswegen, Herr Kollege, kann ich Ihnen nur sagen: Es ist notwendig, diese Pflegekammer zu belassen, auch wenn dort viele abhängig Beschäftigte sind. Sie haben das auch immer wieder falsch ins Feld geführt – ich habe mir die Zitate von Frau Lück aus den alten Reden herausgezogen –, auch was die Kosten der Beiträge angeht. Frau Lück hat immer angeführt, es könne nicht sein, dass in der Pflegekammer die Pflegenden künftig über sich selbst wachten und auch noch den Pflegekräften zusätzliche Lasten auferlegten, indem Qualitätsstandards vorgegeben würden.

Das sind alles Argumente dafür, dass Sie nicht wollen, dass die Pflegenden bei der Gestaltung der Berufsordnung, der Pflegequalität mitarbeiten. Sie mäkeln an dieser Pflegekammer herum. Das ist das Ziel der nordrhein-westfälischen SPD, und das lehnen wir sehr klar ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zwei letzte Gedanken, die mir sehr wichtig sind, weil die SPD meint – Frau Kollegin Kapteinat, ich habe es schon einmal gesagt –: Man kann schon etwas für seinen Beruf, aber das qualifiziert einen nicht, an einer demokratischen Debatte teilzunehmen.

Ich finde es schon einigermaßen krass, dass Sie sagen, wir sollten den Pflegenden zuhören. Wir haben in unserer Fraktion mehrere Leute, die schlichtweg selbst in der Pflege tätig sind,

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Wir auch!)

die sich sogar selbst den Kittel anziehen und noch heute in dem Zusammenhang aktiv sind. Da brauche ich mir von Ihnen ganz bestimmt nicht erklären zu lassen, wie der Zustand in der Pflege ist. Das können wir aus eigener Anschauung ganz genau und sehr gut beurteilen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Allerletzter Gedanke: Wir sehen jetzt immer wieder, wenn die Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht mitredet, wenn die Pflege im Bereich der Selbstverwaltungsorgane bei den Kammern nicht mitspielt, dann ist sie Personal zweiter Klasse in einem ganz bestimmten Politikbereich, und das wollen wir nicht zulassen. Natürlich fordern wir die Gewerkschaften auf: Seid stark, kämpft für die Pflege. Ver.di, setzt euch dafür ein, dass es gute Löhne, gute Arbeitsbedingungen und gute Tarife gibt!

Teilt euch die Arbeit vernünftig auf, aber hört endlich auf, auf dem Rücken der Pflegenden diesen unnützen Kampf auszutragen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sorgt dafür, dass die Pflegekammer stark ist, und sorgt dafür, dass die Gewerkschaften ihren Job tun, und sorgt dafür, dass die Pflegenden in Nordrhein-Westfalen eine vernünftige Zukunft haben! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweiter Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesundheitsminister hat im Prinzip schon die Vorlage gemacht. Ich habe einmal die aktuellen Zahlen rausgezogen: Es gibt 416.000 Ärztinnen und Ärzte Stand 2020/2021, davon sind 115.000 niedergelassen. Keine 30 % der Ärztinnen und Ärzte sind selbstständig tätig. Mit anderen Worten: 70 % sind abhängig beschäftigt. – So viel zur Qualität der Aussagen der SPD an dieser Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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