Mehrdad Mostofizadeh: „Wir werden sehr klar beobachten, welche Folgen dieser Gesetzentwurf hat“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum Bauordnungsrecht

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Lenzen hat einen Redestil, den ich schon krass finde. Er leitet ganz jovial ein und spricht von Verzerrung, Fake News und sagt, so habe die Opposition gearbeitet. Herr Kollege Lenzen,
(Sven Wolf [SPD]: Schrumpf! – Heiterkeit von der FDP)
Herr Kollege Paul, ich finde es unanständig, wie Sie das hier gemacht haben,
(Bodo Löttgen [CDU]: So viel zur Sorgfalt!)
und das weise ich auch mit Entschiedenheit zurück.
Fangen wir einmal mit dem letzten Argument an, Herr Kollege Paul – Entschuldigung –, was Sie zur Inklusion und zu den Behindertenverbänden gesagt haben. Kein Behindertenverband, kein Betroffenenverband und kein Sozialverband lässt ein gutes Haar an dieser Landesbauordnung. Sie lehnen sie entschieden ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Da Frau Kollegin Müller-Resch vorhin in der Debatte
(Zurufe von der FDP: Rech! – Ibrahim Yetim [SPD]: Die sehen alle so gleich aus!)
die UN-Behindertenrechtskonvention angeführt hat, möchte ich das Deutsche Institut für Menschenrechte zitieren, das in seiner Stellungnahme, die Sie alle erreicht haben dürfte, angeführt hat:
Im Blick auf die Rechte von Menschen mit Behinderung und den bestehenden Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention empfehlen wir Ihnen,
–  also dem Landtag Nordrhein-Westfalen –
den Gesetzentwurf in dieser Form nicht zu verabschieden.
Klarer kann man nicht ausdrücken, dass dieses Gesetz Murks ist und an den Menschenrechtsinteressen vorbeigeht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) Weiter heißt es:
Vielmehr dreht es sogar die jüngst erreichten Fortschritte für das barrierefreie Bauen im geltenden Bauordnungsrecht in Nordrhein-Westfalen zurück. Für diese sich auf die mittelfristige Verfügbarkeit von barrierefreiem Wohnraum stark auswirkende Regression der Rechtslage ist für uns keine Rechtfertigung erkennbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können diesen Gesetzentwurf noch so sehr gesundbeten – er geht an dieser Stelle einfach an den Realitäten vorbei und macht das Leben für Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen schwieriger und schlechter. Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Herr Kollege Schrumpf hat seine Rede aus dem Ausschuss einfach wiederholt und in den letzten zwei Zeilen ein bisschen was ergänzt. Ich möchte an dieser Stelle auf die Ausschussberatungen eingehen.
Es ist schon beeindruckend, mit welcher Klarheit die kommunalen Spitzenverbände Ihnen ins Stammbuch schreiben, dass es auch handwerklicher Murks ist, was Sie mit dieser Landesbauordnung vorschreiben.
In Bezug auf die Geschossigkeit führen sie aus – ich zitiere auch hier aus der Stellungnahme –:
„Jegliche städtebauliche Festsetzung von Geschosszahlen würde damit ad absurdum geführt. Darüber hinaus müssten Bebauungspläne überprüft und ggf. geändert werden.“
(Sven Wolf [SPD]: Wer hat denn die Planungshoheit in unserem Land, Frau Bauministerin?)
Das ist doch ein Plazet der kommunalen Spitzenverbände, und zwar aller drei kommunalen Spitzenverbände, über das Sie einfach hinweggehen, mit dem Sie nichts zu tun haben wollen. Das ist doch keine Art von Beratung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wie hart Sie an diesen beiden Punkten getroffen sind, zeigt nicht nur Ihr Verhalten heute, sondern insbesondere auch im Ausschuss. Dort schurigelte die Ministerin die kommunalen Spitzenverbände und
(Stefan Kämmerling [SPD]: Unfassbar!)
schreibt ihnen ins Stammbuch, dass sie letztlich keine Ahnung vom Bauordnungsrecht haben, um sich darüber hinwegzusetzen, dass diese reklamiert haben, dass das Bauen in NordrheinWestfalen teuer, rechtlich unklar und schwieriger werden kann und wird.
Sie sagen einfach, damit hätten Sie nichts zu tun. – Das ist doch unanständig, was Sie da machen.
 (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte noch, weil der Kollege Wolf ausführlich auf viele Themen eingegangen ist, zwei, drei Punkte aus unserem Antrag zumindest kurz anreißen.
Wir schlagen vor, dass das Freistellungsverfahren nicht mehr in dieser Form zur Anwendung kommt. Ich finde Ihre Rechtsauslegung, dass sich das jeder aussuchen kann, geradezu abenteuerlich. Es hat erkennbar nicht funktioniert. Alle Stellungnahmen, die sich darauf bezogen haben, und insbesondere die kommunalen Spitzenverbände
(Sven Wolf [SPD]: Auch die Kammern! Alle!)
haben ausdrücklich gefordert, dieses Freistellungsverfahren wieder abzuschaffen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Folgen Sie diesem Petitum. Machen Sie die Bauordnung an der Stelle besser. Das ist überhaupt keine ideologische, sondern eine rein praktische Frage, wie man mit einem Rechtssachverhalt, der sich nicht bewährt hat, umgehen soll. Folgen Sie doch dem Petitum der kommunalen Spitzenverbände und insofern auch unserem Antrag.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dann möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, den Kollege Wolf angerissen hat und der mich wirklich auch ärgerlich macht. Herr Kollege Schrumpf und auch Herr Kollege Paul haben ausführlich erklärt, mit dieser Bauordnung würde das Bauen in Nordrhein-Westfalen billiger werden. Das teile ich an vielen Stellen nicht und bin davon auch nicht überzeugt. Auch die Stellungnahmen bestätigen das nicht.
Wenn es deswegen billiger wird, weil rollstuhlgerechte Wohnungen nicht mehr möglich sind, weil Baustandards im Bausicherheitsbereich nicht mehr eingehalten werden, ist das ein zu hoher Preis für billigeres Bauen. Das muss ich Ihnen ganz klar sagen. Das teilt die Menschen in gute und schlechte Bauherrinnen und Bauherren auf, und das wollen wir ausdrücklich nicht mitverfolgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zuletzt will ich noch auf die Geschossigkeit sowie auf die Abstandsregelung, die künftig gelten soll, eingehen.
Wenn ich es richtig verstehe, was dort aufgeschrieben ist, dass man wirklich immer weiter auftürmen kann, wenn die Geschossfläche nicht drei Viertel der unteren Geschossigkeit erreicht, ist das doch, wie die kommunalen Spitzenverbände richtig schreiben, ein absurdes Schauspiel.
Nehmen Sie diese Regelung aus dem Gesetz heraus und ermächtigen Sie – das ist der zweite Schritt – die Kommunen, auch bei den Stellplätzen umfassend selber Regelungen zu treffen.
Denn Sie sagen in Ihrem Ziel, Sie wollen die Kommunen besser stellen und ihnen freistellen was auch nötig ist –, zum Beispiel von dieser Stellplatzpflicht, die überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist, wegzugehen und zu ermöglichen, dass in Tiefgaragen draußen auch andere Dinge untergebracht werden können – ich will das nicht alles im Einzelnen ausführen –, dass man zum Beispiel Fahrräder abstellen oder Elektroanlagen installieren kann usw., also alles, was wir jetzt für ein modernes Bauen benötigen.
Auch da sind Sie kommunalfeindlich und halten die Kommunen für nicht rechtsfähig und für dumm und wollen ihnen das nicht ermöglichen. Ich verstehe das überhaupt nicht. Das ist nicht kommunalfreundlich, sondern besserwisserisch und geht an den Interessen vorbei.
Besonders pikant ist, was die Fragen an die Feuerwehr angeht, dass der Verband der Feuer- wehren sehr klare Stellungnahmen abgibt – wir haben das in Teilen aufgenommen –, wobei der Chef auch noch Mitglied der Landesregierung ist. Das ist in ganz besonderer Weise charakterstark, muss man sagen, dass man auf die eigene Expertise verzichtet und das im Gesetzgebungsverfahren nicht aufnimmt.
Sie haben die Chance verpasst, hier einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine umfangreiche Verbesserung vorschlägt. Sie arbeiten an vielen Stellen ideologisch. Sie hören nicht auf die Stellungnahmen der Sachverständen. Deswegen können wir diesen Gesetzentwurf nur ablehnen.
Aber eins sage Ihnen: Wir werden nicht nur ab heute, sondern auch über den heutigen Tag hinaus sehr klar beobachten, welche Folgen dieser Gesetzentwurf für die Kommunen, für die Menschen vor Ort und insbesondere für die Integration von behinderten Menschen in Nordrhein-Westfalen hat. Ihren Schönredereien glauben wir nicht. Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zuruf von Sven Wolf [SPD])
Wir hatten erwartet, dass die Ministerin wieder die kommunalen Spitzenverbände schurriegelt und den anderen sagt, dass sie alle keine Ahnung haben. Aber dass die Ministerin ihren Redebeitrag dazu nutzt, der Opposition Dinge vorzuwerfen, die sie in keiner Weise gesagt hat – sie unterstellt uns, Baukosten in die Höhe treiben zu wollen –, das finde ich infam, unanständig und hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben sich in Ihrem Redebeitrag dazu verstiegen zu behaupten, die Opposition (Zurufe von der CDU)
–  Sie haben immer Richtung SPD geguckt, aber ich nehme das einfach mal für uns mit in Anspruch – würde die Menschen auch noch in den Transferbezug treiben wollen, sodass die öffentliche Hand
(Zuruf von Christof Rasche [FDP] – Zurufe von der CDU)
das ganze Elend, das wir angeblich gefordert hätten, bezahlen müsse.
Frau Ministerin, ich finde es völlig unanständig, wie Sie heute aufgetreten sind: unsachlich und der Sache nicht angemessen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen ist der letzte Beleg dafür geliefert worden, dass unsere schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU: Uh! – Zuruf von der SPD: Sie ist eiskalt!) 

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