Mehrdad Mostofizadeh: „Wir stellen uns der Problemlage und versprechen nichts, was nicht geht“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von SPD und "AfD" zum Thema #nrwbleibsozial

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Hafke ist noch einmal fulminant eingestiegen. Ich kann Ihnen Folgendes sagen, Herr Kollege Hafke: Unsere Vorschläge liegen vor. Diese nennen sich Haushaltsplan 2024 und Finanzplanung 2024 bis 2028.

Da stehen auch die Punkte drin, die Herr Schick und Frau Schäffer genannt haben, nämlich die entsprechende Schwerpunktsetzung im Bereich Schule, im Bereich Kindertagesstätten und auch in anderen Bereichen sowie eine faire Ausstattung von Kommunen.

Ich habe mir die Debatte und die Vorschläge sehr genau angehört. Am spannendsten fand ich den Vorschlag von Kollegen Hafke: Gebt einfach 500 Millionen Euro und nicht nur 100 Millionen Euro aus. – Für wie verrückt halten Sie denn diese Ministerin, dass sie nicht in der Lage ist, eine 5 von einer 1 zu unterscheiden? Wenn sie in der Lage wäre, 500 Millionen Euro auszugeben, dann würde sie das tun. Es ist doch abenteuerlich, was Sie hier machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Um sehr konkret zu bleiben: Die Haushaltspläne sind eingebracht worden. Sie liegen den Ausschüssen vor. Ich habe noch keine fulminanten Vorschläge von FDP und SPD gelesen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist eine Frechheit!)

Wir haben die zweite Lesung in drei Wochen. Dann können wir uns darüber unterhalten.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Peinlich! – Zuruf von Bianca Winkelmann [CDU])

Ich habe Folgendes festgestellt: In der Plenardebatte am gestrigen Nachmittag hat es eine Einwilligungsbitte der Landesregierung zur Verausgabung von 539 Millionen Euro für die Kommunen gegeben. Die SPD-Fraktion hat sich konstruktiv mit dem Vorschlag auseinandergesetzt und der Einwilligung zugestimmt. Die FDP hat konsequenterweise die Linie fortgeschrieben, die sie auch in ihrer Klage gegen den Landeshaushalt vertritt, dass die 539 Millionen Euro aus dem laufenden Landeshaushalt finanziert werden sollen. Wo, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen diese 539 Millionen Euro denn herkommen? Schreibt mir doch mal einen Brief, in dem das steht.

(Marcel Hafke [FDP]: Das ist ja unverschämt!)

Dann diskutieren wir in der Fraktion selbstverständlich darüber, ob dieser Vorschlag gängig ist. Das habe ich bis jetzt nicht erlebt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Christian Dahm [SPD]: Erst mal machen Sie den Vorschlag! Den schauen wir uns dann an! Sie stellen die Regierung!)

Um das noch mal einzuordnen, Herr Kollege Dahm, was der Sozialminister gesagt hat: In Nordrhein-Westfalen sind beispielsweise die Ausbildungsplätze in der Langzeitpflege von 2010 bis heute von 10.000 auf 22.000 angestiegen. Das ist die beste Pro-Kopf-Quote in ganz Deutschland.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir sind vergleichsweise super bei dieser Frage, aber – deswegen waren die Menschen zu Recht auf der Straße – trotzdem ist es zu wenig. Es wird nicht reichen, um den demografischen Wandel zu bewältigen. Es wird nicht reichen, um die immer größer werdende Pflegelücke zu schließen.

Glauben Sie mir, auch in unseren Fraktionssitzungen diskutieren wir heiß darüber, wo wir Schwerpunkte und Prioritäten setzen sollen. Natürlich sind wir nicht zufrieden, wenn 22.000 Menschen auf die Straße gehen, aber man muss sich dann sachlich damit auseinandersetzen, wo das Ganze herkommt.

Da bitte ich Sie, einen Augenblick innezuhalten. Die jetzige Situation besteht doch nicht, weil sich der Himmel verzogen hat. Schauen wir uns die Ursachen an: Wir haben in der mittelfristigen Finanzplanung 2024 im Vergleich zu 2021 eine Verschlechterung von rund 4 Milliarden Euro. Diese Verschlechterung muss in harten Zahlen und Fakten in diesem Haushalt abgebildet werden.

Welche Alternativen hätten wir denn, etwas anders zu machen? – Wir könnten sagen, dass uns die Schuldenbremse nicht interessiert. Das gibt die Verfassung aber nicht her. Den Punkt können wir an der Stelle leider abhaken, auch wenn ich inhaltlich durchaus eine andere Meinung habe. Das hilft uns nichts.

Der zweite Punkt wäre, Schwerpunkte zu setzen. Wir haben Schwerpunkte im Rahmen unserer Möglichkeiten gesetzt. Wenn Sie uns Vorschläge machen – nicht nur auf der Forderungsseite, sondern auch auf der Seite der Finanzierung, damit die Bilanz ausgeglichen ist –, dann setzen wir uns selbstverständlich damit auseinander. Es gibt bis heute keinen einzigen Vorschlag, außer, dass von uns gemachte Vorschläge sogar noch konterkariert werden. Denn die ganzen Hilfen, die dieses Jahr über das Sondervermögen gelaufen sind, hat die FDP samt und sonders abgelehnt, und SPD und FDP haben dagegen geklagt.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE] und Thorsten Schick [CDU] – Christian Dahm [SPD]: Zu Recht!)

Also stellt sich die Frage: Wo ist der Schulterschluss zwischen Land, Bund und Kommunen in dieser Frage, wenn man Schwerpunkte setzen will? – Da hat jeder seine Schwierigkeiten. Das ist in der Debatte eben auch ein Stück weit deutlich geworden.

Ich bin trotz der schwierigen Haushaltslage und trotz der Demonstration auf der Straße stolz auf das, was wir in Nordrhein-Westfalen geleistet haben. Denn wir stellen uns der Problemlage und versprechen nichts, was nicht geht. Wir versprechen bei einer Demonstration keine Sachen, die nicht eingehalten werden können. Denn das ist Politikverachtung. Das machen wir nicht mit. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist Luftdruckpolitik!)

Zum Ende der Rede möchte ich Ihnen noch aufzeigen, was es konkret heißt, Prioritäten zu setzen. Sie müssen doch jetzt sagen, ob man 500 Euro Millionen bei der Polizei, bei Kultureinrichtungen, bei der Finanzierung des Breitensportes oder bei der Finanzierung der Kommunen einsparen oder sogar Investitionen streichen will. Wollen Sie das? – Dann sagen Sie es. Dann können wir uns darüber unterhalten. Aber Sie können aber nicht auf der einen Seite sich wegducken und etwas versprechen, aber auf der anderen Seite nichts zur Gegenfinanzierung sagen.

(Christian Dahm [SPD]: Das macht ihr doch schon!)

Das ist keine seriöse Politik. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. –

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Ich möchte zu Beginn die Gelegenheit für eine Klarstellung nutzen, Herr Kollege Dr. Maelzer. In meiner Rede habe ich gesagt, dass wir drei Möglichkeiten hätten, mit dem Problem umzugehen.

Ein Punkt wäre, Prioritäten zu setzen. Dazu habe ich etwas ausgeführt. Außerdem habe ich etwas zur Schuldenbremse ausgeführt. Ich bitte Sie, es im Protokoll nachzulesen, denn darin steht, dass ich gesagt habe: Man kann die Schuldenbremse zwar falsch finden – dazu habe ich auch eine Meinung –, aber sie gilt.

Ein verfassungstreues Parlament muss sich daran halten. Wir sind verfassungstreu und werden das deswegen auch tun. Wenn Sie es im Bund schaffen, die Verfassung zu ändern, dann haben wir eine neue Lage, über die wir reden können. Das nennt man eine seriöse und vernünftige Politik. Das unterscheidet uns an dieser Stelle, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich weise auch ausdrücklich zurück, dass ich gesagt hätte, die Schuldenbremse sei sakrosankt. Das habe ich nicht gesagt. Ich bitte, dass Sie das klarstellen und sich für diesen Fauxpas möglicherweise sogar entschuldigen.

(Zuruf von der CDU: Eine Entschuldigung wäre angebracht!)

Einen weiteren Punkt hat auch die Kollegin Schulze Föcking sehr schön angesprochen: Lindner soll uns nicht immer neue Probleme schaffen. Wir haben im Bundesrat das Wachstumschancengesetz und die Fragen der Umsatzsteuer. Auch die Kindergrundsicherung wird in den Bundesrat gehen.

Ich will es gar nicht im Einzelnen bewerten und sagen, wie ich dazu politisch stehe. Dazu können wir uns an anderer Stelle austauschen. Klar ist nur, dass die jetzigen Finanzierungsvorschläge das Land belasten werden: Mindestens 300 Millionen Euro beim Wachstumschancengesetz, Umsatzsteuer in der Gastronomie möglicherweise 400 Millionen Euro, bei der Flüchtlingsaufnahme sollen uns zwischen 200 Millionen und 400 Millionen Euro strukturell gekürzt werden. Das sind die zusätzlichen Probleme, die Frau Schulze Föcking meint, denke ich. Und es türmen sich noch weitere auf.

Einen konstruktiven Vorschlag möchte ich zum Schluss machen. Der Kollege Ott hat gesagt, es soll einen Pakt für Nordrhein-Westfalen geben. Ich bin gerne bereit – wahrscheinlich auch die anderen Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir das noch nicht abgesprochen habe –, darüber zu reden. Wenn Sie bereit sind, sich mit uns in den Wind dafür zu stellen, dass eine Grundgesetzänderung und ein gemeinsamer Pakt für den Altschuldenfonds auf den Weg gebracht werden, können wir das gerne in den Pakt aufnehmen.

Wenn das Wachstumschancengesetz und auch die Umsatzsteuerausgleichszahlung oder die Flüchtlingskosten nicht auf dem Rücken der Länder gegenfinanziert werden, können wir das gemeinsam als Pakt machen. Dazu bin ich gerne bereit.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Berlin, wir zeigen nach Berlin!)

Aber auf der einen Seite Wunschzettel zu schreiben und es auf der anderen Seite anderen zu überlassen und sie dann dafür zu kritisieren, dass sie es nicht hinbekommen, ist billig und nicht mit uns zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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