Mehrdad Mostofizadeh: „Wir stehen für einen qualifizierten Religionsunterricht“

Aktuelle Stunde auf Antrag der FDP zum Umgang mit Ditib

Mehrdad Mostofizadeh

###NEWS_VIDEO_1###
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Güler, ich finde es unerträglich, wie Sie hier die Schulministerin und die Landesregierung zu Tätern machen wollen.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU und der FDP)
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie verhöhnen diejenigen, die davon betroffen sind. Ich sage Ihnen ganz deutlich – ich weiß vor dem Hintergrund meiner persönlichen Geschichte, worüber wir sprechen –: Bespitzelung von Menschen in Deutschland oder das Nachfassen und Ausspionieren werden wir nicht nur nicht dulden, sondern wir werden dem auch mit aller Konsequenz nachgehen.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD])
Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es in Deutschland Spielregeln.
(Christof Rasche [FDP]: Es gibt eine politische Verantwortung!)
Die Spielregel lautet, dass der Generalbundesanwalt diesen Verdächtigungen nachgeht. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es heute Hausdurchsuchungen gegeben hat. Allerdings – das muss ich dazusagen – weiß ich nicht, warum er sie gemacht hat und warum er sie konkret dort gemacht hat. Und das ist auch gut so: Ein Parlament hat nicht darüber zu entscheiden, wie die Justiz handelt und wie die Staatsanwaltschaft ihre Maßnahmen trifft. Das hat unabhängig zu geschehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich sage Ihnen sehr klar: Mir wird schon angst und bange, wahrzunehmen, dass eine Behörde wie Diyanet offensichtlich den Auftrag erteilt, Bespitzelungen vorzunehmen. Ich finde auch nicht, dass der Vorgang – wie die DİTİB es am 13. Februar in ihrer Pressemitteilung getan hat – damit abgeschlossen ist, dass ein Vertreter im Moment sein Mandat innerhalb des Beirats ruhen lässt. Nein, viele Fragen stellen sich ganz konkret an die DİTİB: Wie ist die Struktur? Wie ist die Einsetzung? Wie nimmt die Religionsbehörde Einfluss? Das ist völlig klar.
Ich will Ihnen spiegeln, wie die Situation hier in Nordrhein-Westfalen aussieht. Die Schulministerin hat sehr klar diese Anforderungen an die DİTİB gestellt, und die DİTİB ist diesen Anforderungen auch nachgekommen.
Mir ist auch Folgendes wichtig: Die Arbeit des Beirats hat bisher gut funktioniert. Es wurde konstruktiv zusammengearbeitet. Und als es Probleme mit Mitgliedern dieses Beirats gegeben hat, hat auch die Schulministerin reagiert und ein Beiratsmitglied abberufen. Die Schutzmechanismen funktionieren. Ich weise auch darauf hin, dass die Mitglieder des Beirats vor Eintritt in den Beirat vom Verfassungsschutz überprüft werden. Die Landesregierung hat also bei der Besetzung des Beirats und auch bei der Konstruktion des Beirats sehr viel Sorgfalt walten lassen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Ja, es ist ein unerträglicher Vorwurf, der hier im Raum steht. Trotzdem darf es keine Vorverurteilung geben. Es müssen Urteile her. Auf Basis dieser Urteile werden Konsequenzen gezogen, und nicht vorher, weil es Zurufe aus dem Parlament gibt. Das geht hier Nordrhein-Westfalen nicht, und das gibt es auch nicht in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland. Da gibt es klare Spielregeln.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Worüber reden wir heute in dieser Diskussion? Wir reden über den Anspruch von 350.000 jungen Menschen, die dem muslimischen Glauben zusprechen. Diese 350.000 jungen Menschen haben einen Anspruch auf einen qualifizierten Religionsunterricht. Im Übrigen ist ein Religionsunterricht keine Glaubenspredigt, sondern eine offensive Auseinandersetzung mit einer der führenden Weltreligionen in einem kritischen Dialog. Dazu brauchen wir in Deutschland an deutschen Hochschulen gut ausgebildete Religionslehrerinnen und Religionslehrer. Genau das wird in Nordrhein-Westfalen vollzogen.
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])
Wir wollen nicht, dass ein innertürkischer Konflikt in unsere Schulen hineingetragen wird. Wir wollen auch nicht, dass ein anderer Staat – schon gar nicht ein autokratisch geführter Staat – in unsere Klassenzimmer hineinregiert. Diese Ansage ist sehr klar und sehr eindeutig. Deswegen gibt es dieses Modell in Nordrhein-Westfalen.
Eins will ich Ihnen auch sagen: Die Verfassung von Nordrhein-Westfalen zu achten und einzuhalten und auch ein Verfassungspatriot zu sein, können Christen, aber auch Muslime und auch Freidenker. Unsere Verfassung in Deutschland ermöglicht das, was kluge Denker und Philosophen einen überlappenden Konsens nennen, nämlich die Anerkennung gemeinsamer Grundregeln bei aller Verschiedenheit der Akteure. Das ist die Basis, auf der wir hier in Nordrhein-Westfalen den Religionsunterricht ausgestaltet haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Was heißt das konkret?)
– Ich sage Ihnen, Herr Kollege Stamp: Der Islam gehört zu Deutschland. Wichtiger noch: Die Muslime gehören zu Nordrhein-Westfalen. Und deswegen brauchen wir einen guten und qualifizierten Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen. Dafür müssen wir die Basis in diesem Land schaffen. Das ist unsere Aufgabe.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sehen wir uns den Beirat an: Der Beirat ist mit vier Vertretern der Verbände konstruiert worden, einer kommt von DİTİB. Vier werden vom Schulministerium benannt und drei von anderen Verbänden. Wir sind umsichtig vorgegangen und haben auch Schutzmechanismen eingebaut. Ich habe soeben darauf hingewiesen: Als ein Beiratsmitglied in verfassungsrechtlicher Hinsicht auffällig geworden ist, hat die Schulministerin gehandelt und dieses Beiratsmitglied abgezogen.
Dieses Konstrukt unterscheidet sich im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ganz fundamental von dem, was Sie und Herr Jörg-Uwe Hahn in Hessen konstruiert haben. Sie haben die DİTİB als Religionsgemeinschaft anerkannt.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Richtig! Das ist nämlich verfassungskonform!)
Sie haben einen Exklusivvertrag mit der DİTİB abgeschlossen, um „sein Baby“, wie Herr Hahn den islamischen Religionsunterricht in Hessen nennt, umzusetzen. Ein solches Vorgehen, Herr Kollege Stamp, war nicht sehr besonnen.
Wenn Sie jetzt einen Antrag in Nordrhein-Westfalen einbringen, wie heute mit dieser Aktuellen Stunde, um das Thema scharfzustellen, dann möchte ich Sie doch daran erinnern, wie viel Porzellan Sie mit dieser Debatte zerschlagen können,
(Christof Rasche [FDP]: Nur nicht debattieren!)
wenn Sie unsere Gesellschaft weiter spalten wollen und die Schwellen für einen qualifizierten Religionsunterricht weiter nach oben ziehen.
(Widerspruch von der CDU und der FDP – Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Zuruf von Serap Güler [CDU] – Glocke)
Sie schaden nicht uns, sondern Sie schaden dem Dialog mit den islamischen Religionen. Im Übrigen machen Sie letztlich Ihren Parteikollegen in Hessen, Herrn Hahn, lächerlich.
Wir stehen für einen qualifizierten Religionsunterricht. Wir wollen die Brücke bauen. Wir werden den Bespitzelungsvorwürfen sehr konsequent nachgehen und dabei auf der einen Seite rechtsstaatlich handeln und auf der anderen Seite jedoch dafür sorgen, dass der Dialog der Kulturen in Deutschland weitergehen kann. Wir brauchen die Menschen, die hier leben. Wir werden ihnen auch in jeder Hinsicht ein Zuhause geben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

Mehr zum Thema

Religion, Schule