Mehrdad Mostofizadeh: „Wir müssen gemeinsam den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen helfen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Altschuldenfonds

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Vielen Dank, auch für Ihre Form der Einleitung.
Ich habe nur eine kurze Redezeit für die Einbringung des Antrags; daher möchte ich an dieser Stelle sehr darum werben, dass wir ernsthaft über die Ausgestaltung des Vorschlags reden und möglicherweise Veränderungen diskutieren, auch wenn es jetzt schon 17:30 Uhr ist, also relativ spät für eine Parlamentsdebatte.
Wir haben mit dem Gutachten, das auf dem Tisch liegt, einen Vorschlag gemacht, der uns wirklich am Herzen liegt. Wir wollen ernsthaft über die Ausgestaltung des Vorschlags reden und gegebenenfalls auch Veränderungen diskutieren. Wir werden mit Sicherheit eine Anhörung beantragen. Die Kollegen aus dem Ausschuss haben bereits zugestimmt, das relativ zügig in Angriff zu nehmen, wofür ich mich ausdrücklich bedanken möchte. Ich glaube, dass das, was unser Gutachter Herr Dr. Busch vorgelegt hat, wirklich Substanz hat.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kurz zur Ausgangslage. Wir haben 24 Milliarden Euro unechte Kassenkredite in Nordrhein-Westfalen – unecht deswegen, weil ein gewisser Anteil an Kassenkrediten, an Liquiditätskrediten in den Kommunen normal ist. Das sind etwa 7 %, 8 % oder 9 % von dem Volumen, das wir im Moment in Nordrhein-Westfalen haben; deswegen 24 Milliarden Euro. Das deckt sich ungefähr mit dem, was in Hessen im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Kassenkredite erarbeitet worden ist.
Diese Kassenkredite hängen vielen Städten – insbesondere den Städten, denen es aufgrund ihrer demografischen und wirtschaftlichen Situation ohnehin schwerfällt, damit umzugehen – wie ein Mühlstein um den Hals. Es würde einen Neustart für diese Städte und Gemeinden bedeuten, wenn sie einerseits von diesen Kassenkrediten befreit würden, und anderseits – das ist auch nicht zu unterschätzen – klar wüssten, dass sich ihre Belastungen in den nächsten 30 Jahren nicht erhöhen.
Ich will das mal für Essen illustrieren. In Essen gibt es Kassenkredite in Höhe von 2 Milliarden Euro. Die Zinssteigerung liegt bei 2 %, was jetzt nicht besonders sensationell wäre. 40 Millionen Euro sind in Essen jedoch zwei- bis dreimal der Sportetat. Das wird in vielen anderen Städte nicht anders aussehen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Bei einem festen Zinssatz gibt es überhaupt keine Zinssteigerungen!)
–  Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.
Um einen festen Zinssatz zu bekommen, brauchen wir 30 Jahre. Deswegen kommen wir zu dem Vorschlag, das Ganze abzusichern.
(Zuruf von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung)
Unser Vorschlag lautet, das Zinsrisiko bei 1 % vollständig abzusichern, das Ganze mit der Bonität des Bundes zu verbinden – da werden wir wahrscheinlich unter 1 % liegen – und gleichzeitig die Kosten der Abzinsung, der Abfinanzierung des Fonds zwischen Bund, Land und Kommunen zu je einem Drittel aufzuteilen.
Ich gebe zu, Frau Ministerin, das ist nicht ganz eine Drittelung. Wir haben in unserem Antrag ausgeführt, warum nicht. Beim Stärkungspakt haben wir schon 350 Millionen Euro ausgegeben. Wir schlagen vor, rund 390 Millionen Euro aufzuwenden. Das halten wir für die Landeskasse noch für vertretbar. Dann würde jede Stadt und jede Gemeinde, die Kassenkredite hat und das sind nicht nur die Stärkungspaktkommunen –, genau das weiterzahlen, was sie im Moment an Zinslast trägt, keinen Cent mehr, keinen Cent weniger. Der Deal ist, dass sie keine weiteren Kassenkredite über das normale Maß hinaus mehr aufnehmen dürfen. Das muss natürlich gesetzlich abgesichert und von der Haushaltsaufsicht sehr klar nachgehalten werden.
Nach Ablauf der 30 Jahre würden diese Städte und Gemeinden wieder Eigenkapital in beachtlicher Größenordnung aufgebaut haben. Die Kassenkredite werden abgezahlt. Das Land als Aufseherin hätte ein ganz wichtiges Problem vom Hals.
Liebe Frau Ministerin, wenn es in Berlin noch gelingt, eine Gemeinschaftsaufgabe daraus zu machen, wie es die Kämmerer vorschlagen, dann werden wir uns selbstverständlich nicht verschließen. Da sind allerdings CDU und SPD in der Kommission am Zuge. Es gibt eine entsprechende Arbeitsgruppe; deswegen jetzt der Zeitplan. Im Mai dieses Jahres soll der Abschlussbericht vorliegen. Nordrhein-Westfalen muss sich jetzt klar bekennen: Wollen wir handeln? Wollen wir über die Absicherung des Zinsrisikos hinaus etwas tun? Wollen wir die Kassenkredite substanziell abarbeiten?
Frau Ministerin, kurz vor Weihnachten kam die Mitteilung aus Ihrem Hause, dass Sie – anders als im Koalitionsvertrag bisher vereinbart – nicht nur eine Zinshilfe geben, sondern das Problem „Tilgung der Altschulen“ konkret angehen wollen. Das hat mich sehr gefreut.
Ich kann nur sagen: Wir strecken die Hand aus. Wir haben als Signal vernommen, dass sich die Landesregierung darum kümmern will. Ich hoffe, dass sich die Rednerinnen und Redner jetzt in der Sache auf unseren Vorschlag beziehen. Dann werden wir eine spannende Debatte führen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE):  Herr Präsident! Ich möchte mich ganz herzlich für die heutige Debatte bedanken, denn sie verdeutlicht auch, wie im Moment die Debatte im Kommunalausschuss abläuft.
Lieber Kollege Hoppe-Biermeyer,
(Christian Dahm [SPD]: Das ist der Einzige im Parlament, der das nicht erkannt hat!)
ich finde es wirklich ein bisschen schade. Wir haben uns Mühe gegeben, einen konkreten Vorschlag auf den Tisch zu legen, und Sie sagen, es wäre ein Schnellschuss und nicht durchdacht und es würde dieses mit jenem durchmischt.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ich finde, dass das ein wirklich ernst gemeinter, fundierter Vorschlag ist, über den man reden könnte.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Kollege Höne, Sie sagen immer, ich solle Sie nicht zu viel loben, damit Sie nicht Ärger in Ihrer Fraktion bekommen,
(Heiterkeit von Henning Höne [FDP])
aber Ihr Beitrag machte doch deutlich, wie man damit umgehen kann. (Beifall von der SPD)
Sie haben klare Ansagen gemacht, nach welchen Kriterien Sie von der FDP-Fraktion vorhaben zu entscheiden. Darüber kann man doch reden. Dann können wir schauen, welches Konzept am Ende das bessere ist.
Ich habe aber noch keine grundlegenden Unterschiede zu den in dem Antrag und in dem Gutachten aufgeführten wesentliche Faktoren gesehen.
Frau Freimuth: So schlimm ist es auch nicht.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Deswegen wäre meine dringende Bitte: Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Herrn Höne und auch an der SPD und lassen Sie uns über die Zugänge zur Lösung des Problems reden und dann am Ende des Tages eine vernünftige, kompetente Entscheidung treffen.
Frau Ministerin, es ist doch egal, wer die Schippe als erster aus dem Sandkasten gezogen hat. Wir müssen gemeinsam den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, die ansonsten keinen Neustart erleben werden, helfen. Dann können wir in die Zukunft schauen und Altkredite abbauen.
Außerdem müssen wir über Investitionen reden. Das ist der Ansatzpunkt, und davon sollten wir gemeinsam ausgehen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)