Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bekräftigen, was die Kollegin Creuzmann vorhin gesagt hat: Atomenergie ist aus unserer Sicht unwirtschaftlich, gefährlich und abzulehnen. Der Wiedereinstieg in die Atomenergie muss in Deutschland für alle Zeiten ausgeschlossen sein; das darf nicht passieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Kollege Pfeil, Frau Creuzmann hat Sie in ihrem Beitrag zweimal ausdrücklich gelobt. Trotzdem kann ich es der FDP nicht ersparen: Ich glaube, dass Sie hier doppelzüngig agieren und Leuten etwas in den Mund legen; das ist schlichtweg nicht in Ordnung.
Warum schließen wir nicht die Reihen in Nordrhein-Westfalen – außer denen, die aus meiner Sicht sowieso nicht in das demokratische Spektrum gehören – und sagen als Nordrhein-Westfalen den Belgierinnen und Belgiern einhellig: Wir halten das, was ihr da macht, für falsch.
(Zuruf von Markus Wagner [AfD])
Es ist eine Fehlentscheidung, diese Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Die Energiepolitik in Belgien läuft in die falsche Richtung.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Frage an den Koalitionspartner!)
Das könnten wir doch tun, anstatt uns untereinander zu bekämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich will an der Stelle sehr klar sagen, damit das nicht in Vergessenheit gerät: Ich war 1986, als der Unfall von Tschernobyl passiert ist, 17 Jahre alt. So zu tun, als sei das ein kleiner Pups in der Geschichte gewesen, ist wirklich der Hammer. Damals hatten Menschen in ganz Deutschland Angst. Die Leute haben gehamstert. Es wurde kein frisches Obst mehr gegessen; es konnte nicht gegessen werden. Die Strahlenschutzbehörden haben die Werte zum Teil nach oben gezogen, weil sie nicht wussten, wie sie weiter mit der Bevölkerung umgehen können.
Jetzt liegt die Entscheidung in unserer Hand, es anders zu machen. Diese Landesregierung wird alles dafür tun, dass der Weg in der Energiepolitik in Richtung Erneuerbare geht, dass wir dort besser werden, dass wir den Strom aus anderen Quellen produzieren. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen; es geht nicht um Kleingefechte.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Weil sich der Kollege Kämmerling nicht zurückhalten konnte, den Vergleich dazu zu ziehen, dass wir doch auch die Polizei riefen, wenn im Nachbarsgarten Reifen angesteckt werden, sage ich auch sehr klar: Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es in diesem Fall nicht. Wenn wir die Polizei rufen könnten, also irgendeine EU-Behörde,
(Zuruf von Gordan Dudas [SPD])
und Belgien anklagen könnten, damit es die Meiler nicht weiterlaufen lässt, dann würden wir es an diesem Tag tun. Das ist aber nicht die Rechtssituation. Was suggerieren Sie denn damit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD? Das ist doch überhaupt nicht möglich, was Sie da behaupten.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich will nicht noch einmal auf die FDP eingehen, aber in Neckarwestheim und Philippsburg haben Sie nicht das Austeilen von Jodtabletten gefordert, als Sie hier mit fadenscheinigen Gründen die Laufzeitverlängerung angebracht haben. Die FDP ist da sowieso super: 2009 in die Bundesregierung gekommen, den Ausstieg aus dem Ausstieg gefordert, und 2011 wurde Sie gezwungen, den Ausstieg aus dem Ausstieg wieder rückgängig zu machen. Die dreifache Eskimorolle, die die FDP da gemacht hat, sucht ihresgleichen. Hätte Herr Brockes zu diesem Thema gesprochen, hätte er, glaube ich, freien Herzens gesagt, er wäre für die Wiedereinführung der Kernenergie und wollte die Hauptproduktionszeiten durch Kernenergie abdecken.
Wenn wir hier ehrlich diskutieren würden, dann würden wir sehr klar das vorbringen, was auch Oliver Krischer zum Ausdruck hat: Es schmerzt uns, was in Belgien passiert; wir halten es für falsch, was in Belgien passiert, und wenn es in unserer Macht stehen würde, würden wir sofort hingehen und diese Laufzeitverlängerung der Atommeiler rückgängig machen. Es steht aber nicht in unserer Macht.
Es steht jedoch durchaus in unserer Macht – da kann ich Teile von Herrn Pfeil durchaus übernehmen –, auf die belgische Regierung einzuwirken, in Europa für eine andere Energiepolitik zu werben, im Genehmigungsverfahren bei der Umweltverträglichkeitsprüfung unsere Meinung einzubringen, mit dem Bundesumweltminister zu reden, dass er seinen Einfluss auf europäischer Ebene geltend machen kann, dort Genehmigungsverfahren infrage zu stellen und vieles mehr. Das wird diese Landesregierung tun, da bin ich ganz sicher; das hat Minister Krischer eben vorgetragen. Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wird seine Möglichkeiten nutzen, um mit den Belgierinnen und Belgiern darüber zu reden, dass auch er das für falsch hält. Auch da bin ich ganz sicher, weil er es schon mehrfach getan hat.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich nur sagen: Nehmen Sie die Menschen in der Region ernst. Das sind erwachsene Menschen, die genau wissen, worum es geht, und die gucken sich auch ziemlich genau an, was da passiert.
(Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])
Die möchten nicht hören, dass A durch B beschimpft wird, sondern sie möchten hören, dass substanziell etwas in der Sache getan wird, dass die Folgen der Atomkraft klar benannt werden, dass substanziell dagegen vorgegangen wird, wo es rechtlich möglich ist. Das ist unsere Aufgabe – und nicht, den Kollegen oder die Kollegin für kleine Geländegewinne schlechtzumachen.
Eines ist völlig klar, und das kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen. Wenn eine Partei die Folgen der Atomkraft, ihre Kosten und die Folgen für das Energiesystem derart infrage stellt, wie es der rechte Flügel hier tut, dann kann man nur sagen: Sie sind nicht nur nicht von dieser Welt, sondern Sie treiben die Menschen in die falsche Richtung.
Atomenergie ist gefährlich; die Endlagerfrage ist nicht gelöst. Wir müssen alles dafür tun, dass die Erneuerbaren ihren Siegeszug fortführen.
Wir haben eine weite Strecke vor uns. Es muss alles dafür getan werden, dass das, was in Belgien passiert ist, nicht auch noch woanders Schule macht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Dr. Werner Pfeil [FDP])
