Mehrdad Mostofizadeh: „Wir gehen den schwierigen Weg der Konsolidierung“

Haushalt 2012

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu Ihrer ersten Rede herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Optendrenk.
Sie fing mit dem wichtigsten Beitrag, den die CDU zum Haushalt zu leisten hat, an. Die CDU hat erklärt: Der Haushalt 2012 interessiert uns nicht, wir streichen die Segel, wir haben nichts dazu beizutragen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben hier sehr viel mit Zahlenspielereien operiert. Sie haben gesagt, der Finanzminister hätte die Verschuldung um 50 % erhöht, also von 3 Milliarden € auf 4,5 Milliarden €. Der frühere Finanzminister Linssen hat von 2008 auf 2009 die Neuverschuldung um 500 % erhöht. Bei solchen Zahlenspielereien müssen Sie die Daten dahinter nennen und sagen, was damit ist. Das hat der Finanzminister in seiner Einbringungsrede auch vorgetragen.
Sie haben den Haushaltsvollzug dann auch eben einmal mit dem Haushaltsentwurf verwechselt. Das ist auch nicht so schlimm. Sie haben schließlich die Behauptung aufgestellt, der Bund würde sich deswegen höher verschulden müssen, weil er die Hauptlast der deutschen Einheit trage. Herr Kollege, wir können gern im Haushaltsausschuss noch einmal intensiver darüber reden. Die Hauptlast der deutschen Einheit tragen aber die Sozialversicherungssysteme und anteilig bei der Lastenverteilung Kommunen und Länder in erheblichem Ausmaße.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte auf die Schwerpunkte dieses Haushaltes und auf den Unterschied einmal eingehen. Ich habe nämlich keine Lust, über pauschale Zuweisungen zu reden. Ich will es vielmehr konkret machen. Kollege Börschel hat ja schon verschiedene Punkte angesprochen.
Ja, Rot-Grün hat Schwerpunkte gesetzt. Der wesentliche Schwerpunkt ist die Finanzierung der Kommunen. Über 700 Millionen € – nimmt man die Reparaturzahlen hinzu, fast 1 Milliarde € – gibt Rot-Grün mehr für die Kommunen aus, als das Schwarz-Gelb gemacht hat. Das finde ich richtig, notwendig und zukunftsweisend.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir müssen aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils, das Schwarz-Gelb um die Ohren geschlagen bekommen hat, zusätzlich 107 Millionen € für die U3-Finanzierung ausgeben. Das Einheitslastenabrechnungsgesetz muss mit dem Haushalt 2013 ausfinanziert werden. Das ist auch eine Altlast der schwarz-gelben Landesregierung.
Ja, wir haben Schwerpunkte gesetzt, so in der Bildung, beim Thema „Inklusion“, beim Ausbau des Ganztags. Außerdem haben wir Gebühren abgeschafft, und zwar die Studiengebühren und die Kitagebühren im dritten Beitragsjahr. Das sind notwendige Schwerpunkte gewesen, um dieses Land zukunftsfähig zu machen.
Ansprechen möchte ich dann noch die Umweltverwaltung. Das bemängeln Sie auch immer. Es waren Ihr Umweltminister Uhlenberg und der Regierungspräsident in Arnsberg, die Brandbriefe an den Finanzminister geschrieben haben. Sie sind durch den Envio-Skandal in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt worden. Wollen Sie das wieder rückgängig machen? Dazu habe ich bis jetzt keine Aussagen gehört. Ich halte es für richtig und notwendig, dass diese Zahlen im Haushalt stehen.
Ich will auch einige Beispiele anführen, die Sie hier immer unterschlagen. Ja, wir haben auch Konsolidierungsschritte vorgenommen. Wir haben – das bemängeln Sie natürlich – die Grunderwerbsteuer erhöht. 450 Millionen € kommen auf diese Weise mehr in den Haushalt; 50 Millionen € davon gehen an die Kommunen. Die Steinkohlenbeihilfen sind in den Jahren 2011 und 2012 gesunken. Diese Landesregierung hat sich darum bemüht, zusätzliche Steuerprüfer einzustellen und generiert dadurch Mehreinnahmen.
Dann komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt: Wir haben die schlimmsten Einschläge vom Bund verhindert. Es geht um das Stichwort Steuersenkungspläne von Schwarz-Gelb, die astronomische Höhen angenommen hätten, wenn dieser Koalitionsvertrag, der immer noch gültig ist, umgesetzt worden wäre. Wenn man die Zahlen des Bundesfinanzministers nimmt, wäre das mit Mindereinnahmen für Nordrhein-Westfalen zwischen 6 und 7 Milliarden € verbunden gewesen, wenn das Konzept der FDP umgesetzt worden wäre.
Ich will einen weiteren Punkt anführen, der auch zur Konsolidierung des Haushaltes beiträgt, obwohl er zunächst einmal Mehrkosten verursacht, nämlich die Umstrukturierung der WestLB. Das ist kein schönes Kapitel für das Land Nordrhein-Westfalen. Dieser Finanzminister hat aber konsequent umgesetzt, was angefangen worden ist. Man hat vorausschauend Risiken dargestellt. Man hat ein gutes Konzept umgesetzt. Die FDP hat, obwohl sie ursprünglich den Konzepten zugestimmt hat, sich vom Acker gemacht und will jetzt nichts mehr davon wissen, was sie 2008 mit Phoenix und anderen Maßnahmen bei der Umstrukturierung angelegt hat.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Das könnte, Herr Lindner, möglicherweise daran liegen, dass Sie 2007 und 2008 die WestLB noch verkaufen wollten, aber solange gewartet haben, bis ein Verkauf nicht mehr möglich war.
(Lachen von der FDP)
– Warum lachen Sie denn? Es war 2007 genauso absurd wie heute, das zu machen. Aber Sie packen das als Entschuldigung hier immer wieder heraus.
(Christian Lindner [FDP]: Damals haben Sie dem Landtag noch gar nicht angehört!)
Jetzt sehen wir uns die konkreten Haushaltsveränderungen an, Herr Kollege Lindner. Wir haben 400 Millionen € für die Gebührenbefreiung im Bereich der Kitas und bei der Studiengebühr eingesetzt. Sie vergessen immer zu sagen, dass wir 400/450 Millionen €, wovon 400 Millionen € im Landeshaushalt eingehen, bei der Grunderwerbsteuererhöhung hereinholen. Sind Sie jetzt dafür, dass die Grunderwerbsteuer nicht kommt? Dann müssten Sie 400 Millionen € bei Ihrer Konsolidierung abziehen. Oder rechnen Sie die mittlerweile in Ihre Konsolidierungsbeträge ein? Dann müssten Sie aber so viel Charakter haben und das den Menschen im Lande sagen. Sie sollten sich dann nicht hinter Zahlen verstecken, und Sie sollten sich auch nicht verstecken, wenn es um die Entscheidungen über solche Maßnahmen geht.
Nehmen wir die Erhöhung im Bereich der Kommunalfinanzierung. Ist die CDU dafür, dass GFG beim Stärkungspakt wieder abzusenken, was wir zusammen mit der FDP beschlossen haben? Da können Sie aus meiner Sicht auch keinen Konsolidierungsbeitrag erkennen. Wollen Sie das GFG absenken, Herr Kollege Optendrenk? Dann sagen Sie es und machen Sie einen Vorschlag zum Haushalt. Ich kann das aber nicht erkennen. Sie nehmen diese Beiträge mit. Es gibt keinen Konsolidierungsbeitrag von CDU und FDP. Stattdessen will die CDU sogar noch 350 Millionen € draufpacken. Die CDU schlägt also nicht weniger, sondern mehr Ausgaben vor.
So könnte ich die anderen Bereiche weiter durchgehen. Ich habe das gerade schon bei der Umweltverwaltung gemacht und mit der Nennung der anderen Beträge.
Noch Folgendes, was den Regierungsvergleich betrifft: Sie haben in keinem Jahr – ich könnte die Zahlen vorlesen, aber das mache ich dann im Haushaltsausschuss – Ihrer Regierungszeit die Steuermehreinnahmen zu 100 % zur Absenkung der Neuverschuldung eingesetzt. Es waren immer 40 bis 50 %, die von CDU und FDP davon ausgegeben wurden.
Ich gebe offen zu, dass das natürlich Gründe hat. So steigen die Pensionslasten, es gibt Mehrkosten beim Personal, die umzusetzen sind. Aber das lassen Sie als Entschuldigung für Rot-Grün auch nicht zu. Sie sagen sogar, die WestLB-Milliarde müsste eingespart werden. Sollen wir die WestLB-Milliarde dadurch einsparen, dass wir 50.000 Stellen im Schulbereich kürzen? Ist das Ihr Kürzungsvorschlag? Dann sagen Sie es bitte auch. Fabulieren Sie hier nicht im Landtag herum, sondern machen Sie konkrete Vorschläge und sagen Sie, wo die Politik hingehen soll.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Einen weiteren Punkt will ich ansprechen, weil das in der Plenardebatte in dieser Woche auch eine Rolle gespielt hat: Mehrfach hat die CDU sich hier massiv aufgekröpft, was eine Formulierung von Ministerin Schäfer zur Anzahl von Krippenplätzen betraf. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass sie über eine vorübergehende Maßnahme gesprochen hat, die im Übrigen völlig im Einklang mit dem KiBiz steht. Wollen Sie denn die Mehrkosten, die entstehen würden, wenn man auf diese Maßnahme verzichtete, im Haushalt darstellen? Oder ist das wieder eine Ihrer Schattenformulierungen, bei denen Sie kein Konzept haben und die Sie als pauschale Vorwürfe in den Raum stellen? Sie müssen konkret werden! Haushaltspolitik ist konkret und nicht Geschwafel in Sonntagsreden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben kein Konzept. Sie machen keine Vorschläge. Sie bleiben pauschal. Sie bleiben im Vagen. Wir werden das in den Haushaltsberatungen auch immer wieder im Einzelnen vortragen.
Eines will ich auch ankündigen – der Minister hat es auch schon gemacht –: Ja, wir werden weiter konsolidieren. Wir werden auch Einsparvorschläge machen. Wir werden Kürzungen in den Förderprogrammen vornehmen. Wir werden da etwas tun, wo Sie gegrast haben. So werden wir bei den Vollkostenzuschüssen auf Kreditbasis umsteuern.
Herr Kollege Schemmer und Herr Kollege Laumann, allein 500 Millionen € – der Kollege Römer hat es in seiner Rede auch vorgetragen – sind für den Eigenheimausbau draufgegangen. Das ist „Staat vor Privat“. Das ist steuerfinanzierte, schuldenfinanzierte Wachstumspolitik. Das ist Klientelpolitik. Es ist aber nicht zielgerichtet, nicht passgenau und geht zulasten des Landeshaushalts. Das ist die Politik von CDU und FDP.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen, damit das nicht verloren geht. Diese CDU würde, wenn man ihre Vorschläge ernst nähme und umsetzte, den Landeshaushalt kurzfristig mal eben 1,1 Milliarden € zusätzlich kosten: 350 Millionen € für den Stärkungspakt Stadtfinanzen; mindestens 300, eher 400 Millionen €, wenn die kalte Progression im Bundestag so umgesetzt würde, wie sich das Finanzminister Schäuble vorstellt; 450 Millionen €, wenn wir die Erhöhung der Grunderwerbsteuer rückgängig machten. Das sind 1,1 Milliarden € Mehrkosten allein auf dem Konto der CDU. Sie sind die kleinsten Konsolidierer aller Zeiten, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wie haben Sie den Haushalt in Ihrer Amtszeit verbessert? Sie haben die Kommunen geschröpft – 3 Milliarden €. 2003 haben sich Herr Rüttgers und Herr Wolf an die Spitze des Personals gestellt, als Rot-Grün Kürzungen bei Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld vorgenommen hat, und uns gesagt: Das ist falsch; man darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten Einsparungen vornehmen. – 2005 bzw. 2006 hat Herr Linssen noch einmal 40 % zusätzliche Kürzungen draufgepackt.
Sie täuschen, Sie tricksen, Sie verschieben. Sie machen keine solide Politik. Gott sei Dank sind Sie deswegen massiv vom Wähler in Nordrhein-Westfalen abgestraft worden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Ihr habt bei der Landtagswahl doch verloren!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Haushalt spiegelt tatsächlich die Schwerpunkte rot-grüner Politik wider. Er ist die Basis für eine solide, gut ausfinanzierte und zukunftsfähige Politik. Natürlich könnte ich mir noch mehr vorstellen, wenn in diesem Haushalt mehr drin wäre. Aber wir werden uns auf den schwierigen Weg der Konsolidierung begeben. Wir werden uns durch Nebelkerzenwerfereien von CDU und FDP nicht ablenken lassen. Wir werden Sie stellen. Wir werden konkrete Vorschläge machen. Wir werden uns auch sehr genau angucken, welche Bürgermeister Sie auf die Bäume treiben und welche Demonstrationen Sie anführen, wenn es um konkrete Kürzungsvorschläge geht, oder ob Sie den Weg mitgehen und nicht nur den Mund spitzen, sondern auch pfeifen und dann sagen, wie es gehen soll. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

2. Runde:

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Fraktionsvorsitzender hat gesagt, ich dürfte mich nur melden, wenn ich das Niveau von Herrn Witzel unterbiete.
(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)
Weil ich möchte, dass wir über Haushaltspolitik wieder ernsthaft und qualifiziert reden, möchte ich nur einen Punkt herausgreifen. Sie haben ja das ach so witzige Beispiel von den Gutachten über das Schwanzbeißen in den nordrhein-westfälischen Ställen geliefert. Vielleicht hätten Sie sich einmal mit der Materie auseinandersetzen sollen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Es geht nämlich hierbei darum, Herr Kollege Witzel – hören Sie bitte den Moment zu! –, ob Ställe nach EU-Recht zu schließen sind. Wenn nämlich in den Ställen Schwanzbissigkeit vorherrscht, dann müssen diese Ställe nach EU-Tierschutzrecht geschlossen werden. Das Umweltministerium hat daraufhin diese Studie in Auftrag gegeben, um sicherzustellen, dass diese Ställe nicht geschlossen werden müssen. Sind Sie dafür, dass dieses Gutachten nicht in Auftrag gegeben wird und damit zwei Drittel bis drei Viertel der nordrhein-westfälischen Ställe geschlossen werden? Ach wie witzig, Herr Kollege Witzel! Und ach wie witzig, dass Sie die Stutenbissigkeit im Kabinett untersuchen lassen wollen. Das ist ein Niveau, Herr Kollege, das ich unterirdisch und wirklich ekelhaft finde.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)
Wir kommen ja unter dem Tagesordnungspunkt zum Thema „Steuerabkommen“ noch auf weitere Ekelhaftigkeiten zu sprechen, aber jetzt noch nicht.
Noch ein Punkt, was das Steuerabkommen anbetrifft. Hierauf hat ja auch der Finanzminister hingewiesen. Auch da haben Sie ja durch Weglassungen versucht, ein gewisses Bild darzustellen. Mittlerweile habe ich aber einen ganz anderen Eindruck von Ihnen. 2008 hat Finanzminister Linssen ebenfalls eine Steuer-CD kaufen lassen. Er hat damals auf Nachfrage – wir haben das unterstützt – darauf hingewiesen, er habe da keinen Spielraum, ob er diese kauft oder nicht, weil er nach Abgabenordnung – ich könnte den Brief heraussuchen – gehalten sei, jedem Hinweis auf Steuerhinterziehung nachzugehen. Er hat es so gedeutet, er sei quasi verpflichtet, diese CD zu kaufen.
Wenn Sie jetzt versuchen, den Finanzminister zu kriminalisieren – einige Piraten haben auch Anzeige erstattet; darüber werden wir nachher auch noch einmal sprechen – und den Anschein zu erwecken, dass das Aufdecken von Steuerstraftaten Hehlerei sei und man eine konsequente Ermittlung zu unterlassen habe, wenn man nicht jedem Vorgang nachgehe, drängt sich mir folgender Verdacht auf: Sie haben eine Studie in Auftrag gegeben – die Herr Lindner gestern zitiert hat –, in der es darum geht, ob man eher für Schuldenabbau oder, in Ihren Worten, eher für soziale Wohltaten ist.
Ich habe mir einmal die Kommentarleiste angeschaut. Ein Kommentar lautete – alle Kommentare waren vernichtend, zumindest die, die ich gelesen habe; es waren ungefähr 40 oder 50 –: Dieses Gutachten wundert uns gar nicht, weil diese FDP die Partei der Schutzpatrone, der Automatenaufsteller und der Steuerhinterzieher zu sein scheint. – Das haben Sie heute eindrucksvoll bestätigt.
(Beifall von den GRÜNEN)

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