Mehrdad Mostofizadeh: „Wir brauchen noch in diesem Monat ein umfassendes Paket zur Konzeption, wie es einen Rettungsschirm für die Kommu­nen geben kann“

Gesetzentwurf der Landesregierung zur Bewältigung der Corona-Pandemie - dritte Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Be­ginn der Rede möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen des Parlaments herzlich dafür bedanken, dass es diese Änderungen gegeben hat und wir zur zweiten Lesung als Fraktionen einen umfangreichen Änderungsantrag vorlegen konnten. In diesem Zusammen­hang möchte ich mich auch ausdrücklich dem Dank an die Verwaltung anschließen.
Dieser Dank gilt insbesondere vor dem Hintergrund – liebe Kolleginnen und Kollegen, das möchte ich schon noch sagen –, dass die Landesregierung erst einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, der Beschlagnahmungen, Zwangsverpflichtungen und diverse andere Dinge vorsah. Das halten wir ausdrücklich für falsch.
Dieses Parlament hat die Zwangsverpflichtungen in Art. 1 § 15 – das ist mittlerweile Teil der Beschlussempfehlung – rückgängig gemacht und durch ein Freiwilligenregister ausgetauscht. Es hat freiwillige Maßnahmen vorgesehen – und auch einen Aufgabenkatalog an die Landes­regierung. Dieser ist nämlich damit verbunden. Das ist ein großer Erfolg dieses Parlaments. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Herr Ministerpräsident, ich möchte das mit zwei Punkten verbinden, die heute, morgen und in den nächsten Tagen sehr intensiv diskutiert werden. Wir reden immer über die Exitstrategie. Ich kann keine Exitstrategie erkennen. Denn es kann keine Exitstrategie geben. Wir werden über eine Umgangsstrategie diskutieren müssen. Natürlich können wir einen Ausweg aus einzelnen Maßnahmen besprechen. Klar ist aber: Solange kein Impfstoff da ist und solange es keine gute und verträgliche Behandlungsmethodik gibt, die auch in schweren Fällen hilft, werden wir immer über den Umgang mit dieser Pandemie sprechen müssen. So lange wer­den wir auch immer Abwägungsmaßnahmen treffen müssen, Herr Ministerpräsident. Deswe­gen finde ich es gut, dass darüber nachgedacht wird.
Beide Papiere, sowohl das Papier der Leopoldina als auch das Papier des Expertenrats der Landesregierung, enthalten sehr viele kluge Beschreibungen. An ganz entscheidenden Punk­ten fehlen aber die Voraussetzungen. Ich greife nur einen ganz entscheidenden einzelnen Punkt heraus, nämlich die Schutzmasken.
Die Größenordnung der Schutzmasken, die derzeit weltweit produziert werden, würde aus­reichen, um Nordrhein-Westfalen zu versorgen. Das ist die Dimension, über die wir im Mo­ment sprechen. Und wenn das so ist, können wir manche sogenannte Exitstrategien schlicht-weg so nicht durchführen oder müssen uns einen Plan B überlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern verbinde ich mit der Debatte heute und dem Auftrag in den nächsten Tagen Doppelstrategien oder Dreifachstrategien. Diese müssen vorbereitet werden. Sie müssen ausgerechnet werden. Man kann nicht so tun, als sei dieser Sachverhalt, dass wir ein so knappes Gut an Schutzmasken haben, nicht Realität.
Ich will damit keine Angst machen – ganz im Gegenteil. Ich laufe draußen herum und sage: Dass wir die Leute wegsperren, kann so nicht weitergehen. – Als Grüne werden wir auch definitiv nicht mitmachen – das will ich ganz deutlich sagen –, dass vulnerable Gruppen ein­gesperrt werden, also zu Hause bleiben müssen und nicht vor die Tür gehen dürfen, weil sich die anderen nicht solidarisch zeigen. Das wird mit uns nicht zu machen sein.
Umso mehr – das ist meine Bitte – müssen wir uns darüber unterhalten, wie der Schutz für diejenigen, die es besonders nötig haben, organisiert werden kann, wie der Schulbetrieb or­ganisiert werden kann und wie andere Betriebe organisiert werden können. Das muss auch ausgerechnet werden. Daran müssen sich Wissenschaftler setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir noch einen Hinweis in Richtung der SPD. In der Debatte am 11. März 2020, Kollege Neumann, ging es nicht darum, dass wir das rela­tivieren wollten – ganz im Gegenteil. Wir wollten auch von der SPD nicht nur Fragen, sondern Antworten haben. Sie hatten aber schon immer nur Beschreibungen und damals keine Ant­worten.
Schlicht falsch ist auch das, was jetzt in Essen passiert, Kollege Kutschaty – dass ausgerech­net in dieser Situation Haushaltssperren vor Ort erlassen werden, obwohl wir mehr brauchen: mehr Aktionen, mehr staatliche Hilfe, mehr Hilfen und auch mehr wissenschaftlichen Bei­stand.
(Sarah Philipp [SPD]: Was hat das damit zu tun?)
Meine Bitte ist, dass wir das hier auch gemeinsam beschließen.
Eine letzte Bemerkung zur Frage der dritten Lesung: Ich habe mir die Änderungsanträge der AfD angeschaut. Darin ist wenig Neues gegenüber dem, was zur zweiten Lesung vorlag, zu finden. Deswegen hätten wir uns die dritte Lesung wahrscheinlich sparen können.
Aber einen Punkt möchte ich hier nach vorne bringen, weil er mir sehr wichtig ist. Ich habe gerade das Thema „Kommunen“ angesprochen. Frau Ministerin, wir brauchen noch in diesem Monat ein umfassendes Paket zur Konzeption, wie es einen Rettungsschirm für die Kommu­nen geben kann, wie haushaltsrechtliche Erleichterungen erfolgen können und wie sicherge­stellt werden kann, dass diejenigen, die vor Ort aktiv sein müssen, nämlich die Städte und Gemeinden, handeln können. Das ist meine Bitte, die ich mit dieser Lesung verbinden möchte.
Wir werden der Beschlussempfehlung zur zweiten Lesung zustimmen. Die Anträge der AfD werden wir ablehnen. Deswegen bitte ich um Beschlussfassung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)