Mehrdad Mostofizadeh: „Wir brauchen mehr Zuwanderung“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Pflegeschulen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Pflege ist ein wunderbarer Beruf, sowohl in der Langzeitpflege als auch in den Krankenhäusern. Ich kann nur sagen: Ich habe dabei wahrscheinlich mehr gelernt als in vielen anderen Lebensphasen. Ich grüße alle Kolleginnen und Kollegen, die diesen tollen Beruf auch heute noch ausüben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Frau Kollegin, zwei Sätze ganz kurz zum Verfahren. Sie haben den Antrag im umgekehrten Verfahren eingebracht. Im Ausschuss wurde all das gar nicht so richtig angesprochen. Es wurde keine Anhörung gemacht, was angesichts des Textes und des Inhalts auch vertretbar ist; denn das ist sehr leicht zu erfassen.

(Thorsten Klute [SPD]: Genau das ist es!)

Es hätte aber vielleicht zu einer anderen Einordnung dessen geführt, was Sie eben gemacht haben.

Kommen wir einmal auf Rheinland-Pfalz zu sprechen. Das ist ein gutes Stichwort. Ich habe mir die Zahlen des deutschen Statistischen Bundesamtes angesehen. Nordrhein-Westfalen ist die Nummer eins der Flächenländer hinsichtlich der Pflegeplätze,

(Beifall von Britta Oellers [CDU])

und zwar aufgrund einer großen Aufholjagd bei den Pflegeplätzen seit 2010. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hätten Sie doch hier im Plenum von Nordrhein-Westfalen feiern können.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Nordrhein-Westfalen hat mehr Pflegeausbildungsplätze als Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammen, obwohl wir 17 Millionen Einwohner haben und die zusammen 28 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Das ist die Einordnung in den bundesweiten Kontext, liebe Frau Kollegin.

Was ich Ihnen auch noch mit auf den Weg geben möchte – Sie haben mir in Ihrer Rede ein sehr gutes Stichwort geliefert –: Ich wollte Ihnen entgegnen, dass Sie ein Gesamtkonzept vorlegen müssen. Was ist denn mit Zuwanderung? Was ist denn mit der Frage von Bachelor- und Masterabsolvierenden, die in den Pflegeschulen unterrichten müssten, wenn wir denn zusätzliche Plätze schaffen wollen? Es scheitert oftmals nicht am Geld, sondern schlichtweg am Personal, das in Nordrhein-Westfalen nicht vorhanden ist. Das hätten Sie alles machen können, aber davon steht keine Silbe in dem Antrag.

Frau Kollegin, deswegen kann ich nur sagen: Dieser Antrag ist nicht dazu angelegt gewesen, das Problem zu lösen, sondern es wird wieder der Eindruck erweckt, als wenn in der Pflege – auch in der Ausbildung – in Nordrhein-Westfalen alles schlecht und schiefläuft. Das ist schlichtweg nicht der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Christof Rasche: Es liegt eine Zwischenfrage vor, Herr Kollege.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Kommt drauf an, von wem.

Vizepräsident Christof Rasche: Ich muss mal eben schauen, wer es ist.

(Thorsten Klute [SPD]: Thorsten Klute!)

– Thorsten Klute ist es. Er sitzt nur auf dem falschen Platz.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Das ist in Ordnung.

Vizepräsident Christof Rasche: Das ist in Ordnung. – Bitte sehr.

Thorsten Klute (SPD): Er sitzt auf dem Platz von Ina Blumenthal, ist es aber erkennbar nicht. – Lieber Kollege Mostofizadeh, Frau Weng hat eben schon den Pflegegipfel erwähnt, den die SPD-Fraktion am vergangenen Montag hier im Landtag durchgeführt hat, weil Herr Minister Laumann diesen Pflegegipfel NRW nicht durchführen wollte.

(Britta Oellers [CDU]: Quatsch!)

Da haben sich verschiedene Vertreterinnen und Vertreter von Pflegeschulen bitterlich über die Unterfinanzierung beschwert.

Vizepräsident Christof Rasche: Frau Blumenthal hätte jetzt schon eine Frage gestellt.

Thorsten Klute (SPD): Die kommt. – Die haben sich bitterlich über die mangelnde Finanzierung beschwert, insbesondere bei Pflegeschulen in gemieteten Räumen. Haben die uns etwa nicht die Wahrheit gesagt, Herr Kollege Mostofizadeh? Haben die Vertreterinnen und Vertreter der Pflegeschulen uns da nicht die Wahrheit gesagt?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ich verstehe die Frage, ehrlich gesagt, nicht so ganz.

(Zuruf von der SPD: Ich schon!)

– Das mag ja sein, Herr Kollege. Wahrscheinlich bin ich auch intellektuell unterbemittelt. Das wäre jetzt die nächste Bemerkung, die gemacht werden müsste.

Ich habe nicht bestritten, dass wir in Nordrhein-Westfalen Luft nach oben haben wie in vielen anderen Bundesländern auch.

(Thorsten Klute [SPD]: Okay! – Beifall von Thorsten Klute [SPD])

Aber ich habe gesagt, dass wir die Nummer eins bei den Flächenländern sind. Nur Hamburg hat, wenn man dann noch die Quote je Pflegebedürftigen mitbetrachtet … wobei ich mich manchmal frage, ob das stimmt. Bayern hat 13 Millionen Einwohner und angeblich nur halb so viele Pflegebedürftige wie Nordrhein-Westfalen. Da müsste man die Statistik auch hinterfragen und nachhören, ob es in Bayern so viele Jungbrunnen gibt. Aber das ist eine andere Frage.

Worauf ich hinauswill, Herr Kollege Klute, ist doch ganz einfach: Ich habe gesagt, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine sehr gute Ausstattung haben und dass wir sehr gut nach vorne gegangen sind. Ich habe nicht bestritten, dass wir sehr viel mehr Plätze in der Pflege haben wollen.

Ich möchte aber noch zwei Punkte ergänzen.

Erstens zum Pflegegipfel: Bei einem solchen Gipfel soll es aus meiner Sicht bei den Punkten, die Sie angesprochen haben, nach vorne gehen. Das ist doch bekannt. Was ist da neu zu klären? Warum muss ich den Minister in diesen Gipfel reinbringen?

Das will ich mir jetzt auch erlauben. Ich habe noch nie so viele Anrufe und Zuschriften bekommen, die darauf hingewiesen haben: Was soll der Quatsch, den die SPD da macht?

(Thorsten Klute [SPD]: Deswegen waren sie alle da!)

Ihr müsst wissen, wie ihr das macht. Das ist euer gutes Recht. Aber so zu tun, als ob hier fehlende Arbeit der Landesregierung ausgeglichen würde, das kann ich überhaupt nicht erkennen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich bin immer gerne bereit, sachlich und ausführlich über das Thema „Pflege“ zu reden. Aber ihr habt euch in diesem Antrag nicht einmal die Mühe gemacht, die Grundzüge der Materie zu beschreiben, auch bei den Beschlusspunkten nicht.

Auf einen Punkt möchte ich jetzt wieder etwas öfter hinweisen: Es liegt eine Klage beim Verfassungsgericht Nordrhein-Westfalen vor, vorgelegt von allen Abgeordneten von SPD und FDP.

(Thorsten Klute [SPD]: Jetzt kommt das wieder!)

Ein Grundtenor dieser Klage ist: Die 5 Milliarden Euro, die in einem Verfügungsfonds des Landes zur Verfügung stehen, um zum Beispiel Inflationsausgleichsmaßnahmen, Folgen des Krieges und anderes auszugleichen, sind nach Ihrer Auffassung nicht notwendig. Sie müssten laut Klagetext im laufenden Haushalt 2023 abgebildet werden. Wie ernst nehmen Sie sich eigentlich tagsüber, wenn Sie Anträge schreiben? Da kann ich nichts erkennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Elisabeth Müller-Witt [SPD]: Reine Schaufensterargumentation, nichts dahinter!)

Vizepräsident Christof Rasche

– Für die Fraktion der Grünen hat sich der Kollege Mostofizadeh noch mal zu Wort gemeldet.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Das ist der Vorteil, wenn einem Zwischenfragen gestellt werden. Dann hat man ein bisschen mehr Zeit, zu reden.

Einen Punkt hat mir der Minister schon vorweggenommen, aber den finde ich ausgesprochen wichtig und würde ihn daher gerne wiederholen, nämlich der Anteil der jungen Menschen, die in die Pflege gehen.

(Thorsten Klute [SPD]: Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem!)

Wenn man sich die bundesweiten Zahlen ansieht, dann stellt man fest, dass ungefähr 52.000 in diese Pflegefachausbildung gehen. Was ist Top-1-Beruf bei der dualen Ausbildung? Die kaufmännischen Bereiche haben gerade mal 37.000. Mit weitem Abstand ist die Pflege die Nummer eins, was die duale Ausbildung, also die klassische Ausbildung, wenn man so will, angeht. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich nur jedem sagen: Tragt es ins Land. Sagt, die jungen Leute sind großartig. Sie sind die Stütze dieser Gesellschaft und sind bereit, in diesen schwierigen, aber tollen Beruf zu gehen. Es ist mir noch mal ganz wichtig, das zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich habe mich vor allem deswegen gemeldet, weil ich mich mindestens von Frau Schneider ungerecht behandelt fühle.

(Thorsten Klute [SPD]: Och!)

Ich habe nicht der SPD-Fraktion unterstellt, dass sie sich mit Blick auf den Antrag keine Gedanken gemacht hat, wobei das, was rausgekommen ist, überschaubar ist. Ich habe nur gesagt, und dazu stehe ich an der Stelle ganz ausdrücklich: Regierungshandeln, das angeblich fehlt, durch einen Pflegegipfel zu simulieren, halte ich nicht für eine besonders großartige Veranstaltung. Es ist Ihr gutes Recht, einen Gipfel zu machen. Das können Sie machen. Aber es bedurfte für Nordrhein-Westfalen nicht dieses Erkenntnisgewinns, weil uns alles, was Sie vorgetragen haben, längst bekannt ist.

(Zuruf von Christina Weng [SPD])

Letzter Punkt in dem Zusammenhang, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns doch über die tatsächlichen Probleme sprechen. Die hat der Minister nämlich angesprochen.

Bei der Zuwanderung hapert es bei den Bescheiden und an vielen anderen Punkten, etwa daran, dass wir im Deutschen Bundestag mittlerweile nur noch darüber reden, dass die Zuwanderung gestoppt werden müsste. Nein, wir brauchen mehr Zuwanderung, und zwar qualifizierte, normale, von ganz besonderen Leuten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir müssen einen internationalen Standard anerkennen, damit wir auch in Europa wieder wettbewerbsfähig sind, denn sonst kommen die Pflegekräfte aus dem Ausland nicht. Da sind Frankreich, Spanien und Kanada sowieso attraktiver. Wenn Sie das nach der heutigen Debatte mit nach Hause nähmen, dann wären wir tatsächlich ein Stück weiter.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Christina Weng [SPD])

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