Mehrdad Mostofizadeh: „Wir brauchen flächendeckende und bessere Tarifverträge“

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es alle gesehen: Die Menschen haben auf den Balkonen, auf den Straßen für die Pflegekräfte geklatscht. Aber was passiert währenddessen? – Im Bundestag bzw. in der Bundesregierung wird mit Zustimmung von Herrn Heil und von Herrn Spahn beschlossen, dass die Intensivpflegerinnen und Intensivpfleger auch 60 Stunden wöchentlich arbeiten können. Die Arbeitsbedingungen verändern sich nicht nur gar nicht zum Positiven, sondern man muss befürchten, dass dies auch noch länger so sein kann.
In den Krankenhäusern werden an die Beschäftigten hohe Qualitätsstandards gestellt. Es sind noch einmal Schutzstandards und viele Verantwortungszeiten dazugekommen. Ich glaube, gestern kam ein Bericht im dritten Programm, bei dem eine Studie vorgestellt wurde das war aber nicht zum ersten Mal – , wonach Care-Arbeit schlechter bezahlt wird als vergleichbare Tätigkeiten und Frauen in besonderer Weise davon betroffen sind.
Ein Vergleich ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil mir die Kolleginnen und Kollegen von früher natürlich besonders am Herzen liegen. Es wurde gesagt, dass eine Altenpflegerin vom Verantwortungsaufwand her eigentlich genauso bezahlt werden müsste wie ein Elektroingenieur. Wenn Sie in die Tariftabellen hineingucken, werden Sie feststellen, dass da in der Regel locker 40 % dazwischenliegen – zumindest, wenn Sie die Altenpflege nehmen.
Dann kommt der Bundesgesundheitsminister und sagt: Ich bin der große Bundesgesundheitsminister, ich will ein klares Zeichen für die Pflege setzen. Ich will diejenigen honorieren, die in Coronazeiten besondere Leistungen gebracht haben. 1.500 Euro soll es geben. Bezahlen tue ich das jedoch nicht, das sollen die Versicherten. Denn das wird zu zwei Dritteln über die gesetzliche Krankenkasse finanziert, und ein Drittel sollen die Bundesländer finanzieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ganz beim Landesgesundheitsminister, der klargestellt hat: Das kann allenfalls ein Symbol sein. – Er hat sich ja sehr, sehr lange gegen diesen Pflegebonus gewehrt mit der Begründung: Eigentlich brauchen wir flächendeckende und eigentlich auch bessere Tarifverträge.
(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch auch!)
Dem ist auch überhaupt nicht zu widersprechen; ganz im Gegenteil. Wir setzen uns sehr für bessere Tarifverträge und eine größere Tarifbindung ein, Herr Gesundheitsminister. Wir setzen uns aber nicht ein, wenn einer immer erzählt, was nicht geht, um am Ende des Tages gar nichts zu machen. Dafür sind zumindest wir Grünen nicht zu haben, und deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will die Chronologie, wie es in Nordrhein-Westfalen abgelaufen ist, ansprechen. In der letzten Plenarsitzung habe ich den Gesundheitsminister darauf angesprochen, was er davon hält, was in Berlin abläuft. Er hat darauf geantwortet: Er hält das für falsch – da stimme ich ihm ausdrücklich zu –, das über die gesetzliche Krankenkasse abzuwickeln. Daraufhin habe ich eine Anfrage für den Gesundheitsausschuss gestellt. Seine schriftliche Antwort war: Wir wissen noch gar nichts, wir müssen einmal gucken.
Ich will ihm allerdings zugestehen, dass er zwei Tage vor der Bundesratsdebatte im Ausschuss sehr wohl mündlich seine Meinung kundgetan hat. Er halte nichts von der Art der Finanzierung, wie sie im Bund auf den Tisch gelegt worden sei, und er setze sich ansonsten für – das halte ich eben auch für richtig – einen besseren Tarifvertrag und eine bessere Ausgestaltung der Pflegebedingungen insgesamt ein.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nicht nur den Mund spitzen, sondern jetzt auch pfeifen.
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen sollte durchaus begrüßen – deshalb ist Punkt 1 in unserem Antragstext auch halb erledigt – und klarstellen, dass wir für diesen Pflegebonus sind und wir als Land bereit sind, diese 500 Euro aus Landesmitteln zu finanzieren. Einen dementsprechenden Beschluss hat das Kabinett am Dienstag endlich auch gefasst, nachdem es eine Woche vorher noch keine Auskünfte dazu geben konnte.
Des Weiteren ist dafür zu sorgen, dass das nicht auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen wird. Denn die Coronakrise wurde nicht von den gesetzlich Krankenversicherten ausgelöst, sondern es handelt sich um gesamtstaatliche Aufgabe, und deswegen muss das auch von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nach ihrer Leistungsfähigkeit honoriert werden. Die Finanzierung ist daher ebenfalls klarzustellen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist nicht nur wichtig wegen dieser 1.500 Euro, was ja immerhin – zumindest wenn ich die Pressemitteilung richtig verstanden habe – allein 106 Millionen Euro bei dem Eigenanteil auslöst und 300 Millionen Euro insgesamt kosten würde, wenn das Land das finanzieren müsste, sondern weil das auch ein klarer Verstoß gegen die bisherigen Spielregeln ist. Wir brauchen eine faire Finanzierung, die dazu führt, dass die Leistungsfähigen in der Gesellschaft mehr dazu beitragen als die Versicherten alleine. Deswegen müssen wir das, finde ich zumindest, an der Stelle völlig klarstellen.
Ein letzter Punkt, den ich erwähnen möchte, ist: Man kann sich überlegen, ob man jetzt alle reinnimmt oder nicht. Das will ich zugestehen. Warum aber diejenigen, die in der Intensivpflege tätig sind und die die meisten Fälle zu betreuen haben, ganz ausgeschlossen sind, entzieht sich völlig meinem Verständnis. Deswegen auch unser Punkt, das zumindest um diesen Personenkreis zu erweitern.
Ich bitte um Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])

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