Mehrdad Mostofizadeh: „Wir brauchen einen Neustart bei den Altschulden“

Antrag der GRÜNEN im Landtag für ein Altschuldenkonzept für Kommunen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Selten traf der Titel eines Antrags mehr zu als der vorliegende auf diesen Sachverhalt.
(Widerspruch von der FDP)
Man könnte ja fragen: Warum beantragen die Grünen zum dritten Mal das Thema „Altschulden“ in diesem Landtag? Ich kann Ihnen sagen, warum: Der Ministerpräsident dieses Landes hat dies als die zentrale Aufgabe für das Ruhrgebiet bezeichnet und gesagt: Die Lösung der Altschuldenfrage muss vor allem stehen. Wir müssen sie schnell angehen. Nordrhein-Westfalen, das Ruhrgebiet und viele andere Städte, die damit zu tun haben, müssen einen Neustart in der Schuldenfrage bekommen.
Was haben wir heute? Nichts. Wir haben das Signal aus Berlin, dass Bundesfinanzminister Scholz – der jetzt offensichtlich auch noch andere Probleme zu lösen hat – sagt: Ich habe mir mein Konzept angesehen und festgestellt, dass ich dafür das Grundgesetz ändern muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch fast schon eine Verhöhnung derjenigen, die sich sachlich um diese Frage kümmern.
Deswegen muss diese Landesregierung endlich ein Konzept auf den Tisch legen, das es wert ist, diskutiert zu werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Frau Ministerin, ich weiß, dass wir in der Analyse eigentlich übereinstimmen. Sie werden gleich vortragen, dass Sie sich bemüht haben, Veranstaltungen durchgeführt haben usw. Deshalb macht es mich umso betroffener.
Wir hatten eine beeindruckende Veranstaltung, bei der die Kommunalos, also diejenigen, die betroffen sind, die überschuldet sind – wie Oberhausen oder eine Stadt wie Dortmund, die nicht einmal im Stärkungspakt ist, aber trotzdem 1,5 Milliarden Euro Schulden hat, oder meine Heimatstadt mit 2 Milliarden Euro Schulden –, klar gesagt haben: Natürlich packen wir mit an. An uns wird es nicht scheitern. Wir werden auch deutlich mehr tun, als wir es eigentlich für fachlich richtig halten, um Abhilfe zu schaffen.
Warum das alles? Wir reden ja nicht nur über die nackten Zahlen, sondern auch über einen weiteren Punkt. Denn alle Statistiker und Experten sagen uns: Euch laufen die guten Leute weg, wenn ihr keine Perspektive bietet.
Ich will das am Beispiel meiner Heimatstadt schildern. Die Stadt Essen hat 2 Milliarden Euro an Kassenkrediten. Wollte man sie in 30 Jahren auflösen – was eigentlich weit hinter dem liegt, was die Gemeindeordnung fordert –, müssten wir 70 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich konsolidieren. Zum Vergleich: Der Sportetat der Stadt Essen – mit dem wir durchaus im Mittel der Großstädte und auch aller anderen Städte pro Kopf liegen – beträgt rund 20 Millionen Euro.
(Henning Höne [FDP]: Mit oder ohne Stadion?)
–  Qualifizierter Zwischenruf. – Wir bräuchten also dreieinhalbmal den Sportetat für alle Sport- hallen, für alle Sportplätze, für alle Förderprogramme.
Um auf den qualifizierten Zwischenruf von Herrn Höne zurückzukommen: Über das Fußballstadion in Essen kann man ja diskutieren. Das alte war abgängig. Es gab zwei Optionen: Abriss und kein Stadion oder Neubau. Eine Sanierung aber war völlig ausgeschlossen und hätte im Übrigen das Gleiche gekostet.
Halten Sie sich doch zurück, und kümmern Sie sich darum, diese Region wieder in Ordnung zu bringen. Das wäre die Aufgabe dieser Landesregierung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Weil wir schon dabei sind, die Schulddebatte zu führen: Das können wir gerne machen. Es wird dazu führen, dass man feststellt, dass es einzelne Fehlentscheidungen gibt. Wir Grünen sind in Essen in der Opposition. Da könnte ich Ihnen viele Beispiele nennen. Aber jeder hier im Raum, der sich mit der Materie auseinandersetzt, weiß: Die Kosten für die sozialen Aufwendungen führen dazu, dass die Kassenkredite ansteigen. Das ist wissenschaftlich unumstritten.
Deswegen setzen sich CDU, SPD und Grüne doch dafür ein, dass der Bund seine Verantwortung trägt. Dabei will ich sehr klar betonen: Es kann nicht sein, dass der Bundesfinanzmnister die 23 Milliarden Euro, die uns betreffen, als Bundesschuld übernimmt und dann sagt: Wir haben damit nichts mehr zu tun; mit den Soziallasten setzen wir uns nicht mehr auseinander.
Wir müssen drei Dinge tun:
Wir brauchen einen Neustart bei den Altschulden. Wir müssen ein Konzept entwickeln, damit diese Schulden nicht wieder aufwachsen. Wir werden Ihnen sehr bald Vorschläge dazu vorlegen. Auch das wird Geld kosten. Die Landesregierung wird ein Monitoring durchführen müssen, damit es nicht wieder zu dieser Schieflage kommt. Man muss ein System entwickeln, das dazu führt, dass Kassenkredite gar nicht erst entstehen.
Die betroffenen Kommunen müssen auch unter harte Haushaltsaufsicht gestellt werden. Außerdem brauchen wir Investitionen in die Zukunft.
Denn alles, was wir hier im Landtag diskutieren – Verkehrswende, Klimaschutz, Innovationen vor Ort und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit –, geht doch nur in einem positiven Investitionsklima und nicht unter dem Damoklesschwert, dass eine Stadt wie Essen mit 70 Millionen Euro, eine Stadt wie Dortmund mit 60 Millionen Euro und auch Oberhausen verschuldet sind. Wir brauchen ein positives Signal für dieses Land.
Genau deswegen ist die Ausgangslage aber schlecht. Ich glaube nicht, dass es mit einer CDU, in der jetzt Friedrich Merz an die Spitze kommt und Herr Brinkhaus erklärt hat, aus Berlin gebe es kein Geld, und mit einer FDP, die seit Thüringen andere Probleme hat, positiver geworden ist.
(Henning Höne [FDP]: Kommen Sie endlich zu unserer Rettung!)
Deswegen wäre es an der Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin, dass Sie jetzt ein Konzept vorlegen und zumindest erklären, dass der Landesfinanzminister bereit ist, die 440 Millionen Euro, die im Stärkungspakt zur Verfügung stehen, nicht zur Haushaltskonsolidierung einzusetzen, sondern für die Entschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Henning Höne [FDP])

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