Mehrdad Mostofizadeh: „Wir brauchen eine Lösung für die kommunale Zukunft – die sieht etwas anders aus, als sie hier vorgelegt worden ist“

Entwurf der Landesregierung zum zweiten Nachtragshaushaltgesetz 2020 - erste Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hat bei der Beratung des ersten Nachtragshaushalts geschlossen nicht nur Zustimmung signalisiert, sondern diesem Nachtragshaushalt auch zugestimmt – in der Erwartung, dass den Menschen in diesem Land mit Steuermitteln ganz konkret geholfen wird.
Es ist ein 25-Milliarden-Euro-Paket aufgelegt worden. Jetzt werden im Haushaltsausschuss auch immer wieder Freigaben gemacht – wobei ich immer dann, wenn ich von den Kollegen gefragt werde, ob wir zustimmen sollen, sagen muss: Herr Finanzminister, ein bisschen mehr Informationen dazu, worum es da im Einzelnen geht, würde zumindest ich mir wünschen. – Denn darin steht nur insgesamt „soundso viele Millionen gehen für Schutzkleidung raus“ oder „das geht an die Kitas“, und man weiß nicht, nach welchen Schlüsseln das passiert. Da könnte man eventuell noch einmal nacharbeiten.
Ich stelle aber das Konstruktive vorweg. Sie packen die richtigen Themen an; das ist überhaupt keine Frage. Auch ich finde, dass die Themen „Infrastruktur“, „soziale Betriebe“ und
„Kommunen“ jetzt anstehen.
In Bezug auf die wirtschaftlichen Schutzschirme, die wir jetzt mehrfach – auch mit Blick auf die anderen Bundesländer – diskutiert haben, erreichen mich quasi täglich – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – Dutzende von Zuschriften, in denen gefragt wird, was denn eine Haftungsfreistellung von 90 % nutzt, wenn die Hausbank ohnehin wieder eine 100-%-Prüfung durchführt, weil die Basel-Kriterien so sind, wie sie sind. Daher kann ich nur sagen: Dann brauchen wir eine 100%ige Freistellung; denn sonst können wir uns die 90 % auch sparen, weil 0 % beim Beschäftigten ankommen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die entscheidende Bemerkung findet sich unter „D – Kosten“: „Das Haushaltsvolumen bleibt durch den Entwurf des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes unverändert.“
Sosehr ich immer leide, wenn Herr Witzel hier redet und seine ordoliberalen Thesen auf den Tisch legt, bin ich an einem Punkt durchaus bei ihm, nämlich bei der Frage, dass die
Wirtschaft wieder florieren muss, damit die Kosten möglichst niedrig sind. Da sind wir uns, glaube ich, alle relativ einig.
Nicht mehr einig sein werden wir uns bei der Frage, wie die Exitstrategie auszugestalten ist. Da bin ich ganz anderer Auffassung als Herr Witzel. Das will ich allerdings gar nicht vertiefen.
Aber es geht schon um die Frage: Wird substanziell geholfen oder nicht? Deshalb schlagen wir – das werden wir in den Haushaltsberatungen auch vertiefen müssen – ganz klar vor, an verschiedenen Stellen eine 100-%-Freistellung vorzunehmen. Wir werden auch 100-%-Zuschussprogramme fahren müssen, nämlich für Leute, die sonst komplett durch den Rost fallen. Das wäre auch ein Auftrag, den wir uns jetzt vornehmen sollten; denn es geht darum, nicht nur einen globalen Rettungsschirm bereitzustellen, sondern sehr detailliert im Einzelnen zu diskutieren, wofür es sich lohnt und wofür es sich im Zweifel auch nicht lohnt.
Ich bin auch ganz klar bei dem, was Sozialminister Laumann gesagt hat und für das Sie als Finanzminister natürlich auch stehen müssen: Am Ende muss man schauen, wer das bezahlt.
Damit komme ich zum entscheidenden Faktor. Wenn Sie Liquiditätsfreistellungen für die Kommunen vorschlagen, ist das als Erstmaßnahme für den ersten Nachtragshaushalt eine nachvollziehbare Grundaussage. Jetzt wissen wir aber, dass mindestens 5 bis 10 Milliarden Euro Steuerausfälle auf die Kommunen zukommen. Es sind nicht so sehr die Mehrkosten, die schon schlimm genug sind. Ich will das nicht kleinreden. Wenn eine mittlere Großstadt zwei- stellige Millionenbeträge betreffen, ist das schlimm genug. Aber wenn dann noch einmal 200 bis 300 Millionen Euro an Steuerausfällen dazukommen, die strukturell in ihrem Haushalt haften bleiben, muss man sich doch fragen: Wie geht das denn weiter?
Wenn auch noch eine Altschuldenlast – das werden wir morgen ja diskutieren – von 23 Milliarden Euro vorhanden ist, die nicht gelöst ist, und dieses Jahr zumindest nach vorsichtigen Berechnungen 8 Milliarden Euro an Ausfällen dazukommen, dann muss man auch sagen, wer das bezahlt.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Herr Kollege Witzel, wenn die Antwort des Landes ist: „Wir geben nichts“, dann ist das eine Aussage, die die Kommunen, und zwar auch die großen und leistungsfähigen, auf Jahre in die Knie zwingen wird. Das können wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht leisten. Wir brauchen wirklich frisches, echtes Geld für die Kommunen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber wir sind bei der ersten Lesung dieses Nachtragshaushalts. Deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz klar die Hand reichen. Denn es ist eine Sondersituation. Wir müssen diese Pandemie in den Griff bekommen. Keiner hat sich ausgesucht, das zu machen. Es wäre ver- messen und unverschämt, das der Regierung vorwerfen zu wollen. Das tun wir ausdrücklich nicht.
Aber wir sollten die Frage beantworten, wer für die Lasten der Kommunen am Ende des Tages einsteht, und zwar jetzt im Rahmen der Beratung des zweiten Nachtrags – nicht irgend- wann, sondern jetzt. Deshalb werden wir in den Beratungen – das kündige ich schon an – sehr klar adressieren, dass wir echtes Geld für die Kommunen wollen, echtes Geld für die Zuschüsse. Denn Liquiditätszuschüsse entlasten die Kommunen nur ganz wenig. Das ist nicht deren Hauptproblem. Wir brauchen eine Lösung für die kommunale Zukunft. Diese sieht etwas anders aus, als sie hier vorgelegt worden ist. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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