Mehrdad Mostofizadeh: „Wenn Sie es mit der Integration ernst meinen, müssen wir das Thema neu anpacken“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum Teilhabe- und Integrationsgesetz

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stefan Lenzen, du drehst bei dieser Geschichte eine richtig schöne Pirouette bzw. springst einen Salto. Nehmen wir einmal den Ausgangspunkt: 434 Millionen Euro hat die CDU-Fraktion 2016 per Antrag in diesem Landtag gefordert. Sie hat im Landtagswahlprogramm gefordert: Kein einziger Cent der Integrationspauschale darf beim Land verbleiben. Jeder Euro aus dem Landeshaushalt muss an die Kommunen weitergegeben werden.
Jetzt könnte man sagen: Die Zeiten ändern sich. – Und die Zeiten haben sich verändert. Sie haben sich sogar massiv verändert, was die Frage der Geflüchteten anbetrifft. Dieses Land hat nämlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Einzelplan 07 mehr als 1,5 Milliarden Euro weniger Kosten für Geflüchtete zu verausgaben als 2016. Das ist die Wahrheit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Sie drücken sich davor, die Verantwortung zu übernehmen, wie Sie es damals versprochen haben.
Jetzt könnte man auch sagen: 1,5 Milliarden Euro hat das Land nun weniger auszugeben. – Aber vielleicht geht es den Kommunen auch besser, die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Ja, die Rahmenbedingungen haben sich verändert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber wie? Die kommunalen Spitzenverbände haben in der Anhörung zum GFG letzte Woche vorgetragen, dass sie mittlerweile 1 Milliarde Euro zusätzlich für den Personenkreis der Geduldeten ausgeben müssen. Das wäre ein weiterer Ansatzpunkt, Herr Kollege Lenzen und auch Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, zu sagen: Okay, die Rahmenbedingungen haben sich so sehr geändert, dass wir das jetzt anpassen müssen. Wir müssen auch anders damit umgehen.
Ich habe heute im Berichterstattergespräch auch noch einmal nachgefragt. Dort wurde gesagt, dass eine Ergänzungsvorlage geplant ist, weil, Herr Kollege Lenzen, nämlich auch für 2019 bei der Integrationspauschale 0 Euro im Haushalt stehen. Die Ankündigung aus dem Ministerium ist, dass man sich dafür einsetzen wird – ich will das jetzt vernünftig ausdrücken, da es noch keine Kabinettsvorlage gibt –, 100 Millionen Euro für 2019 bereitzustellen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Angesichts dessen, was Sie im Wahlkampf veranstaltet haben, insbesondere die CDU – es gibt zahlreiche Pressemitteilungen aus Städten, wo gesagt wurde, dass, wenn die CDU an der Macht ist, 434 Millionen Euro von 434 Millionen Euro an die Städte und Gemeinden weitergegeben werden –, ist das hier eine Bankrotterklärung, eine Peinlichkeit. Es ist lächerlich, was Sie als Gesetzentwurf vorlegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich komme zu einem zweiten Aspekt, der auch im Flüchtlingsaufnahmegesetz eine Rolle spielen wird – auch darüber werden wir sprechen müssen, möglicherweise noch in den nächsten Wochen –, nämlich die Frage der Kosten, was den Einzelfall im Flüchtlingsaufnahmegesetz betrifft.
Ich kann Ihnen unser Abstimmungsverhalten im Ausschuss sehr klar erklären. Natürlich sind 100 Millionen Euro besser als 0 Euro. Natürlich stimmen wir dann nicht dagegen, wenn es eine Verbesserung gibt. Das wäre ja auch albern.
Aber dass wir das richtig finden – deswegen können wir dem auch nicht zustimmen –, können wir alles andere als konstatieren.
Der Grund – das will ich wiederholen, ich habe es vorher in meinen Reden auch immer gesagt ist folgender: Ich empfinde es schon als Betrug am Wähler, wenn man vor der Wahl sagt:
„Wir leiten jeden Cent weiter“ und bei 1,6 Milliarden Euro Mehrausgaben nach der Wahl das Gegenteil tut. Das ist nicht in Ordnung. Das kritisieren wir an diesem Gesetzentwurf sehr klar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Meine Bitte ist, weil wir das nicht mehr werden ändern können – die Schlachten sind für den heutigen Tag geschlagen –: Wenn Sie es mit der Integration ernst meinen und wenn Sie das Verhältnis zwischen Kommune und Land ernst nehmen, dann müssen wir das Thema – davon gehe ich aus – neu anpacken, und zwar umfassend; Sie haben es eben angesprochen.
Bei einem Thema ist das schon angelegt. Bei den Kosten für den einzelnen Fall wird es nach den Gesprächen mit Sicherheit einen Vorschlag der Regierung geben. Aber auch was den gesamten Umgang mit der Integration angeht, wird es nicht nur fachlich, sondern auch finanzpolitisch eine Neuaufstellung geben müssen.
Das, was wir aus Berlin hören, ist alles andere als erfreulich. Nach der ersten Vermutung, dass es mehr Geld geben muss, hat der Finanzminister sofort Alarm geschlagen: Nein, es stimmt gar nicht, was in der „Süddeutschen Zeitung“ steht. Das haben wir in der Großen Koalition nicht vereinbart.
Ich kann es nicht beurteilen, ich kann nur Zeitung lesen. Ich muss davon ausgehen, da bis heute nichts Regierungsamtliches vorliegt, dass der schlechte Fall bis jetzt Stand der Dinge ist.
Ich kann nur sagen: Es ist gut, dass 100 Millionen Euro statt wie vorgesehen 0 Euro rüberkommen. Aber eines ist auch klar: Sie geben nicht 100 Millionen Euro mehr für die Integration in den Städten aus, sondern mindestens 1,5 Milliarden Euro weniger. Das ist das Fazit, das ich nach zwei Jahren Regierungsarbeit ziehen muss. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) 

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