Mehrdad Mostofizadeh: „Was ist am Ende nicht nur fachlich, sondern auch sozial gerecht?“

Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zu Straßenausbaubeiträgen

Mehrdad Mostofizadeh

 Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Staat von seinen Bürgerinnen und Bürgern Gebühren erhebt, dann muss dies sachlich gerechtfertigt sein. Es muss ein echter Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger entstehen, und es muss nach nachvollziehbaren und transparenten Kriterien gerechtfertigt sein. Das ist unser Auftrag, den wir sehr ernst nehmen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen nehmen wir auch sehr ernst, was jetzt passiert, nämlich die Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, die sagen, die Ausbaubeiträge seien im Einzelfall zu hoch, sie seien falsch abgerechnet oder das Verfahren sei nicht klar, weil zu intransparent. Damit sollten wir umgehen, und das sollten wir sehr ernst nehmen.
(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
In dem Zusammenhang möchte ich einen Passus schildern, was im ländlichen Raum, aber auch in abgelegeneren Teilen von Großstädten passiert und auch nachvollziehbar ist. Da ist eine Anliegerstraße und dahinter entsteht ein Neubaugebiet. Die Anliegerstraße wird verbreitert und schöner gemacht, damit die Leute dort besser durchfahren können. Dann kommt die örtliche Gemeinde auf die Idee, Straßenausbaubeiträge zu verlangen und durchzusetzen, die sie vermutlich sogar rechtskonform durchsetzen kann.
Natürlich müssen wir uns um diesen Fall kümmern und sagen: Nein, das haben wir so nicht gewollt. Wir wollen, dass diejenigen Anliegerinnen und Anlieger, die in einer neuen Straße wohnen, mit einem höheren Beitrag belegt werden als diejenigen, die sogar noch zusätzlich belastet werden. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte uns einen.
Wir sollten uns auch einig darin sein, dass es nicht richtig ist, wenn Städte und Gemeinden Straßen über Jahre hinweg nicht ausbauen und verfallen lassen und die nicht erbrachten Sanierungskosten dann zu größeren Teilen wieder auf die Anliegerinnen und Anlieger abwälzen.
(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Bodo Löttgen [CDU]: So ist das!) Da gehen wir ganz konform. Das müssen wir sehr ernst nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich bin der Meinung, dass es verschiedene Aspekte gibt, die man im weiteren Verfahren diskutieren kann. Beispielsweise könnte man nominelle Höchstgrenzen für Ausbaubeiträge festlegen. Es wäre auch denkbar – davon halte ich allerdings nur wenig; das ich ganz offen sagen–, den Gemeinden in unterschiedlicher Weise den Verzicht auf Ausbaubeiträge zu gestatten. Dann ergäben sich bei den Stärkungspaktgemeinden allerdings schnell Probleme,
(Stefan Kämmerling [SPD]: Da wird man sich in Essen aber freuen!)
was ich – Stand heute, Herr Kämmerling – für falsch hielte.
Zwingend, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist jedoch mehr Transparenz. Das Einfachste, was eine Kommune tun könnte, wäre, Transparenz darüber herzustellen, wo Ausbaubeiträge anfallen könnten und wo sie bereits abgerechnet sind. Man könnte ein Informationsportal beispielsweise auf der Homepage der Stadtverwaltung einrichten, damit jeder weiß, womit er es zu tun hat. Das ist ein ganz konkreter Vorschlag, den wir hier heute auch einbringen wollen.
Zur Entlastung der Kommunen in Höhe von 120 Millionen Euro! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich war schon einigermaßen erstaunt über Ihren Gesetzentwurf. Die große Sozialpartei SPD kümmert sich nicht um den Mieterbund, sondern steht jetzt an der Seite von Haus & Grund sowie des Bundes der Steuerzahler.
(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])
Fünf Millionen Euro würden ausreichen, um die Beitragsfreiheit bei den Gesundheitsberufen herzustellen. 30 Millionen Euro würden ausreichen, um die Altenpflegeschüler den Krankenpflegeschülern gleichzustellen, und ihr haut 120 Millionen Euro dafür raus, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Das halte ich für eine völlig falsche Prioritätensetzung. Deshalb sollten wir uns an der Stelle wieder der Sache zuwenden.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die Sie jetzt klatschen – vielen Dank auch dafür –: All die Fragen, die Herr Höne, wie ich finde, sehr zutreffend formuliert hat, stellen sich natürlich auch an den jetzt nicht im Raum befindlichen Landesverkehrsminister. Wenn dieser Landesverkehrsminister, der nicht irgendein Ortsvereinsvorsitzender der CDU ist, auf der Tagung der Mittelstandsvereinigung erklärt „Wir müssen die Straßenbaubeiträge abschaffen, weil das ein Investitionshemmnis für die Kommunen ist“, dann kann ich nur sagen: Das ist Populismus. Ich erwarte noch heute ein durchgerechnetes und nachvollziehbares Konzept, sonst sind Sie – ganz genauso wie die SPD mit diesem Gesetzentwurf – blamiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
An dieser Stelle will ich Ihnen ganz offen sagen: Wenn wir heute über den Gesetzentwurf der SPD abschließend abstimmen müssten, hätte ich ernsthafte Probleme, zu erklären, warum wir in die eine oder in die andere Richtung gehen wollen. Wir wollen die Zeit nutzen, um die Punkte, die ich eben geschildert habe – das haben auch Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen getan –, sehr ernsthaft zu prüfen. Es kann am Ende auch sein, dass es so kompliziert ist, da Gerechtigkeit herzustellen, dass auch wir zu der Auffassung kommen: Dann lieber etwas anderes, dann lieber ein anderes Finanzierungsinstrument.
Aber nach all dem, was ich in Vorbereitung auf die heutige Sitzung in Bezug auf die Rechtsprechung, die uns zur Verfügung steht, angelesen habe, wäre mein Vorschlag, sich mit der Materie sehr intensiv auseinanderzusetzen. Auch würde ich vorschlagen, dazu eine rechtliche Expertise einzuholen und dann sehr genau zu prüfen: Was nutzt dem Land? Was nutzt den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern? Und was ist am Ende nicht nur fachlich, sondern auch sozial gerecht?
Das, was hier abläuft, ist ein Populismuswettstreit, den wir schon in der Großen Koalition in Berlin erleben können. Die SPD will den Ausstieg aus der Großen Koalition jetzt nach Nordrhein-Westfalen holen. Das ist ihr Problem. Wir wollen aber nicht das Gewurstel aus Berlin auch noch hier in Nordrhein-Westfalen simulieren. Davor kann ich nur warnen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Wortbeitrag zu diesem Thema von.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Disput zwischen Herrn Kämmerling und Herrn Löttgen vorhin konnten wir ungefähr erahnen, wie es in Berlin gerade abgeht.
(Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Ablenkungsmanöver! Nadja Lüders [SPD]: Ich dachte, das hier wäre Düsseldorf!)
Das, was hier vorgetragen worden ist, macht deutlich, dass es euch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht um die Sache geht. Wie Herr Kämmerling hier aufgetreten ist – das war eine reine Parteitagsrede,
(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])
die dazu dienen sollte, Leute abzuqualifizieren. Es ging nicht mehr darum, für das Thema werben. Das finde ich ausgesprochen schade, weil dieses Thema es verdient hätte, sachlich diskutiert zu werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Nadja Lüders [SPD]: Ein Widerspruch in einen Satz!)
Weil es mir wichtig ist und zum Diskurs dazugehört, sage ich es hier noch einmal: Der Kollege Becker, der in der Reihe hinter mir sitzt, hat noch im Januar 2017 in einem Ausschuss, der sich mit KAG-Beiträgen befasst, erklärt, dass am Ende die Summe, die zum Ausbau aufgewendet werden muss, auch von irgendjemandem aufgebracht werden muss. Da hat er ausgesprochen recht.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Kommune erhebt die Beiträge nicht mehr, dann muss sie sie im eigenen Haushalt kompensieren.
(Christian Dahm [SPD]: Da hat er recht!)
Dann steht Straßensanierung gegen Schulsanierung, gegen Kita-Sanierung und gegen den Ausbau von Sportplätzen. Das ist ganz klar.
(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])
Oder, die andere Variante wäre, Frau Ministerin, es im Landeshaushalt zu kompensieren.
Deswegen ist es ein starkes Stück – das will ich an der Stelle schon sagen –, dass ein Landesverkehrsminister im August dieses Jahres auf einer öffentlichen Versammlung sagt, diese Ausbaubeiträge wären ein Investitionshemmnis, während er gleichzeitig kein Konzept vorzuweisen hat, wie es gemacht werden bzw. wie es ausgebaut werden soll. Alle Fragen, die Herr Höne gestellt hat, müsste sich auch Herr Wüst gefallen lassen – das ist überhaupt keine Frage.
(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Herr Kollege Löttgen, bei aller Kollegialität in der heutigen Sitzung erwarte ich von Ihnen eine klare Distanzierung bzw. eine klare Ansage an den Verkehrsminister, dass man so nicht mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger umgeht.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Die müssen ja den Eindruck gewinnen, dass Sie ein Konzept zu genau dieser Kompensation hätten. Ich kann Ihnen nur sagen: So schürt man Politikverdrossenheit,
(Jochen Ott [SPD]: Bewusste Täuschung!)
nämlich so, wie ihr und die Sozialdemokraten es machen und wie der Landesverkehrsminister im Hinblick auf diese Frage aufgetreten ist. Davon distanzieren wir uns ganz eindeutig. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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