Mehrdad Mostofizadeh: „Was ich nicht verstehe, ist, dass Sie einen vielversprechenden Ansatz wie ‚Housing first‘ auslaufen lassen, obwohl nicht einmal eine Evaluation vorliegt“

Zum Haushaltsplan 2022 - Arbeit und Soziales

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich eine große Freude, um 19:45 Uhr zum Einzelplan 11 sprechen zu können. Ich hätte jetzt erwartet, dass der stellvertretende Ministerpräsident auch da ist, aber vielleicht kommt der ja zum Teilbereich b), weil er ja im Moment gerade die Coronapolitik so maßgeblich mit betreut und auch wichtige Hinweise dazu gibt. Aber dazu kommen wir dann ja im zweiten Teil des Tagesordnungspunktes.

(Zurufe von der FDP)

– Das sind schon ganz weitreichende Bemerkungen, die der Herr Stamp gemacht hat. Darauf kommen wir nachher tatsächlich noch einmal zurück, und das werde ich Ihnen auch nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, weil es nämlich einige Ungeheuerlichkeiten waren, die der stellvertretende Ministerpräsident von sich gegeben hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Kommen wir erst mal zum Bereich „Arbeit und Soziales“, Herr Minister. Wir haben in den Beratungen im Ausschuss einige Vorschläge gemacht, um einige Unterschiede, die es zwischen uns Grünen und ihnen gibt, aufzuzeigen. Die möchte ich herausarbeiten.

Beim Thema „Wohnen“ haben Sie einer Landesbauordnung mit zugestimmt, die nicht für mehr barrierefreie Wohnungen und Wohnmöglichkeiten sorgt, obwohl Ihr eigener Armuts- und Reichtumsbericht ausweist, dass gerade qualitätsvolle und bezahlbare barrierefreie Wohnungen in den Städten und Dörfern unseres Landes fehlen.

Sie haben auch nicht mitgewirkt, obwohl gleichzeitig bekannt ist, dass im Bereich der Inklusion erheblicher Nachholbedarf besteht. Auch im Teilhabebericht, den das MAGS vorgelegt hat, wird sehr deutlich ausgeführt, dass wir erheblichen Nachholbedarf haben.

Das zeigt sich auch im Bereich „Arbeit“, liebe Kolleginnen und Kollegen. Obwohl viele Behinderte oder Menschen mit körperlichen oder seelischen Einschränkungen oft hochqualifiziert sind, hat die Arbeitslosigkeit unter Corona dort wieder deutlich zugenommen.

Das Gleiche gilt für die Langzeitarbeitslosigkeit. Obwohl ein durchaus beachtliches Bundesprogramm zur Verfügung steht, sind dort die Arbeitslosenzahlen angestiegen.

Gleichzeitig, obwohl wir diese Herausforderungen im demografischen Bereich haben – das haben zwei Vorredner eben auch schon angesprochen –, werden die Mittel, anders als Herr Kollege Schmitz es dargestellt hat, im Bereich „Pflege und Alter“ gekürzt.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Nein!)

Der Landesplan hat statt 16 Millionen Euro nur noch 11 Millionen Euro. Deswegen war es folgerichtig, dass wir diesen Tatbestand wieder ändern wollen, um erheblich mehr Mittel für diesen Bereich zu haben, weil wir der Auffassung sind, dass wir nicht nur ein Problem mit den Pflegekräften haben, die wir auf den Stationen im ambulanten Bereich brauchen, sondern weil auch Quartiersstrukturen und gute Nachbarschaften ausgebaut gehören und nicht gekürzt und gestrichen, wie das in Ihrem Landeshaushalt im Einzelplan 11 der Fall ist.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ein zweiter Punkt im Bereich „Wohnen“ betrifft die prekären Wohnungen. CDU und FDP haben jetzt zu den „Kümmerer-Projekten“ einen Antrag gestellt. Was ich nicht verstehe, ist, dass Sie einen durchaus wegweisenden und vielversprechenden Ansatz wie „Housing first“ locker und flockig auslaufen lassen, obwohl nicht einmal eine Evaluation vorliegt.

Das kann ich überhaupt nicht verstehen, weil Akuthilfe für Menschen, die wirklich auf der Straße leben, erforderlich ist und wir nicht erst lange Integrationsprogramme zulassen sollten. Vielmehr müssen wir die Menschen ins Wohnen bringen, damit sie ein Dach über den Kopf haben, um danach weitere soziale Probleme lösen zu können.

Deswegen haben wir folgerichtig eine Aufstockung um 4 Millionen Euro in diesem Bereich vorgeschlagen. Das haben CDU und FDP leider abgelehnt. Trotzdem, Herr Minister, wäre es doch vernünftig, wenn Sie konzeptionell das nicht so auslaufen lassen. Vielmehr sollten wir die anderen Punkte, die durchaus nicht schlecht sind – „Kümmerer-Projekt“, psychosoziale Betreuung, die Frage von Frauen in Unterkünften –, damit verknüpfen und gemeinsam ausbauen. Denn fachlich ist es doch unbestreitbar so, dass diese Gruppen besonders betroffen sind.

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Ausflug in den Gesundheitsbereich vornehmen; zum Impfen komme ich gleich noch. Aber dass wir beim Impfen von obdachlosen Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, quasi noch am Anfang stehen, ist eine der großen Bankrotterklärungen, die ich hier im Haushaltsplan an dieser Stelle sehr deutlich feststellen muss.

Wir müssen alles dafür tun, nicht nur, aber auch die älteren Menschen zu impfen oder zu boostern. Das gilt auch für die Menschen in Einrichtungen – da gibt es schon bei den Erstimmunisierungen eine relativ überschaubare Quote. Jetzt ist es so, dass wir kaum Menschen erreichen und ich nicht erkennen kann, dass Sie, Herr Minister, dort einen Schwerpunkt gesetzt haben.

Es wird Sie wenig verwundern: Wir werden diesen Teilbereich auch ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)