Mehrdad Mostofizadeh: „Um diese Gleichstellung sicherzustellen, bedarf es in vielen Fällen einer Assistenz“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Assistenz im Krankenhaus

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Minister, der Vorgang, der jetzt beraten wird, geht auf einen Sachverhalt zurück, den wir im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales schon zu erörtern versucht haben und bei dem ich etwas erstaunt war, dass Sie als ehemaliger Pflegebeauftragter der Bundesregierung doch eine relativ nichtssagende und wenig erhellende Antwort abgegeben haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen einmal ganz kurz schildern, worum es uns in diesem Antrag geht: Wir haben eine große Zahl von Menschen mit Behinderungen, zum Teil auch schweren geistigen Behinderungen, die ganz normal, wie jeder andere auch, im Krankenhaus behandelt werden müssen und dort natürlich – nicht nur nach UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch nach unserer Verfassung – das Recht haben müssen, genauso behandelt zu werden wie alle anderen.
Aber um diese Gleichstellung sicherzustellen, bedarf es in vielen Fällen einer Assistenz. Was heißt Assistenz?
Es gibt Menschen, die selbst zusätzliche Assistenz organisieren, bei der sie Dienstleistungen von anderen wahrnehmen können, und es gibt auch eine ganze Menge Menschen, die entweder in der häuslichen Umgebung leben und keine zusätzlichen Dienstleistungen bekommen oder diese über ambulante Pflegedienste organisieren lassen.
All diese Menschen – 94 % der Betroffenen – haben nach dem Willen der Bundesregierung kein Anrecht, zusätzliche Assistenzleistungen im Krankenhaus zu bekommen. Das halten wir Grünen für einen Skandal.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dass das keine Banalität ist, will ich an zwei Beispielen deutlich machen.
Wenn jemand mit einer schweren psychischen Erkrankung – das heißt nicht gleich, dass es eine schwere kognitive Einschränkung sein muss, sondern es können möglicherweise Angstzustände oder andere Vorkommnisse sein – ins Krankenhaus kommt, bekommt er möglicherweise eine Diagnose und einen Therapievorschlag von dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin oder auch von den Krankenschwestern. Da geht es manchmal um sehr existenzielle Dinge. Dann ist es erforderlich, dass Dritte da sind und diesen Menschen Assistenz leisten. Schon da wird deutlich, dass Hilfe erforderlich ist, damit die Menschen überhaupt entscheiden können, ob sie in diese Therapie einwilligen wollen, und in der Lage sind, die Therapievorschläge zu erkennen und umzusetzen.
Es gibt auch noch einen anderen Tatbestand, Herr Minister, der uns sehr umtreibt. Da geht es nämlich darum, dass Menschen mit schweren Behinderungen auch im Krankenhaus das Recht haben, das Bett zu verlassen sowie selbständig zu entscheiden, welcher Freizeitbeschäftigung sie nachgehen wollen, wer sie besuchen darf und andere Dinge. Das setzt bei diesem Personenkreis – und ich kann Ihnen sagen: das sind nicht wenige Menschen – aber oftmals voraus, dass Assistenz und Hilfe geleistet werden, weil sie entweder körperlich oder geistig nicht in der Lage sind, dies zu tun.
Deswegen, Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, bitten wir Sie – wir werden hierüber ja auch im Ausschuss beraten – darum, sich dieser Sache ernsthaft fachlich anzunehmen und zu überlegen, wie wir dazu kommen können, den Sachstand zu erheben und dem fachkundig nachzugehen. Denn offensichtlich herrscht in Nordrhein-Westfalen da Unkenntnis. Ich kann nur sagen: Rufen Sie die Pflegedirektion der Krankenhäuser einmal an.
Definitiv nicht akzeptieren können wir, die Grünen, die Haltung der Bundesregierung. Auf Bundesebene liegt eine Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen vor, die Frau Griese für die Bundesregierung verfasst hat. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass 94 % der Betroffenen dort weiterhin in die Röhre gucken sollen und nur die 6 %, die sich das Arbeitgebermodell zu Assistenzdienstleistungen leisten können, von zusätzlichen Assistenzleistungen profitieren sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir nicht länger akzeptieren. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen gleichbehandelt werden, auch und gerade im Krankenhaus in einer so sensiblen Situation. Deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen und sich der Sache intensiv anzunehmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Minister, ich muss Ihnen in zwei Punkten einfach widersprechen, weil mich das wirklich ärgert.
Erstens. Die Bundesregierung hat es in der Antwort selbst attestiert. Frau Griese führt aus, Erfahrungen in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass besonders bei Personen, die wegen ihrer Behinderung dauerhaft auf eine persönliche Assistenz angewiesen sind, Defizite in der pflegerischen Versorgung in Akutkrankenhäusern eingetreten sind. Das hat sie sogar selbst eingestanden. Das ist die Begründung dafür, dass das Arbeitgebermodell angewendet wird – nicht etwa Ihre Begründung, dass man weiterzahlen kann. Herr Minister, Sie sind da auf einem falschen Dampfer.
Der zweite Punkt, der mich an Ihrer Aussage wirklich stört, ist folgender: Sie haben suggeriert und ich will niemandem in unseren Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen zu nahe treten –, die Situation sei so, dass alle Menschen bestens pflegerisch versorgt werden, egal ob sie alt, gebrechlich, dement oder nicht dement sind. Das können wir im Ausschuss einmal diskutieren. Was ich ausdrücklich nicht will, ist eine Situation wie in Lambaréné; gar keine Frage, Herr Minister. Aber dann müssen wir die Strukturen dafür schaffen, dass es auch so ist, und dürfen nicht so tun, als ob es schon so sei, Herr Minister. Deswegen ist der Antrag auch erforderlich.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)