Mehrdad Mostofizadeh: „Trotz der besseren Konjunktur und trotz der Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt ist die Situation der Menschen mit Behinderung erschreckend stabil“

Antrag der SPD-Fraktion zum "Sozialen Arbeitsmarkt"

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man lernt immer noch dazu. Dass die FDP jetzt die Vorreiterpartei für eine aktive Arbeitsmarktpolitik ist, finde ich sehr erstaunlich. Das widerspricht ihrer bisherigen Handhabe. Aber es freut mich, Sie im Kreise dieser Politikerinnen und Politiker zu empfangen und willkommen zu heißen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Offensichtlich ist es ja gut, Herr Minister, dass es gewisse personelle Wechsel gibt und insofern eine neue Politik möglich ist. Dass Herr Lenzen so aktiv für den Passiv-Aktiv-Transfer streitet, wie er das gerade gemacht hat, ist in der Sache richtig und begründet, aber auch eine ganz neue Linie der FDP, die wir nur ausdrücklich begrüßen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte auf einige Punkte hinweisen, um das Thema nicht allzu breit anzulegen, weil der Antrag in der Tat für meine Begriffe an einigen Punkten zu früh kommt und an einem Punkt hoffentlich nicht zu spät.
Vielleicht erst mal zur Glaubwürdigkeit, was den Sozialen Arbeitsmarkt in Deutschland anbetrifft: Was die Analyse anbetrifft, haben die Kolleginnen und Kollegen einiges vorgetragen. Was mich schon alarmiert, ist der Vorgang im Bundestag. Meine Kollegin Frau Müller-Gemmeke hat mal nachgefragt: Wie sieht es in den Bundesministerien aus? Was haben die Bundesminister selbst dazu beigetragen, Menschen aus dem Sozialen Arbeitsmarkt bei sich Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten? – Stand 19.05.: null.
Das finde ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon einigermaßen befremdlich. Wenn alle das erfunden haben, sollte man schon gucken, ob es nicht möglich ist, in der eigenen Bürokratie, in den nachgeordneten Behörden, in den Beschäftigungsfeldern des Bundes Beschäftigungsplätze zu schaffen. Das würde die Glaubwürdigkeit dieses Projekts massiv stärken.
Ich hoffe, das werden wir im Ausschuss beraten. Das gilt an der Stelle nicht für die Landesregierung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Minister, ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema „Arbeitslosenzentren und Arbeitslosenberatungsstellen“. Dort haben wir eine Anfrage gestellt, wie Sie es damit halten; Kollege Neumann hat vorhin schon darauf hingewiesen. Ich will die Geschichte dazu nicht allzu breit wiederholen. Wir haben aber seit 1984 – das ist auch von der G.I.B. und von anderen Maßnahmen klar bestätigt worden – eine hohe Kompetenz, was die Beratungsleistung, die Zusammenarbeit mit den Arbeitsmarktbehörden und – das darf man nicht vergessen – die Vernetzungsarbeit anbetrifft. Denn die Menschen, über die wir sprechen, sind nicht nur lange arbeitslos, sondern sie haben Probleme – das wird immer so schön mit „Vermittlungshemmnissen“ umschrieben –, was die Aufenthaltsqualität, das soziale Zusammenleben, die Schuldnerberatung, die Möglichkeit, Wohnungen zu mieten, anbetrifft.
Warum Sie jetzt, Herr Minister, wieder mit dem Feuer spielen und diese Beratungsleistungen infrage stellen und allen Ernstes sagen: „Wir entscheiden erst im Laufe des Jahres 2019/2020 darüber, ob die weiter finanziert werden“, und gleichzeitig machen Sie einen breiten Fächer auf, dass sie sich umorientieren sollen, ohne ein Konzept vorzulegen, das entzieht sich absolut meinem Verständnis und dient nicht dem Vorgehen in dieser Arbeit an diesem Feld.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eines muss man doch sagen – da waren wir uns einig, als es hier diskutiert worden ist –: Im Kern ist der Soziale Arbeitsmarkt ein gutes Projekt mit einigen Abstrichen. Man kann über die sechs Jahre sprechen. Das ist zu lang. Da waren wir uns auch einig, was die Zugangsvoraussetzungen anbetrifft. Das degressiv auslaufen zu lassen, auch darüber könnte man im Rahmen einer Flexibilisierung sprechen. Aber man hat noch ein bisschen Zeit, vielleicht kommt das noch. Das will ich gar nicht in den Vordergrund stellen. Aber im Kern ist es gut, auf diesem Feld aktiv zu werden.
Ich widerspreche an der Stelle auch ausdrücklich dem Kollegen Lenzen. Ich finde es schon wichtig, das Projekt breit anzulegen und lange zu fördern. Denn was nutzt es, die Menschen nach fünf Jahren wieder in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, weil Sie die Beschäftigung für zu arbeitsmarktfern halten?
Nein, wir sollten jetzt eher überlegen: In welchen Feldern können Sie tätig sein? Zu tun – auch im öffentlichen Bereich – gibt es genug: Verkehrswende, Klimaschutz, Gestaltung des öffentlichen Umfeldes. Möglichkeiten Menschen, hier sinnvoll und mit einer klaren Handlungsperspektive einzusetzen, gibt es genug, Kolleginnen und Kollegen. Deswegen: Das Projekt nicht schlechtreden, sondern die Chancen, die in diesem Projekt stecken, nutzen.
Eine letzte Bemerkung möchte ich noch zu einem Bereich machen, in dem wir antragsmäßig noch einmal aktiv werden wollen. Das Thema „Menschen mit Behinderung und Handicaps“ ist mir ein hohes Anliegen; ich will das auch keinem anderen absprechen. Trotz der besseren Konjunktur und trotz der Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt ist die Situation der Menschen mit Behinderung erschreckend stabil. Ihr Zugang zum Arbeitsmarkt ist nach wie vor schlecht, obwohl sich viele durchaus hochqualifizierte Personen darunter befinden. Ich würde es gerne mit in die Ausschussberatungen nehmen wollen, dass wir ein besonderes Augenmerk darauf legen sollten, wie hier die Brücke für mehr sinnvolle Beschäftigung gebaut werden kann.
Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist dies ein sinnvoller Antrag. Ich würde bezüglich der Evaluation und der Überprüfung der Landesregierung etwas Zeit geben. Für schlicht falsch halte ich – hier sollte sich der Minister frühzeitig erklären – die Frage der Beratungszentren. Denn das sind Partner für diesen Prozess; sie unterstützen diesen Prozess und behindern ihn nicht. Da sollten Sie eine klare Ansage machen, dass wir die als Partner weiterhin hier im Land unterstützen werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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