Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass der Kollege von der FDP jetzt gesprochen hat. Dann wissen wir nämlich, worum es eigentlich geht: Sie wollen das alte, ekelhafte Geschäftsmodell der Ausbeutung hier weitertreiben. Das ist doch die Wahrheit, Herr Kollege von der FDP.
(Henning Höne [FDP]: Oh! – Stefan Lenzen [FDP]: Das habe ich mit keinem Wort erwähnt! Schauen Sie ins Protokoll! Völliger Quatsch!)
Die 50-Personen-Grenze ist doch genauso willkürlich und falsch wie, dass der Mittelstand dafür herhalten soll, dieses alte Geschäftsmodell fortzuführen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deswegen, Herr Minister, bin ich schon sehr gespannt, wie Sie gleich reagieren werden. Ich kann mich noch gut erinnern, dass Sie hier nicht als Kommunist, sondern als Arbeitsminister gesprochen haben und die FDP dann ziemlich sparsam in die Gegend geguckt hat, als Sie genau das angekündigt haben, was Kollege Neumann gesagt hat, nämlich, dort aufzuräumen.
Die Wahrheit ist: Die CDU hält es an. – Herr Kollege Schmitz, da können Sie herumeiern, wie Sie wollen.
Ehrlich gesagt, halte ich schon die 50-Personen-Grenze für falsch. Es muss doch darum gehen, dass wir in Deutschland Menschen finden, die in diesen Betrieben arbeiten wollen. Die Werkverträge sollen ja nur deswegen wieder angewendet werden, damit man aus dem Ausland unter schlechten Bedingungen wieder Personal in diese Betriebe holen kann, weil kein normaler Mensch hier in Deutschland diese Arbeit machen will. Das ist doch die Wahrheit, die hinter all diesen Floskeln aus Berlin steht.
Kommen wir zu dem zurück, was hier auf der Tagesordnung steht. Mich strengt es, ehrlich gesagt, auch an, dass die Koalitionsstreitigkeiten in Berlin hier im Landtag nachgezogen werden sollen. Aber – das muss man zugestehen – Rheda-Wiedenbrück liegt nun einmal in Nordrhein-Westfalen. Der größte Skandal in diesem Zusammenhang findet in Nordrhein-Westfalen statt.
Herr Minister, das, was sich bei Tönnies abgespielt hat, war in erster Linie eine Frage der Infektionstätigkeiten. Was im Arbeitsschutz und im Arbeitsrecht schiefliegt, ist kein Prädikat, das Nordrhein-Westfalen alleine hat. Ich will die anderen Bundesländer gar nicht beurteilen.
Aber dieses Geschäftsmodell der Werkverträge in der Fleischindustrie gehört einfach abgeschafft, und zwar aus einem ganz einfachen Grund:
(Beifall von den GRÜNEN, André Stinka [SPD] und Josef Neumann [SPD])
Die Kerntätigkeit, die in dem Betrieb stattfindet, ist eine Angestelltentätigkeit. Diese Leute werden angeleitet. Es ist doch irrwitzig, aus jetziger Sicht zu glauben, dass man dies mit Werkverträgen regeln kann. So etwas wäre mit normalen Tätigkeiten in anderen Betrieben überhaupt nicht vereinbar. Das sind abhängig Beschäftigte, die dort Lohnarbeit abliefern.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss dieses Kontrollgesetz endlich scharfgestellt werden. Es wird ohnehin noch lange Zeit dauern, bis dieses auf dem Papier stehende Gesetz auch wirklich in den Vollzug kommt, wenn man das glauben darf, was Minister Laumann und auch seine Vorgänger hier auf den Tisch gelegt haben, nämlich, dass sich viele Betriebe selbst dann nicht an die geltenden Gesetze halten werden.
Deswegen blicke ich gespannt auf das, was sich da in Berlin abspielt. Unsere arbeitsmarktpolitische Sprecherin hat heute auch deutliche Worte gefunden. Sie ordnet das genauso ein, wie es der Kollege Neumann angedeutet hat: Hier wird auf Zeit gespielt. Hier sollen führende Betriebe geschützt werden. Hier soll nicht der Mittelstand geschützt werden. Um den Mittelstand geht es überhaupt nicht. Es gibt in diesem Bereich doch kaum Mittelstand. Es sind die großen Nummern, die in großem Maßstab die Werkvertragsarbeit ausnutzen.
Alles, was Sie hier vortragen, ist doch ein Scheingefecht. Deswegen sollten Sie einfach Folgendes tun, Kollege Schmitz: Gehen Sie zu Ihrer Bundestagsfraktion und sagen denen: Wenn Sie den Arbeitsminister Laumann nicht weiter blamieren wollen, dann stimmen Sie, verdammt noch mal, in der nächsten Plenarwoche diesem Gesetz zu.
Der Bundesrat hat sich in eindeutiger Weise dazu verhalten. Insofern ist dann der Spuk zumindest auf administrativer Ebene zu Ende. Und dann gucken wir, dass wir nächstes Jahr wirklich Fortschritte machen und am Ende andere Bedingungen in der Fleischindustrie vorfinden werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, André Stinka [SPD] und Josef Neumann [SPD])
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ich glaube, ich habe noch einen Moment Redezeit. Deswegen will ich eines an dieser Stelle noch einmal anmerken, weil ich es auch im Ausschuss vorgetragen habe.
Beim Vorgang „Tönnies“ ist immer noch die Frage offen, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Sie haben angedeutet, dass kein Geld geflossen sein soll – Ausfallgeld bekommen haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in dieser Werkvertragssituation gearbeitet haben, hatten nämlich das Problem, dass aufgrund des Infektionsschutzes das Werk geschlossen werden musste. Insofern sind möglicherweise Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur infiziert worden, sondern auch ohne einen einzigen Cent in ihre Heimatländer zurückgekehrt und deswegen ohne Vergütung geblieben.
Daher wäre es vonseiten des Betriebs Tönnies und anderer Beteiligter ein Zeichen des Anstands, dass sie diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – nichts anderes sind sie faktisch auf dem Papier – in entsprechender Weise entschädigen.
Sie sollten als Landesregierung aufklären, ob der Vorhalt des DGB stimmt, dass Tönnies auf der einen Seite Gelder beantragt hat und auf der anderen Seite nichts bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angekommen ist.