Mehrdad Mostofizadeh: „Sie werden die Erwartungen nicht erfüllen“

Gesetzentwurf der Landesregierung "Landarztgesetz" - zweite Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Lockerheit die FDP-Fraktion wesentliche Grundlagen ihrer sonstigen Politik über Bord wirft: Marktwirtschaft spielt keine Rolle. Hochschulfreiheit spielt keine Rolle. Wir müssen uns jetzt um die Landärzte kümmern. Da ist jedes Mittel recht. Das sonstige Geschwätz von Hochschulfreiheit hat hier keinen Platz.
Es ficht Sie auch nicht an, dass Ihnen ärztliche Direktorinnen und Direktoren immer wieder vorwerfen, die Hochschulen dürften nicht zu einem reinen Arztausbildungsbetrieb verkümmern. Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir haben ein Problem im ländlichen Raum. Deswegen müssen wir in Bielefeld ein paar Ärztinnen und Ärzte mehr ausbilden. Und schwuppdiwupp ist das Problem nach zwölf Jahren gelöst.
Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schlicht Kokolores und widersprüchlich. (Susanne Schneider [FDP]: Sie haben nicht zugehört! – Zurufe von der CDU)
–  Ich habe prima zugehört, Frau Schneider. Das ist bei Ihnen auch gar nicht zu vermeiden. (Zurufe)
–  Das meine ich ganz respektvoll.
(Zuruf von der CDU: Ein Kompliment?)
–  Wenn Frau Schneider eines kann, dann ist es doch, hier nachvollziehbar und sehr deutlich zu reden. Warum will man mir meine Bemerkung jetzt im Munde umdrehen?
Herr Kollege Hagemeier, Sie haben tatsächlich einen Satz in der sachlichen Auseinanderset- zung darauf verwendet, auf unseren Entschließungsantrag einzugehen, und behauptet, sie- ben Jahre lang sei da ja nichts passiert. Das stimmt zwar nicht, hört sich aber immer gut an.
Sie müssten dann aber auch sagen, dass der jetzt amtierende Gesundheitsminister zwischen 2005 und 2010 ziemlich genau das Gleiche gemacht hat. Er hat nämlich ein Förderprogramm aufgelegt, das unsere Ministerin noch ausgeweitet und auch auf größere Städte erweitert hat, und bis 2010 keine andere Politik an den Tag gelegt.
Weil Sie gleich noch an der Reihe sind, möchte ich mich jetzt beeilen und drei wichtige Punkte nennen, die das ergänzen, was die Kollegin Lück aus meiner Sicht zutreffend vorgetragen hat.
Erstens. Wir hätten im jetzigen Hochschulsystem durchaus Möglichkeiten, einiges besser zu machen. Zum Beispiel könnten sich Professorinnen und Professoren mehr um die Lehre und weniger um die medizinische Versorgung kümmern.
Zweitens. Das gilt auch für den wissenschaftlichen Bereich.
Der dritte Punkt ist mir ganz wichtig. Er soll hier auch nicht verloren gehen. Der wichtigste Grund, sich im Leben für eine Region zu entscheiden, ist, wenn man sich bindet. Ich will jetzt keine Geschichten aus dem Nähkästchen ausplaudern. Wichtig ist aber doch, dass gerade die Studierenden in der Zeit des klinischen Semesters in Regionen unterrichtet werden können, die wir alle ländlich nennen, die also im kreisangehörigen Raum liegen.
Diese Möglichkeit bestünde. Sie wird aber viel zu wenig genutzt. Die Universitätsklinik Münster kooperiert im ärztlichen Bereich sehr wohl mit den Krankenhäusern im Umfeld, in der universitären Ausbildung aber nicht.
Das müssen wir ändern. Dann kommt es nämlich viel stärker dazu, dass die Studierenden die ländlichen Regionen bereits vor Ende des Studiums kennenlernen, sodass sie später auch bereit sind, sich dort niederzulassen und eine allgemeinärztliche Praxis zu eröffnen.
Eines ist aber weltfremd. Sie glauben doch nicht im Ernst, Herr Minister Laumann, dass man mit einer Prämie von 20.000 Euro Menschen über 30 Jahre an eine Region binden kann. Dazu bedarf es eines ganz anderen Paketes. Es müssen die Bedingungen für die Familie vor Ort, das Ausbildungssystem, die Versorgung und verschiedene andere Dinge passen, um die Schwelle zu überwinden, überhaupt dort hinzugehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde Ihnen erstens empfehlen, hier eine Nummer kleiner vorzugehen. Denn Sie werden die Erwartungen nicht erfüllen.
Sie werden zweitens möglicherweise in einigen Jahren eine ganze Reihe von Klagen von Menschen am Hals haben, die es eben doch nicht so wollen, wie Sie sich das vorstellen.
Drittens tun Sie so – das ärgert mich an Ihrem Beitrag ganz besonders, Herr Kollege Hagemeier –, als könne der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen hier als Einziger steuern. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben keine Verantwortung; der Gemeinsame Bundesausschuss hat keine Verantwortung; nur der General Laumann muss mit einem Gesetz ein bisschen schrauben, und dann funktioniert das schon.
Sie verkennen völlig die Verantwortung der jeweiligen Institutionen und suggerieren der Öffentlichkeit, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen mit diesem Gesetz, mit dem 187 Ausbildungsplätze geschaffen werden, die Situation substanziell verändern könne.
Letztlich entlassen Sie damit auch die Kassenärztlichen Vereinigungen aus ihrem Sicherstellungsauftrag. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich das kritisiere. Das sind nämlich keine einfachen Geschichten. Ich mache mir mit so etwas ja keine Freunde. Es kann aber doch nicht sein, dass die Sekretärin, die Krankenschwester oder jemand anders mit Steuergeld das subventionieren muss, was an anderer Stelle nicht funktionieren kann, weil der Sicherstellungsauftrag nicht zu gewährleisten ist.
Wir haben hier auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Deswegen werden wir dieses Landarztgesetz ablehnen. Wir haben nichts dagegen, zusätzliche Kapazitäten im medizinischen Bereich aufzubauen. Da hätten Sie uns an Ihrer Seite. Das ist gar keine Frage.
Man kann aber doch nicht so tun, als werde mit diesem Gesetzchen substanziell etwas geändert. Das sehen wir überhaupt nicht. – Herzlichen Dank.
 (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) 

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