Mehrdad Mostofizadeh: „Räte, Kreistage und sonstige kommunale Gremien müssen handlungsfähig sein“

Gesetz zur Stärkung der Kommunalvertretungen

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Dank von Herrn Kollegen Körfges anschließen und für die sehr seriöse und engagierte Arbeit in den Gremien danken. Wir haben mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, die ausgewertet wurden und eine breite Sachverständigenanhörung. Die Argumente sind in der Tat ausgetauscht worden.
Ich will nur noch auf einen Aspekt hinweisen: Es handelt sich um die Änderung der Verfassung und nicht des einfachgesetzlichen Rechts. Wir machen diese Verfassungsänderung, weil wir der Auffassung sind, dass die Räte, Kreistage und sonstigen kommunalen Gremien handlungsfähig sein müssen. Handlungsfähig heißt dabei nicht nur, eine Sitzung beendet zu bekommen, sondern die Politik in den Gemeinden zu gestalten und nach vorne zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Mostofizadeh, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche. Herr Kern würde auch Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Nein, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. Wir können das gerne über eine Kurzintervention regeln.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe deswegen gestern so viel Wert auf das Thema „Vielfalt“ gelegt, weil es keineswegs so ist, dass nur SPD, CDU und Grüne in den Stadträten vertreten sind. Wenn kommunale Initiativen eine Relevanz entwickeln, schaffen sie es sehr wohl in die Stadträte und in die Gemeinderäte, und sie schaffen es sehr wohl, das auch auf Dauer zu sein. Deswegen ist das kein Gegenargument. Es geht um die Relevanz und um die Tragfähigkeit des politischen Konzeptes, das dort vorliegt.
Ich möchte mir für meine Fraktion an dieser Stelle – weil das wahrscheinlich für die weiteren Beratungen wichtig sein wird – ausdrücklich die juristischen Einschätzungen, die Kollege Körfges vorgetragen hat, zu eigen machen. Außerdem möchte ich mich dem anschließen, was Herr Kollege Nettelstroth gesagt hat. Darüber hinaus verweise ich ausdrücklich auf die ausführlichen Ausführungen im Hauptausschuss.
Ich möchte noch auf einen Nebenaspekt hinweisen – die Verfassungsgerichte gehen darauf immer gerne ein –, und das ist die Frage: Wie viele Stimmen fallen durch die verschiedenen Sperrklauseln oder Wahlsystematiken weg? Ich kann nur sagen: Bei einem reinen Mehrheitswahlrecht, das ebenso zulässig wäre, würden bereits bis zu 49,9 % der Stimmen wegfallen. Bei einem relativen Mehrheitswahlrecht – wir konnten das in Mannheim bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg beobachten – haben wiederum 22,6 % ausgereicht, um ein Landtagsmandat für den Wahlkreis Mannheim zu erreichen. Darüber sprach hier niemand, dass das eine Bedrohung der kommunalen Parlamente sein könnte, wenn das eingeführt würde.
(Zuruf von den PIRATEN: Mein Gott, so dumm kann man doch nicht sein!)
Nach dem, was wir nachgerechnet und die Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler vorgetragen haben, führt die faktische Sperrklausel, wie wir sie hier in Nordrhein-Westfalen kennen, dazu – Kollege Nettelstroth hat es eben schon gesagt –: Die Sperrklausel kommt in den allermeisten Gremien überhaupt nicht zur Anwendung, und maximal im einstelligen Bereich wären in den größten Stadträten des Landes unter 4 % der Stimmen weggefallen. Das Hamburger Verfassungsgericht hat ausgeführt, dass bis zu 5,5 % – das war damals eine Entscheidung, die sich auf den konkreten Fall bezog – zu akzeptieren wären.
Ich werbe heute dafür: Stimmen Sie dieser sehr moderaten – ich habe es eben ausgeführt – Sperrklausel von 2,5 % zu. Bei der Frage der Zersplitterung hat es seit 1999 eine massive Zuspitzung gegeben.
Wir wollen das kommunale Ehrenamt stärken, und wir werden in den nächsten Wochen das Ehrenamtspaket durch den Landtag bringen. Deswegen haben wir sehr wohl deutlich gemacht, dass wir uns auch mit den niederschwelligen Punkten auseinandergesetzt haben. Dieser Gesetzentwurf ist die vernünftige Antwort auf die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Ich bitte daher um Zustimmung des gesamten Hohen Hauses. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. Bleiben Sie bitte gleich hier. Herr Kollegen Kern hat eine Kurzintervention angezeigt. – Herr Kollege Kern!
Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Mosatofizadeh, ich möchte an Sie die gleiche Frage richten wie an den Kollegen Körfges: Können Sie für Ihre Fraktion ausschließen, dass Sie im Nachgang zu diesem Gesetzgebungsverfahren im weiteren Verlauf einen Gesetzentwurf einbringen werden, der dazu dient, die Fraktionsstärke, die für Kommunalparlamente vorgesehen ist, von derzeit 5 % auf dann 2,5 % abzusenken? Das würde dann natürlich dem Ziel,
(Unruhe bei der SPD)
das Sie jetzt hier vortragen, diametral entgegenstehen, weil es zu einer weiteren Zersplitterung beitragen würde. Herr Körfges hat sich um diese Antwort gedrückt, was für mich die Antwort impliziert. Ich bin gespannt, wie Sie die Frage beantworten.
(Zuruf von der SPD)
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Kern, ich werde niemals auf Spekulationen, und seien sie noch so geschickt gestellt – diese war jetzt, zugegebenermaßen, nicht besonders geschickt eingefädelt –, eingehen. Ich für meinen Teil kann nur …
(Beifall von den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das war eine offene Frage, Herr Kollege! Eine einfache, offene Frage!)
– Ich antworte so, wie ich möchte, Herr Kollege.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von den PIRATEN: Eben, das ist ja das Problem!)
Ich werbe für den Gesetzentwurf, und ich werde mich nicht an Spekulationen über andere Punkte beteiligen.
Ich kann Ihnen nur den Hinweis geben –wenn Ihre Kollegen Sie informiert hätten, könnten Sie den Kenntnisstand auch haben –: Wir haben in der letzten und in der aktuellen Ehrenamtskommission weitere Vorschläge für die Verbesserung der Ratsarbeit gemacht. Ich bin kein Freund davon, Zweiklassensysteme oder Mehrklassensysteme in den Kommunalparlamenten einzuführen, sozusagen erst die Menschen reinzulassen und ihnen dann keine Antragsrechte zukommen lassen, die Redezeiten beschränken und nicht an Haushaltsberatungen beteiligen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den PIRATEN: Da kriegst du „den Daumen hoch“!)
Deswegen bin ich der Auffassung, dass diese moderate Sperrklausel diese Unwuchten, die ich sehe und die meine Fraktion in dem jetzigen System sieht, genau die richtige Antwort ist, und ich beteilige mich nicht an weiteren Spekulationen.
(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

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