Mehrdad Mostofizadeh: „NRW ist ein Integrationsland“

Antrag von SPD und GRÜNEN für einen Integrationsplan NRW

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum 70. Geburtstag unseres Landes haben uns zahlreiche Glückwünsche erreicht. Sie haben deutlich gemacht, dass NRW viele Freunde hat, in der Bundesrepublik und auch weit darüber hinaus. Etwas, das die Historie unseres Landes eng mit der Gegenwart verbindet, war hier von besonderer Bedeutung: NRW ist ein Integrationsland, das wurde immer wieder betont, und dass die Menschen an Rhein und Ruhr lange – und zwar sehr lange – und gute Erfahrungen mit Migration und der Aufnahme von Neuankömmlingen gemacht haben.
Dieser besondere Geist, der NRW prägt, überbrückt nicht nur soziale, kulturelle und historische Unterschiede, sondern auch politische Grenzen – das ist mir besonders wichtig, auch Kollege Laschet und Kollege Römer haben darauf hingewiesen. Dieser Geist hat sich beispielsweise in der Landespolitik ganz praktisch manifestiert, etwa bei der Integrationsoffensive vor 15 Jahren.
Alle damals im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich gemeinsam zu einer aktiven Integrationspolitik bekannt und sie als Querschnittsaufgabe definiert. Das war die Abkehr von einem alten Denken, das Migranten als Gastarbeiter betrachtete und nicht als Menschen, die sich und ihren Familien hier in Deutschland ein eigenes Leben aufbauen wollten.
Vor zehn Jahren – ich glaube, er hat es aus Bescheidenheit gar nicht erwähnt – wurden dann unter Schwarz-Gelb einzelne Maßnahmen in einem „Aktionsplan Integration“ zusammengefasst, und da verkennen wir nicht die Handschrift des damaligen CDU-Integrationsministers, der in seiner Partei dafür geworben hat, dass eine konstruktive Integrationspolitik möglich geworden ist.
Einige Jahre später, unter Rot-Grün im Jahre 2012, kam das bundesweit erste Teilhabe- und Integrationsgesetz, das in einem Flächenland verabschiedet wurde. Auch das war ein Meilenstein der deutschen Integrationspolitik.
Und jetzt, 2016, kommt der „Integrationsplan“ für NRW: „Gelingende Integration von Flüchtlingen“. Das ist ein weiteres wichtiges Pfund für die Integrationspolitik, und ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei all jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten bedanken, dass diese Arbeit möglich geworden ist. Herzlichen Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der CDU)
Wir haben auf die Herausforderungen reagiert, die aus der großen Flüchtlingsaufnahme entstanden sind. Wir haben uns in NRW parteiübergreifend hinter dem Satz aufgestellt: Wir schaffen das! – Aber wir haben auch gesagt: Das ist keine Sache für Maulhelden, das bedarf vieler Anstrengungen und vor allem bedarf es jahrelangen, kompetenten und auch anstrengenden Engagements. Ich bin ehrlich gesagt stolz, dass wir uns dieser Herausforderung stellen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon in den Tagen und Wochen der Flüchtlingsankunft war uns klar, dass wir eine solche Reaktion brauchen, um die mittel- und langfristigen Aufgaben hier in unserem Land zu bewältigen. Und – das ist eben schon erwähnt worden – diese Anstrengung ist wohl nicht ganz unbemerkt geblieben. Insofern fand ich es schon beeindruckend, was die Bundeskanzlerin dazu gesagt hat – ich zitiere –:
Nordrhein-Westfalen ist gewohnt, Menschen, die in das Land kommen, zu integrieren – auch da hat es Großartiges geleistet. Weil es Zuwanderung als Bereicherung empfindet, ist es ein Beispiel für viele andere Regionen der Bundesrepublik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist in beiden Beiträgen angesprochen worden: Integrationspolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Entsprechend breit und komplex sind wir die Sache angegangen. Wir orientieren uns am Grundgesetz und seinem Leitbild des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen in einer offenen, freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft: an der Würde des Menschen, an Respekt und Toleranz, der Gleichstellung der Geschlechter, an Religions-, Presse- und Meinungsfreiheit.
Deshalb geht es uns gerade nicht um Assimilation und das Austreiben von Unterschieden, sondern um Toleranz und wechselseitigen Respekt für die Vielfalt der unterschiedlichen Lebensentwürfe, die es in diesem Land gibt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Mit Sorge sehen wir deshalb auch, dass rassistische Gewalttaten und Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in erschreckendem Maße zunehmen. Die von Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten geschürten rassistischen Ressentiments sind die Basis für solche Gewalttaten. Wer das friedliche Zusammenleben von Menschen in unserem Land gefährdet, darf kein Verständnis erwarten. Er wird die ganze Härte unseres Rechtsstaats spüren. Denn eines ist ganz klar: Unser Rechtsstaat schützt Vielfalt und Toleranz und nicht ihre Feinde, Liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Das Maßnahmenpaket, das wir Ihnen heute vorlegen, ist umfassend. Wir finanzieren Beratungsmaßnahmen für Flüchtlinge. Wir setzen auf Verbesserungen bei Integrations- und Orientierungskursen, beim Sprachunterricht und beim Einbürgerungsrecht. Wir haben in NRW eine in Deutschland einmalige Integrationsinfrastruktur geschaffen und entwickeln sie weiter, unter anderem mit kommunalen Integrationszentren, die jetzt landesweit ausgerollt sind, oder dem Aktionsprogramm „KommAn-NRW“.
Besonderes Gewicht legen wir natürlich auf die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen und auf Fragen der Unterkunft. Und sehr groß ist unser Engagement bei Schule, Bildung und Betreuung. Wir machen aus der bildungspolitischen Präventionskette eine Integrationskette für Flüchtlingskinder, und zwar mit mehr als 5.700 Stellen in Schulen – das sind Stellen, die allen Kindern unseres Landes zugutekommen –,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
mit mehr als 2.400 zusätzlichen Sprachfördergruppen und – ich war wieder beeindruckt, als ich es gelesen habe – 17.500 zusätzlichen Plätzen in den Offenen Ganztagsschulen unseres Landes. Mit diesem Vorgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir bundesweit Maßstäbe gesetzt, auf die wir zu Recht stolz sein können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber auch der Bund muss seine Hausaufgaben machen: Das BAMF galt lange als Nadelöhr in diesem Zusammenhang. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das diesen Namen auch zu Recht trägt, und wir brauchen mehr Anstrengungen des Bundes zum Beispiel bei Kinderbetreuung und der schulischen Bildung und eine stärkere Unterstützung beim Sozialen Wohnungsbau.
Vor allem aber muss der Bund anerkennen, dass es sich hierbei um eine gesamtstaatliche Aufgabe handelt. Der Bund muss die Kommunen endlich strukturell und dauerhaft entlasten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zum Schluss muss ich leider auf einen Vorgang zu sprechen kommen, den ich ehrlich gesagt für eine Schmierenkomödie halte. Der Ausstieg der FDP aus dem interfraktionell angelegten Entschließungsantrag zum Integrationsplan war meines Erachtens eine wahltaktische Inszenierung und keine sachpolitische Entscheidung.
Statt sachlich zu verhandeln, wurden Maximalforderungen an den Anfang gestellt, die ohne Abstriche eins zu eins umgesetzt werden sollten. Allein die Verknüpfung der Forderungen mit Einsparvorgaben im Umweltministerium machen deutlich, dass Sie hier völlig sachfremd unterwegs waren und, anders als die CDU, zu keinem Zeitpunkt eine konstruktive Linie verfolgt haben.
(Dietmar Brockes [FDP]: Davon zeugt auch Ihre Rede!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, dieses Vorgehen zeugt von einem äußerst unsensiblen Umgang mit dem Thema „Integration“, und dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Hauses.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte an dieser Stelle nur zitieren, was Kollege Laschet dazu gesagt hat. Die WAZ dokumentiert dessen entsetzte Reaktion – so ist es geschrieben – und zitiert ihn mit den Worten:
„Das ist kein Grund, den Integrationsplan scheitern zu lassen. Wenn es um Integration geht, brauchen wir den Konsens der fünf Fraktionen im Landtag.“
Der Streit um Details zwischen den Fraktionen dürfe nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich diesem Appell ausdrücklich anschließen und bitte alle Fraktionen, diesem Konsens in diesem Hause zuzustimmen.
(Langanhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Welcher Konsens denn? Was für ein Konsens? Was ist das für ein Blödsinn! Wenn es einen Konsens gäbe!)