Mehrdad Mostofizadeh: „Nicht reparieren, sondern prophylaktisch arbeiten“

Zum Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP für ein Krankenhausgestaltungsgesetzes - zweite Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu unserem Abstimmungsverhalten: Wir werden uns bei dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme enthalten, weil wir der Meinung sind, dass grundsätzlich Reformbedarf angesagt ist – das haben wir auch schon in der letzten Legislaturperiode so gesehen –, und zwar durchaus auch nach den Buchstaben, die in dem Vorspann und in der Begründung des Gesetzentwurfs enthalten sind.

Denn wir sind der Meinung, dass wir dort eine Konzentration von Leistungen brauchen, wo es sinnvoll ist, nämlich dann, wenn Spezialität angesagt ist oder wenn wir gewisse Fachkunde brauchen. Ich will nur zwei Beispiele nennen: Stroke Units oder Geburten. Es liegt ja auf der Hand, dass man sich nicht von Menschen ohne entsprechende Erfahrung operieren lassen will, selbst wenn sie sich mit telematischen oder sonstigen Instrumenten gegenseitig beraten können. Wer die Operation durchzuführen hat, braucht eben auch entsprechende Übung und Expertise. Deswegen ist es richtig, da vorzugehen.

Zudem führt das auch immer zu Missverständnissen. Das, was jetzt passiert, kann durchaus dazu führen, dass es zu Erweiterungen im ländlichen Raum kommt, wenn man es denn ernst meint. Wenn man wirklich sagt, man wolle Grundversorgung mit weiterer Konzentration paaren, dann ist es in der Logik folgendermaßen – ich nehme immer gern meine Heimatregion, also das Ruhrgebiet oder die Stadt Essen, als Beispiel –: Wenn dort zehn oder zwölf Krankenhäuser sind, liegt es auf der Hand, dass möglicherweise dort Kapazitäten abgebaut werden, weil die Erreichbarkeit immer noch deutlich besser oder zumindest die Entfernung geringer ist als in anderen Bereichen.

Ich habe nur den Eindruck, dass das hier im Hohen Hause nicht so gern gesagt wird. Aber es ist die Wahrheit.

Herr Minister, das wird im Zweifel auch dazu führen … Jetzt sind gerade zwei Krankenhausstandorte in Essen geschlossen worden. Vielleicht kommt noch ein Standort dazu. Ich weiß es nicht.

Das Gleiche gilt auch für andere. Doch ich habe den Eindruck, dass es zumindest in der Kommunalpolitik – deswegen bin ich an dieser Stelle mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD durchaus einer Meinung – nicht unbedingt immer transparent gemacht wird. Es geht sogar so weit, dass der Oberbürgermeister von Essen, Herr Kufen, gesagt hat, das sei alles die Contilia schuld; was dort passiere, habe mit der Landesplanung alles gar nichts zu tun. Das ist schlicht falsch.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Contilia bekommt Geld dafür – oder hat einen Antrag gestellt und eine Bewilligung bekommen –, dass sie Kapazitäten abbaut, dass sie auch konzentriert und dass sie ein schönes neues Krankenhaus – der Standort hätte aus meiner Sicht an einer anderen Stelle sein müssen – baut, um für die Zukunft aufgestellt zu sein.

Deswegen, Herr Kollege Preuß, ist das, was Sie gesagt haben, auch zumindest an einer Stelle falsch. Das reine Rekurrieren auf die Betten und jetzt das Umstellen auf Leistungsbereiche führen nicht dazu, dass die Planung eins zu eins besser wird. Die Planung wird zwar besser. Das glaube ich schon. Aber die These, dann könne man planen und verordnen, hier komme Krankenhaus A hin und dort Krankenhaus B, ist schlicht falsch. Denn immer noch müssen die Krankenhausträger sich anmelden, abmelden und entsprechende Vereinbarungen in der Region treffen. Das ist auch gut so. Das halten wir für richtig.

Das ist auch ein Punkt, den wir an der Stelle kritisch sehen, Herr Minister. In § 14 Abs. 1 des Gesetzentwurfs heißt es – zumindest lese ich das so –, dass die Wissenschaftsministerin quasi Einspruch erheben kann, wenn Vereinbarungen in der Region getroffen wurden, wenn sie das fachlich für richtig hält. Es wird ja gesagt, dass Einvernehmen mit der Wissenschaftsministerin bestehen muss. Das heißt, dass sie auch bereits getroffene Planungskonzepte durchbrechen kann.

Ich kann Ihnen nur dringend raten, das noch einmal nachzuschärfen und auch in den weiteren Planungen eine andere Festlegung zu treffen. Denn wenn man das macht – was ich für richtig halten würde –, muss es zumindest ein Aushandlungsprozess zwischen den jeweiligen Institutionen sein.

Weil ich die Stadt Essen angesprochen habe, möchte ich an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen: Es ist natürlich möglich, dass man sich vor Ort damit beschäftigt, weil man einen konkreten Fall hat. Dem Minister liegt auch die Kleine Anfrage vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wir sind in vielen Punkten, was die Einschätzung anbetrifft, durchaus nah beieinander. Aber wenn Sie bei einem Einzelfall, in dem eine ältere Frau ins Krankenhaus eingeliefert worden ist, dort möglicherweise aufgrund falscher ärztlicher Beurteilung – das kann ich aus der Ferne gar nicht sagen – nach Hause geschickt wurde und einige Tage später verstorben ist, jetzt tatsächlich auf Verordnung sagen, das seien die Toten, die aufgrund der Strukturplanung kämen, dann finde ich das, ehrlich gesagt, ekelhaft und der Sache nicht mehr angemessen.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Das kommt auch in dieser Kleinen Anfrage Ihrer Kolleg*innen Müller und Altenkamp zum Ausdruck.

Nach vorne gerichtet, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Ja, wir müssen an einigen Stellen mehr tun. Wir müssen bei der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte ein Stück mehr tun, insbesondere aber bei der Pflege. Die reine Konzentration führt ja nur dazu, dass wir den Status quo etwas besser ausbauen. Der Nachholbedarf im Bereich der Pflege ist allerdings substanziell und wird mit einer reinen Konzentration allein nicht zu machen sein.

Natürlich gehört zur Wahrheit dazu: Die Pflegekräfte sind deutlich weniger mobil, als Ärztinnen und Ärzte das möglicherweise sind. Deswegen muss es, wenn es zu Umstellungen und Konzentrationsprozessen kommt, natürlich eine entsprechende Begleitung geben.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema „Pandemie und Reservekosten“. Ich habe eben schon angedeutet, dass wir da ganz bei Ihnen von der SPD sind. Ja, wir müssen Reservebereiche vorhalten, und zwar außerhalb des Krankenhausplanes, weil das aus meiner Sicht überhaupt nicht in die Systematik hineinpasst. Hier sind wir in ähnlicher Weise auf Bundesebene auch aktiv geworden. Wir brauchen ein System, wo Vorhaltekosten mitfinanziert werden. Das wird gerade für den ländlichen Raum dann von Bedeutung sein. Wenn man dort ein Krankenhaus hat, muss das auch funktionieren und müssen entsprechende Fachärztinnen und Fachärzte und auch Investitionen gesichert sein, die im Zweifel auch teurer sind, als wenn man sie in anderen Bereichen vornimmt, weil man den Durchschlag dann vielleicht nicht darstellen kann. Das halte ich für notwendig.

Aber bei einem Punkt, Frau Kollegin Gebhard, bin ich nicht Ihrer Meinung. Sie haben den Ärztemangel beschrieben und gesagt, deswegen müssten wir noch eins drauflegen.

Erstens. Woher sollen mehr Ärzte kommen, wenn wir noch mehr Krankenhäuser haben? Das verstehe ich schon logisch nicht.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU]

Das Gleiche gilt für das Pflegepersonal.

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Zweitens verstehe ich auch nicht, wie Sie, die Politik machen, wieso in Nordrhein-Westfalen … Alle Punkte, die Sie angeführt haben, was Raucherinnen und Raucher, sozialen Status usw. anbetrifft, sind richtig. Doch da kann ich nur empfehlen: nicht reparieren, sondern prophylaktisch arbeiten und eine gute Gesundheitspolitik machen, also nicht noch mehr Krankenhäuser bauen, sondern vorher arbeiten.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie haben ja selbst auch das Angebot gemacht: sektorübergreifende Arbeit machen und das viel stärker in den Krankenhausplan mit implizieren.

Das, lieber Herr Minister, wäre ein letzter Punkt. Wahrscheinlich sind wir da gar nicht unterschiedlicher Meinung. Aber vom Abwickeln her ist es so, dass die sektorübergreifenden Fragen mit diesem Gutachten nicht ausreichend beantwortet sind. Daran werden wir weiter arbeiten müssen, um auch weiter voranzukommen.

Alles in allem kann ich Ihnen sagen: Wir werden uns jetzt enthalten.

Eine Prognose wage ich aber noch. Ich glaube, Herr Minister, dass Sie die notwendigen Strukturentscheidungen aufgrund der Bundestagswahl in diesem Jahr und aufgrund der Landtagswahl im nächsten Jahr nicht in dem Maße treffen werden, wie das eigentlich notwendig wäre. Sie werden das nicht durchhalten und den Druck der Kommunalpolitik und Ihrer Wahlkreiskandidaten im Nacken spüren. Das ist schon am Beispiel von Essen deutlich geworden. Dort sind Sie auch ein Stück zurückgerudert. Ich würde Ihnen eigentlich viel Glück wünschen, da noch einen Schritt weiter zu gehen.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ein allerletzter Punkt ist mir wichtig. Besprechen Sie das bitte auch mit den Patientinnen und Patienten. Denn dieser Vorwurf ist durchaus berechtigt. Das mag im Krankenhausausschuss alles diskutiert werden. In der Öffentlichkeit kommt davon aber relativ wenig an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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