Mehrdad Mostofizadeh: „Nicht das Ende eines Prozesses, sondern maximal ein Durchgangspunkt, wenn nicht sogar ein Startpunkt“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum Bundesteilhabegesetz

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesteilhabegesetz ist in der Tat ein ganz wichtiges Gesetz im sozialpolitischen und auch behindertenpolitischen Bereich. Auch ich würde es als Meilenstein in der Geschichte ansehen, auch wenn ich fachlich sicherlich einige Punkte anders bewerte als die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Trotzdem will ich das Positive hervorheben.
Ich finde, dass mit dem Gesetzentwurf viele wichtige und richtige Weichenstellungen getroffen worden sind. Das habe ich im Ausschuss ausdrücklich für die grüne Fraktion betont. Aber – das will ich auch sagen – es gibt durchaus auch einige Punkte, über die wir heute hier noch reden sollten, die eigentlich aus meiner Sicht verändert werden sollten.
Ich möchte das hier heute zur Gelegenheit nehmen, um zu sagen, dass mit dem Ausführungsgesetz zum BTHG nicht das Ende eines Prozesses erreicht ist, sondern maximal ein Durchgangspunkt, wenn nicht sogar ein Startpunkt für eine ganz neue Politik, in der Menschen mit Behinderung Teil dieser Gesellschaft werden und in die Mitte der Gesellschaft geholt werden – und nicht, wie es vorhin in der Fragestunde zur schulischen Inklusion zum Ausdruck kam, dass es Grenzen der Inklusion gibt, dass man Menschen nach Schulform aussortieren kann. Das ist ausdrücklich nicht der Geist des Bundesteilhabegesetzes, vielmehr geht es um die Inklusion aller Menschen, die in Nordrhein-Westfalen leben.
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])
Deswegen möchte ich auch erklären, weshalb wir uns an der einen oder anderen Stelle schwergetan haben, zum Beispiel bei der Hochzonung auf die Landschaftsverbände, die wir fachlich für richtig halten.
Denn die Städte und Gemeinden sind es am Ende, die die Inklusion vor Ort umsetzen müssen. Wir brauchen einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr. Wir brauchen eine Infrastruktur vor Ort, die es Menschen mit Behinderung, und zwar alle Menschen mit Behinderung, nicht nur die im Rollstuhl, ermöglicht, den Nahverkehr zu nutzen. Wir brauchen Quartiere, in denen sie leben können. Und wir brauchen Wohnungen in allen Quartieren, in den Städten und Gemeinden, wo Menschen mit Behinderungen ohne Repression und Restriktion leben und ihr Leben gestalten können. Das haben wir im Moment so nicht in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte an das anknüpfen, was Kollege Preuß gesagt hat. Ich finde es richtig, dass wir die Hilfen aus einer Hand …
(Zurufe)
–  Ich wollte gar nicht so einen Stress machen. Dazu gehört immer ein Prozess. Ich glaube, einige Chancen werden jetzt nicht genutzt. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir die Hochzonung die Frühförderung betreffend für richtig halten. Wir halten es für falsch, was in der Anhörung vorgetragen wurde, dass es nur eine Aufgabe nach Weisung sein sollte. Wir finden schon, dass dabei auch die Kommunen ihre Aufgaben erhalten sollten.
Herr Kollege Preuß, Sie sind auf unseren Änderungsantrag eingegangen. Alle Punkte – ich kann sie einzeln aufzählen – waren Gegenstand der Anhörung, von schriftlichen Äußerungen und auch mündlichen Auseinandersetzungen. Da ist kein einziger Punkt, der nicht ausführlich beraten worden ist.
Herr Kollege Lenzen, ein Punkt, der mir wichtig ist, ist das Budget für Arbeit. Wenn es doch in Nordrhein-Westfalen ohnehin schon gängige Praxis ist, dort besser zu sein als andere Bundesländer, warum nutzen wir dann nicht die bundesrechtliche Option, das ins Gesetz zu schreiben und diese Option ausdrücklich zu nutzen? Den Gedankengang verstehe ich gar nicht.
Ich möchte noch zwei weitere Punkte zum SPD-Antrag betonen. Wir wollen dem SPD-Antrag ausdrücklich zustimmen. Wir halten es jetzt schon für erwiesen, dass die Schulbegleitung – da brauchen wir keine Evaluation abwarten – jetzt schon ganz klar geregelt werden muss, damit die Schülerinnen und Schüler ihren Anspruch durchsetzen können. Ich glaube, da brauchen wir eine Evaluation, die richtigerweise in der letzten Woche in das Gesetz hineingeschrieben worden ist, nicht mehr abzuwarten. Wir stimmen beiden Punkten, die die SPD formuliert hat, ausdrücklich zu; wir haben es ja auch in unserem Antrag angesprochen.
Letztlich möchte ich noch einen Appell äußern – das haben wir in unserem Antrag nicht mehr formuliert –: Bei der Frage der Evaluation würde ich mir das Datum schon noch einmal überlegen. Eine ernsthafte, ausführliche Evaluation – ich meine keine Statusberichte; die kann man auch früher abgeben –, die unter anderem die Zuständigkeiten zwischen Landschaftsverbänden, Städten etc. klärt und 2023 schon abgeschlossen sein soll, obwohl wir 2020 eigentlich erst richtig anfangen, halten wir für verfrüht. Wir haben im Ausschuss 2025 angesprochen. Vielleicht kommen Sie ja im Laufe der nächsten Wochen noch auf die Idee, das zu ändern. Das haben wir heute nicht mehr beantragt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Ihnen einen ausführlichen Änderungsantrag vorgelegt. Wir bitten, diesem zuzustimmen. Wir werden, wie gesagt, dem SPD-Antrag zustimmen. Wenn Sie unseren Änderungsanträgen so nicht folgen, würden wir uns bei dem Gesetzentwurf enthalten, den wir im Grunde genommen von der Richtung her für richtig halten. Einige wichtige Klarstellungen, auch was Wohnformen anbetrifft, haben wir in unserem Antrag noch einmal formuliert. Ich bitte Sie, noch einmal nachzudenken, ob es heute nicht fachlich geboten ist, dem ausdrücklich zu folgen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)