Mehrdad Mostofizadeh: „Mit der jetzigen Situation der Aufsicht bin ich auch nicht zufrieden“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Wohn- und Teilhabegesetz - erste Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lenzen, immer wenn die regierenden Parteien den Konsens betonen, werde ich hellhörig.

(Heiterkeit von Regina Kopp-Herr [SPD])

Ich höre dann genauer hin, ob man seitens der regierungstragenden Fraktionen nicht auf verlorenem Posten steht und hofft, dass andere beispringen. Das könnte in diesem konkreten Feld tatsächlich der Fall sein.

Ich will aber direkt ein Stück weit Entwarnung geben: Uns liegt in ganz besonderer Weise daran, dass wir in Sachen „Gewaltschutz“ und bei der Aufsicht darüber – das hat Kollege Neumann sehr ausführlich für die SPD-Fraktion dargelegt – Konzepte auf den Tisch legen. So etwas darf nicht vorkommen oder muss zumindest weniger werden. Hier müssen wir uns massiv einmischen, da haben wir völligen Konsens.

Eines muss ich aber schon ansprechen. Der Minister hat es fast deutlicher benannt, obwohl er selbst Mitverursacher dieser Schwierigkeiten war, als die Koalitionsfraktionen. Was ist denn da passiert? Sie haben einen Gesetzentwurf in die Verbändeanhörung eingebracht, der sich mit den Aufsichtsfragen im WTG befassen sollte. Das haben die Kollegen Neumann und Lenzen auch schon gesagt. Es gab in diesem Jahr eine Evaluation, in der unter anderem steht, dass die Aufsicht auch Beratungsfunktion haben sollte und nicht nur entscheiden sollte, wie viele Prüfer wann und wie kommen.

Uns wundert schon, dass während einer Kabinettssitzung – so rekonstruiere ich zumindest den Fall – die Kommunalministerin – von der ich schon erwartet hätte, dass sie bei diesem wichtigen Thema jetzt anwesend wäre – nach allem, was wir wissen, interveniert hat und gesagt hat: Wenn ihr das rechtlich so ausgestaltet, wie es im Gesetzentwurf vorgesehen ist, dann müsst ihr daraus eine Selbstverwaltungsaufgabe zur Erfüllung nach Weisung machen.

Lieber Herr Minister, so, wie der Gesetzentwurf jetzt gestrickt ist, hat sich im Prinzip nur die Überschrift geändert. Die Aufsichtsfunktion haben Sie weiterhin in gleicher Weise für sich reklamiert. Insofern ist der Gesetzentwurf in sich an dieser Stelle zumindest widersprüchlich.

Warum erzähle ich das? Sie haben – anders, als es der Kollege Lenzen dargestellt hat, nicht der Ausschuss, sondern Sie – eine Kommission mit Herrn Garbrecht beauftragt, deren Ergebnisse ich nicht kenne.

(Josef Neumann [SPD]: Wir auch nicht!)

Insofern stellt sich schon die Frage: Warum preschen Sie vor und legen einen Gesetzentwurf vor, der in sich möglicherweise widersprüchlich ist, obwohl Herr Garbrecht – zumindest nach dem, was wir wissen – in den nächsten Tagen oder spätestens in den nächsten Wochen, vermutlich nach der Herbstpause, einen Bericht vorlegt? Warum befassen wir das nicht zusammen? Warum gehen Sie da vorweg und legen einen in sich widersprüchlichen Gesetzentwurf vor?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zur Historie: Sie haben am 16. September 2021 alle Landtagsabgeordneten angeschrieben und uns mitgeteilt, das sei so eilbedürftig, dass wir die Sache jetzt angehen müssten. Das ist ein relativ ungewöhnlicher Vorgang. Ich weiß gar nicht, wie oft das hier im Landtag bisher vorgekommen ist. Dann haben wir aus der Zeitung oder den Medien erfahren, dass die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP persönlich interveniert haben, um diesen Gesetzentwurf, der sich eigentlich im Zugang zum Landtag befand, also in der Phase zwischen Drucklegung und Drucksache war, noch einmal umzustricken und in dieser Form auszugestalten, in der Sie es jetzt hier vorgetragen haben. Wir haben dann einen Neudruck bekommen – den Altdruck hatten wir nicht; deswegen konnten wir es nicht beurteilen; ich persönlich hatte ihn allerdings, weil ich als Parlamentarischen Geschäftsführer privilegiert bin, schon in der Druckfassung vorab bekommen –, in dem das steht, was Sie jetzt gesagt haben.

Es gibt auch einige Punkte, die zu diskutieren sind. Wie ist es denn mit der Konnexität? Wie ist es mit der Anbindung der Aufsichtsbehörden?

Wie ich bereits den Kolleginnen und Kollegen in den Landschaftsverbänden gesagt habe, muss natürlich mehr passieren. Mit der jetzigen Situation der Aufsicht bin ich auch nicht zufrieden, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Ein Grund ist das, was Sie gesagt haben.

Es gibt aber auch noch einen anderen Grund. Deswegen hätte ich jetzt die Ministerin auch gerne angesprochen. Im Jahr 2014 hat Frau Scharrenbach nämlich eine Kleine Anfrage an Ministerin Steffens gestellt, warum es weiterhin Doppelprüfungen gebe und warum das alles im WTG nicht geklärt sei. Jetzt trägt Ministerin Scharrenbach einen solchen Gesetzentwurf mit, obwohl die Landschaftsverbände kritisieren, dass die Zuständigkeitsfragen noch ungeklärter sind und die Möglichkeiten der Doppelprüfungen zunehmen. Sie hätte gerne ihre Haltung dazu erklären können.

Ich gehe davon aus, dass sie uns bei den Ausschussberatungen auch mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Das sind nämlich ganz wichtige Fragen. Denn wenn die Kommunen weiterhin die Aufsicht durchführen sollen, möchte ich schon gerne wissen, wie sich das auf das Aufsichtsgebaren des Landes Nordrhein-Westfalen auswirkt.

Das ist keine reine Fachfrage, sondern auch eine organisationsrechtliche Frage. Machen wir uns doch nichts vor: Die Eingliederungshilfe macht doch 70 bis 80 oder sogar 90 % der Tätigkeit der Landschaftsverbände aus. Wir können sie doch abschaffen, wenn sie in diesem Zusammenhang keine vitale Funktion mehr haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden der Überweisung selbstverständlich zustimmen. Wir halten die Notwendigkeiten durchaus für gegeben. Aber es muss ein handwerklich sauberer Gesetzentwurf hier auf den Tisch gelegt werden. Da haben wir noch einiges an Beratungsbedarf. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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