Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich versöhnlich anfangen. Aber nach dem Beitrag der SPD, die sich komplett vom Acker macht und sich heute nicht entscheiden will, muss ich sehr klar sagen:
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Wir haben eine namentliche Abstimmung beantragt!)
Auf der einen Seite fordern Sie die flächendeckende Einführung, um dann zu sagen, dass Sie das als diskriminierend ablehnen. Wie albern kann man eigentlich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen?
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Mich macht es zornig – das will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen –, wie Sie sich hier verhalten. Denn mir macht es keinen Spaß, hier heute zu dieser Bezahlkarte reden zu müssen. Das will ich auch sagen.
(Thorsten Klute [SPD]: Dann lassen Sie es doch sein! – Zurufe – Unruhe – Glocke)
Ich finde die Debatte, die bundesweit aufgemacht worden ist … Auf der einen Seite fordern die Arbeitgeberverbände mehr Zuwanderung; wir brauchen mehr Beschäftigte und Fachkräfte in der Gastronomie und in vielen anderen Bereichen.
(Christian Dahm [SPD]: Da sind wir beieinander!)
Auf der anderen Seite werden Abschiebeerfordernisse nach vorne gestellt. Das ist ein eklatanter Widerspruch. Ich kann nur sagen: Als Mensch mit Migrationsgeschichte finde ich es unerträglich, wenn in der gesamtgesellschaftlichen Debatte Menschen wie ich und viele, die hier im Saal sitzen, unter Generalverdacht gestellt werden. Das ist sehr klar zurückzuweisen.
(Beifall von den GRÜNEN – Thorsten Klute [SPD]: Das richtet sich aber an den Koalitionspartner!)
Ich will an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen: Ich adressiere da nicht mehr die AfD. Die argumentiert nur noch völkisch, menschenverachtend und ablehnend. An die adressiere ich nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Volkan Baran [SPD]: Da stimme ich zu!)
Aber ich adressiere
(Thorsten Klute [SPD]: An Jens Spahn vielleicht?)
an die gesellschaftliche Mitte, die ich bisher für die Mitte gehalten habe, und appelliere, dass man eben nicht wie der Bundeskanzler von neuen Abschieberekorden oder wie die Bundesinnenministerin von einer neuen Gangart in der Migrationspolitik spricht.
(Christian Loose [AfD]: Solingen lässt grüßen!)
Es war der Bundeskanzler, der im November 2023 zusammen mit den Ministerpräsidenten und im Frühjahr 2024 mit dem Bundestag die Grundlage für die heutige Gesetzgebung geschaffen hat.
Gucken wir uns doch einmal an, worüber wir heute hier entscheiden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben eine Bezahlkarte, die auf der einen Seite die Möglichkeit gibt, die Bargeldauszahlung für Menschen zu vermeiden. Es gibt sogar einige, die davon profitieren, weil sie bisher kein Konto gehabt haben.
Wir setzen die Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt unserer Politik und haben deswegen mit dafür gesorgt, dass die Bargeldobergrenze auch für die Kinder und Jugendlichen auf 50 Euro angehoben worden ist. Wir haben auch mit dafür gesorgt, dass es eine Opt-out-Regelung gibt.
Da muss ich wirklich einmal an den Verstand in diesem Saal appellieren. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, eine flächendeckende Einführung führe dazu, dass Sie zustimmen könnten, und auf der anderen Seite sagen, die Opt-out-Regelung würde das verhindern. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie heute tun wollen. Sie lehnen jede Verantwortung ab. Das finde ich, ehrlich gesagt, angesichts der Materie nicht verantwortlich.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Es gibt neben der politischen Frage auch fachliche Gründe für diese Opt-out-Regelung. In der Anhörung ist sehr klar adressiert worden, dass diese Opt-out-Regelung dazu führt, dass mehr Rechtssicherheit entsteht. Das haben sowohl die Datenschutzbeauftragte als auch die Verbände und die Rechtswissenschaft hier sehr klar adressiert.
Was sagen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, denn dazu? Interessiert Sie das nicht? Warum haben Sie denn Angst vor dem Flickenteppich? Haben Sie Angst vor Ihren eigenen Argumenten, dass Ihre Steuerungsmethodik sich nicht durchsetzt? Oder ist es doch eher so, dass Sie mit Dreck werfen wollen und eben nicht dafür sorgen wollen,
(Marc Lürbke [FDP]: Wenn der Landesgesetzgeber eine Entscheidung treffen würde! Sie sind doch der Gesetzgeber!)
dass hier eine sachgerechte Entscheidung in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird?
(Beifall von den GRÜNEN)
Eines muss mir die SPD-Fraktion jetzt schon noch erklären. Wie kann es sein, dass diese Karte in 14 Bundesländern eingeführt wird – in den allermeisten Bundesländern ohne Opt-out-Regelung – und dort offensichtlich mit SPD-Zustimmung der Hort des Fortschritts ist – denn das haben ja der Bundeskanzler und die Bundesinnenministerin erfunden –, aber auf der anderen Seite in Nordrhein-Westfalen, wo all diese Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen sind, diskriminierend sein soll? Diese Erklärung bleiben Sie uns schuldig. Das haben wir heute Abend jetzt schon dreimal gelernt.
Denjenigen, die mit der Karte eine andere Steuerung adressieren wollen und sich davon weniger Zuzug versprechen, möchte ich sagen: Mindestens an einer Stelle habe ich in der Anhörung aufgemerkt, nämlich als ich die kommunalen Spitzenverbände gefragt hatte, wie viele Einsparungen sie denn erwarteten, und sie dann gesagt haben: Irgendwie keine; das kann man ja nicht beziffern.
Ich will an dieser Stelle auch deutlich sagen: Meine Fraktion macht sich die Zustimmung heute nicht leicht. Aber – und das unterscheidet uns unter anderem von den Sozialdemokraten –
(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])
wir sind vertragstreu, wir halten Abmachungen ein, und wir werden hier nach hartem Ringen in der Fraktion einheitlich zustimmen. Einer namentlichen Abstimmung werden und können wir uns nicht verweigern, nicht verschließen.
(Beifall von Thorsten Schick [CDU])
Es wird persönliche Erklärungen zu dem Tagesordnungspunkt geben.
Eines kann ich Ihnen noch sagen: Das, was Sie hier veranstalten, schweißt unsere Fraktion noch mehr zusammen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)