Mehrdad Mostofizadeh: „Man kann auch von Essen in irgendeine bayerische Provinz ziehen und sich dort sehr isoliert fühlen“

Antrag der "AfD"-Fraktion auf Einsetzung einer Enquete-ommission "Einsamkeit"

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Einsamkeit“ ist selbstverständlich ein zentraler Auseinandersetzungspunkt.
Die Kolleginnen und Kollegen haben einige Aspekte hierzu ausgeführt. Ich möchte mich ziemlich nahe an den Antragstext der AfD halten und ein paar Takte dazu sagen, weil das für die Arbeit der Enquetekommission wichtig ist. Ich will unser Abstimmungsergebnis vorwegnehmen: Wir werden uns enthalten.
Im Antrag wird nur der Sozialaspekt betrachtet und der psychologische Aspekt allenfalls am Rande. Der Sozialaspekt ist wichtig; auf soziale Isolation und verschiedene andere Aspekte werde ich gleich eingehen. Aber auch der psychologische Aspekt ist wichtig. Ich will Ihnen zwei Beispiele geben:
In der Schule kann Ausgrenzung trotz einer Gemeinschaft von Kindern stattfinden. Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Einerseits kann sich das Kind aufgrund traumatischer Erlebnisse oder anderer Dinge usw. selbst isolieren oder von der Situation überfordert sein. Andererseits kann es sein, dass die anderen wenig achtgeben und wenig respektvoll mit dem Kind umgehen.
Es kann auch sein – und das ist ein ganz wichtiger Aspekt –, dass die Fachkunde derjenigen, die in der Schule tätig sind – seien es Lehrerinnen oder andere Betreuerinnen – nicht ausreicht, um die nötige Sensibilität aufzubringen, um auf solche Kinder achten zu können. Deswegen schlage ich vor, das in die Arbeit der Enquetekommission einzubeziehen.
Das ist natürlich auch bei Erwachsenen ein Thema. Auch dort geht es ja oftmals darum, sich selbst isolierende Effekte von Personen zumindest zu erkennen und dann darauf reagieren zu können.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema „soziale Isolation“. Sie geben in diesem Antrag unterschiedliche Beispiele zu Fragen und Zielstellungen der Enquetekommission.
Einen Punkt halte ich für widersprüchlich: Beim Thema „Arbeits- und Sozialpolitik“ wird im Antrag durchaus zu Recht ausgeführt, dass es an Begegnungsmöglichkeiten, an Austausch mangelt.
Auf der anderen Seite wird beim Thema „Integrationspolitik“, bei dem wir natürlich immer besonders hingucken, einseitig von den Einwanderern gefordert, dass sie keine Parallelgesellschaften bilden. Okay, das lasse ich mal einfach unkommentiert so stehen. Außerdem soll die soziale Integration von den Migrantinnen und Migranten ausgehen.
Wer sich mal die von Ihnen gehaltenen Vorträge angeguckt hat, wird festgestellt haben, das gerade das ein zentrales Beispiel für mögliche soziale Isolation ist. Wenn Menschen in ein anderes Gebiet ziehen, muss das nicht einmal von Indien nach Deutschland sein, wie es in den Beispielen ausgeführt wird. Man kann auch von Essen in irgendeine bayerische Provinz ziehen und sich dort sehr isoliert fühlen.
Das liegt dann daran, dass man hier möglicherweise im Mittelpunkt stand und dort Außenseiter ist, weil man die Sprache im Frankenland nicht richtig aussprechen oder verstehen kann, oder andere Dinge spielen eine Rolle. Wenn man ins Ausland zieht, gilt das natürlich umso mehr.
Diese Aspekte einzubeziehen, unterstellen Sie in Ihrem Antrag ausdrücklich nicht. Zumindest da ist fachlich nachzuarbeiten.
Einen letzten Aspekt möchte ich aus grüner Sicht ansprechen: Das Thema „Siedlungs- und Stadtentwicklung“ und die Einflüsse von Stadtentwicklungspolitik auf die Frage von Begegnungsmöglichkeiten, auf die Frage von Austausch fehlen in der Auflistung völlig. Auch das muss nachgearbeitet werden.
Der Antrag ist sehr aus dem Blick von integrierender Sozialpolitik geschrieben. Das mag auch so in Ordnung sein. Es gibt auch andere Enquetekommissionsanforderungstexte, die auch nicht den höchsten Ansprüchen genügt haben. Insofern werden wir uns zu diesem Antrag enthalten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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