Mehrdad Mostofizadeh: „Klar ist, dass es den Städten und den Gemeinden ohne ein Entschuldungskonzept nicht gelingen wird, die Zukunftsaufgaben zu schultern“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zu den kommunalen Altschulden

Mehrdad Mostofizadeh

Der Antrag

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht ganz leicht, nach so einem Tagesordnungspunkt an diesen anzuschließen, aber einige Verbindungen gibt es natürlich zwischen diesen Tagesordnungspunkten.

Ich war am Wochenende, am Sonntag, schon überrascht, Frau Ministerin Scharrenbach, als Sie bei „Westpol“ einen Vorschlag für ein umfassendes Entschuldungsprogramm für Nordrhein-Westfalen angekündigt haben.

Wir befinden uns in der letzten Plenarwoche vor Ende der Legislaturperiode, und ich habe nichts auf der Tagesordnung gesehen, was sich mit diesem Thema befassen würde. Das erinnert mich doch so ein bisschen an Ihre Ankündigungspolitik, die sich seit fünf Jahren durch diese Legislaturperiode zieht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In Ihrem Koalitionsvertrag steht – das muss man sich mal in Erinnerung rufen –, dass Sie den Stärkungspakt Stadtfinanzen von Rot-Grün fortführen und zu einer Zinshilfe weiterentwickeln wollen. „Fortführen“ wäre eine gute Idee gewesen. Denn wenn Sie die Mittel, die dort hineingeflossen sind, nämlich 5,7 Milliarden Euro in zehn Jahren, fortgeführt hätten, also 2020 eine Anschlussregelung getroffen hätten, dann wären wir jetzt genau diesen Schritt weiter. Wir hätten dann jetzt eine Lösung – Konzepte gab es genug –, um diese 25 Milliarden Euro, die im Raum stehen, abfinanzieren zu können. Geschehen ist bis heute gar nichts, Frau Ministerin

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

– zumindest nicht vonseiten der Landesebene. Auf Bundesebene hat es sehr wohl eine Entlastung bei den Kosten der Unterkunft gegeben. Das ist durchaus anzurechnen.

Eines hat es bisher auch nicht gegeben: 2018 haben Sie – das steht immer noch auf der Homepage Ihres Ministeriums – angekündigt, dass in den nächsten Wochen ein Vorschlag von Ihnen kommen würde, um das fortzuführen. Man muss sich das mal vorstellen. Ich habe auch noch mal in die Programme der Parteien geguckt. Die CDU geht sogar hinter das zurück, was sie in der letzten Legislaturperiode angekündigt hat. Im CDU-Programm steht nur noch drin: Es muss ein bundesweites Entschuldungsprogramm geben – Stichwort: „Mit dem Finger nach Berlin zeigen“. – Natürlich muss Berlin helfen. Aber Sie können genauso gut hier ein Konzept vorlegen, um die Kommunen von ihren Altschulden zu befreien, und das muss auch unmittelbar geschehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich will es an dieser Stelle auch direkt ansprechen: Es liegt ja eine Verordnung bezüglich der Kosten, die für die Unterbringung und Integration der Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen entstehen werden, vor. Dort steht – das Muster kennen wir schon –, dass die Kosten in den kommunalen Haushalten isoliert werden sollen. Das wird also nicht auf den normalen Haushalt angerechnet. Aber es wird nicht gesagt, wer es am Ende bezahlen soll.

Frau Ministerin, es wäre klug gewesen – da bin ich auch ganz bei meiner Fraktionsvorsitzenden –, wenn die Landesregierung heute – anders als die B-Länder bisher – klar erklärt hätte, sie sei dafür, dass es aus dem SGB finanziert wird und dass eine klare Vereinbarung zwischen Bund und Ländern getroffen wird. Das wäre die beste Variante für die Geflüchteten und auch für den Bund und die Länder in diesem Zusammenhang.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich gehe davon aus, Frau Ministerin, dass Sie uns gleich das Modell vorlegen werden, das Sie am Sonntag in „Westpol“ skizziert haben. Deswegen bin ich auch ganz gespannt.

Als wir eben zu Besuch bei dem Aktionsbündnis waren, habe ich mehrere Vertreterinnen der Städte gefragt, ob die etwas wissen. Die sagten, sie wüssten nichts Konkretes. Aber sie wissen ziemlich genau, dass es um 25 Milliarden Euro für Nordrhein-Westfalen geht.

Wenn es um diese 25 Milliarden Euro geht, Frau Ministerin, wäre es klug, das jetzt zu machen. Ich habe wenig Lust, Schwarzmalerei zu betreiben, aber manche Rechnungen sind relativ banal. Bei 2 % Zinsaufwuchs – was angesichts der jetzigen Inflationsrate eine moderate Schätzung wäre; wir hatten in diesem Monat 7 % – wären wir bei 500 Millionen Euro zusätzlich für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen –, und das zusätzlich zu den Kosten für Transformation, zusätzlich zu den Kosten, die wir jetzt haben.

Dabei brauchen wir eigentlich – wie eben schon in der Debatte ausgeführt worden ist – Geld, um Investitionen zu tätigen, Geld für Schulen und Kitas, Geld für die Transformation, für die Energiewende, für Photovoltaik, für erneuerbare Energien und für vieles andere in den Städten und Gemeinden. Das hätten wir längst vorbereitet haben müssen. Deswegen erwarte ich heute eine klare Antwort auf das, was Sie am Sonntag angekündigt haben, Frau Ministerin.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Ihrem heutigen Interview mit der Rheinischen Post haben Sie gesagt – das macht mich dann schon stutzig, Frau Ministerin –: Die Städte und Gemeinden brauchen einen großen Wurf. – Aber Sie haben auch gesagt, sie wüssten am besten, wofür sie das Geld brauchen, für Kitas und Schulen oder für einen Altschuldenfonds.

Nein, Frau Ministerin, alle Städte und Gemeinden brauchen Geld für Investitionen in Kitas und Schulen und für die Transformation. Aber einige Städte brauchen eine Entlastung von den Altschulden, sonst haben wir keine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, sonst haben wir keine gleichen Startbedingungen, sonst haben wir die Situation, dass sie an den Kapitalmärkten das Geld für die dringend notwendigen Investitionen nicht bekommen werden. Das ist doch der Unterschied. Das müssen Sie beheben. Die gesamte Landesregierung muss einen Vorschlag auf den Tisch legen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will mich auch gar nicht aus der Verantwortung stehlen. Natürlich muss der Bund hier helfen, und das haben wir in unseren Konzepten immer eingerechnet. Wir sprechen jetzt konkret über rund 50 Milliarden Euro auf Bundesebene, von denen vermutlich 25 Milliarden Euro für Nordrhein-Westfalen sind. Die Kollegen aus Rheinland-Pfalz haben es über eine Änderung ihrer Verfassung im Land auch bereits vorgemacht, wie man es technisch machen könnte.

Klar muss aber sein, dass das, was im Koalitionsvertrag auf Bundesebene gemacht wird, jetzt in konkretes Handeln umgesetzt wird. Es muss deshalb dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Länder diese Entschuldungshilfe bekommen und sich die anderen Bundesländer nicht dagegenstellen. Dazu muss es nun einen konkreten Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen geben, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir am meisten betroffen sind.

Wir haben auch am längsten versprochen, da herauszukommen, und wir haben schon längst angelegt, wie es gehen soll, indem wir mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen die entsprechende Summe bereitgestellt haben und die Kommunen erklärt haben, den Ergänzungsanteil zu leisten. Es wäre deshalb gut gewesen, wenn man den Bundesanteil genau auf dieser Höhe abgeholt hätte. Wir wären dann nämlich schon seit zwei Jahren an diesem Thema, und die klare Fährte zur Entschuldung der Städte und Gemeinden wäre gelegt worden.

Liebe Frau Ministerin, liebe Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, angesichts der Herausforderung, die vor uns liegt, ist es jetzt natürlich total schwer, so einen Punkt zu umzusetzen. Bei einer solchen Ankündigung der Ministerin bedarf es aber einer klaren Aufklärung. Wir hätten uns versprochen, dass Sie in diesem Zusammenhang aktiv auf uns zugegangen wären, um ein solches Konzept vorzulegen, aber jetzt mussten wir diese Aktuelle Stunde beantragen.

Klar ist jedoch, dass es den Städten und den Gemeinden ohne ein Entschuldungskonzept nicht gelingen wird, die Zukunftsaufgaben zu schultern. Wir würden uns deshalb in jedem Fall auf den Weg machen, sobald das möglich ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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