Mehrdad Mostofizadeh: „Ihre fast schon vorhandene Fixierung auf den ersten Arbeitsmarkt ohne weitere Hilfen ist doch falsch.“

Gesetzentwurf der Landesregierung: Landeshaushalt 2018 - Einzelplan Arbeit, Gesundheit und Soziales

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war vorhin ähnlich wir Kollege Hübner draußen vor dem Landtag. Dort haben einige Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Air Berlin demonstriert.
(Daniel Sieveke [CDU]: Einige Hundert?)
–Machen Sie sich nur lustig, Herr Sieveke.
(Daniel Sieveke [CDU]: Ich habe mich nicht lustig gemacht!)
Es geht bei diesen Menschen ganz konkret darum, dass sie ihren Arbeitsplatz in einer Art und Weise verloren haben, wie sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ihresgleichen sucht. Deswegen müssen wir uns um diese Menschen auch kümmern und deren Anlie-gen in der Politik sehr deutlich machen. Daher war es nicht in Ordnung, dass wir heute nicht darüber reden konnten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will Ihnen diesen Vorgang, weil er wirklich beeindruckend ist –im negativen Sinne –, einmal schildern –nur in ganz kurzen Zügen –: Wir haben in Deutschland ein gut funktionierendes Insolvenzrecht. Dieses Insolvenzrecht wurde durch einen Kredit der Bundesregierung und durch verschiedene andere Maßnahmen schlicht umgangen. So ist es den Beschäftigten nicht möglich gewesen, einen Betriebsübergang vorzunehmen.
Das führt dazu, dass alle Tochterunternehmen filetiert werden und die Beschäftigten sich jetzt auf ihre eigenen Arbeitsplätze mit minderem Gehalt und in neuen Strukturen bewerben sollen.
Das ist Manchester-Kapitalismus, und das müssen wir verhindern. Das darf in Deutschland so nicht mehr vorkommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass es weitere Unternehmen gibt, bei denen man sich fragt: Was ist denn da los? Ich nenne nur General Electric. Ich habe mir das Unternehmen –freundlicherweise auf Einladung des Betriebsrates –angucken können. Die haben volle Auftragsbücher. Es ist ein modernisiertes Unternehmen. Sie haben 400 Beschäftigte, von de-nen über 20 Leute schwerbehindert sind, dieaber trotzdem qualifizierter Arbeit nachgehen. Solche hervorragenden Unternehmen sollen geschlossen werden, weil aufgrund einer Unternehmensentscheidung in Amerika 20% Rendite nicht ausreichen.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag, können wir doch nicht tatenlos hinnehmen. Da müssen wir uns wehren und dafür sorgen, dass diese Menschen eine berufliche Perspektive haben. Das sind wir den Menschen in Nordrhein-Westfalen doch schuldig.
(Beifall von den GRÜNEN –Zuruf)
–Was möchte ich?
(Zuruf)
Das wäre Anlass genug gewesen, Herr Arbeitsminister Laumann, sich sehr vehement in diese Debatte einzumischen, und zwar nicht nur verbal, sondern mit konkreter Hilfestellung vor Ort, indem man mit den Beschäftigten spricht, Lösungsmöglichkeiten ausarbeitet, möglicherweise Berater – das lässt das Betriebsverfassungsgesetz alles zu –hinzuholt und Lösungswege aufbaut. Das alles ist nicht geschehen. Das finde ich außerordentlich schade.
Es ist auch schade, in welcher Weise heute Morgen die Aktuelle Stunde abgelehnt wurde, als Herr Kollege Höne sich zu der Aussage verstieg, die FDP-Fraktion oder die Landesregierung bräuchte keine Nachhilfe in Sachen Arbeitsmarktpolitik. Wir hätten doch hier im Landtag darüber diskutieren können, ob wir das richtig finden oder nicht. Aber die Debatte wegzuschießen, weil sie es nicht wert ist, geführt zu werden, das finde ich schon skandalös.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD –Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Ich möchte jetzt noch zu zwei Punkten kommen, die wir hier im Landtag diskutiert haben. Es geht einmal –der Kollege von der CDU hat es eben angesprochen –um den sozialen Arbeitsmarkt und dann um die Schwerpunktsetzung auf den ersten Arbeitsmarkt.
Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Koalition erkannt hat, dass der Passiv-Aktiv-Transfer ein vernünftiges Arbeitsmarktinstrument ist. Das ist eine vernünftige Positionierung. Allerdings heißt es in demselben Antrag, dass sich das nur an die Bundesregierung richtet; in Nordrhein-Westfalen könne man da nichts tun. Das halte ich für grundfalsch.
Die meisten Integrationsunternehmen sind in Nordrhein-Westfalen. Über ein Drittel der in Deutschland in Integrationsunternehmen Beschäftigten kommt aus Nordrhein-Westfalen. Das sind doch Belege dafür, dass wir es erstens können und dass es zweitens gute Instrumente gibt, um Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, Hilfen und auch einen direkten Anschluss an den Arbeitsmarkt zu geben.
Ihre fast schon vorhandene Fixierung auf den ersten Arbeitsmarkt ohne weitere Hilfen ist doch falsch. Das wissen Sie doch. Sie haben es in der Debatte ja auch gesagt. Wir müssen unsere Hausaufgaben in Nordrhein-Westfalen machen und da tätig werden.
Letzter Punkt in diesem Segment: Eine Menge geflüchteter Menschen, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, haben jetzt viele Qualifizierungsmaßnahmen, insbesondere Deutschkurse, hinter sich gebracht und mit B2 gute Chancen, eine qualifizierte Ausbildung zu beginnen. Darauf müssen wir uns auch einstellen.
Deswegen wäre mein Petitum an die Landesregierung –wir werden das auch entsprechend hinterlegen –, dort weitere Maßnahmen in Angriff zu nehmen, beispielsweise im Bereich der Altenpflege vorhandene Programme aufzustocken und weiterzuführen, oder auch passge-naue Maßnahmen für Geflüchtete anzubieten, weil das der größte Kreis ist, nicht weil es eine Sonderbehandlung sein soll. Wir müssen selbstverständlich im Bereich ESF –das ist ja auch hinterlegt –weitere Programme für andere, die hier sind, anbieten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister Laumann, ich fand schon, dass Sie in den letzten Wochen bei einigen Punkten gefehlt haben bzw. sich leider nicht zu Wort gemeldet haben. Im Hinblick auf das Sozialticket, bei dem es darum ging, mehreren Hunderttauschend Menschen in Nordrhein-Westfalen Mobilität zu ermöglichen, bedurfte es eines Shitstorms der ganzen Bevölkerung, um die Landesregierung von diesem irrsinnigen Vorhaben abzubringen.
(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist doch nicht wahr! –Zuruf von Daniel Sieveke[CDU])
–Ich habe Sie an keiner Stelle gehört, als es beim Thema „Landesbauordnung“ um die Rechte von behinderten Menschen ging. Selbst den Vorwurf, man würde den Bedarf nicht ermitteln können, kontern Sie nicht, indem Sie sagen: Wir wollen eine vernünftige soziale Stadtentwicklung haben. –Sie fehlen da, Herr Minister. Sie müssen sich dort einbringen, in-dem Sie diesem –aus meiner Sicht –falschen Kurs der Landesregierung entgegentreten und für eine soziale Stadtentwicklung eintreten.
Wir werden uns sicherlich bei den weiteren Punkten noch intensiver darüber unterhalten. Herr Minister, werden Sie an dieser Stelle Ihrer Verantwortung gerecht, mischen Sie sich in die Debatte ein und ducken sich nicht weg, und zwar nicht nur an den Punkten, an denen es schön ist, sondern auch da, wo es schwierig ist.

(Beifall von der SPD und von Katharina Gebauer [CDU])

Einzeletat Soziales:
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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Oellers, ich hoffe, dass Sie sich Ihre Rede nächstes Jahr noch einmal anschauen werden, um zu sehen, was das Land dazu beitragen konnte, die von Ihnen auf den Tisch gelegten Maßstäbe zu erfüllen. Sie haben doch jeden Maßstab für die Armutsbekämpfung verloren, wenn Sie glauben, dass das Land an diesen Punkten mit den begrenzten Mitteln das machen könnte, was Sie vorgetragen haben. Armut entsteht doch wegen ungerechter Steuerpolitik, weil Hartz IV zu niedrig ausgestattet ist und weil es den Menschen finanziell einfach schlecht geht.
(Daniel Sieveke [CDU]: Ja, ja, genau!)
Das ist doch die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])
Ich bin da aber ganz entspannt. Wir können uns ja dann angucken, welche Programme der Sozialminister herauszaubert und wie die Obdachlosigkeit und die Wohnungslosigkeit zurückgehen. Das werden wir dann sehen.Herr Minister, Sie haben hier soeben –wie so oft –eine vermeintlich emotionale Rede vorge-tragen. Aber, lieber Herr Laumann, was nutzt den Menschen von Air Berlin der Bildungs-scheck? –Gar nichts nutzt Ihnen das, was Sie gesagt haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Menschen sind schlicht arbeitslos, und Sie haben eben weinend hier gestanden. Das ist die Wahrheit, die hier zu beleuchten ist.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Beim Thema „Schulsozialarbeit“ sind sie ja fast an die Decke gegangen. Es war doch Ihre Bundesregierung aus CDU und SPD, geführt von Angela Merkel, die die Mittel für die Schulso-zialarbeit gekürzthat. Das ist doch die Wahrheit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Einzige, was Sie machen, ist, den von uns eingebrachten Punkt fortzuschreiben. Sie dynamisieren ihn noch nicht einmal und stellen auch nicht die Finanzierung der ständigen Projektarbeit sicher, damit die Menschen dauerhaft einen Arbeitsplatz bekommen können. Hier kann ich Ihr Credo nicht verstehen.Jetzt möchte ich zu ein paar Punkten kommen, an denen der Haushalt im Bereich der Sozi-alpolitik tatsächlich schlechter geworden ist.
Vizepräsidentin Carina Gödecke:Entschuldigung, Herr Kollege Mostofizadeh, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Hovenjürgen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.Mehrdad Mostofizadeh
(GRÜNE): Der Sozialpolitiker Hovenjürgen, bitte sehr.
Josef Hovenjürgen (CDU): Sehr geehrter Herr Kollege Mostofizadeh, danke, dass Sie…
Mehrdad Mostofizadeh(GRÜNE): Mostofizadeh immer noch, aber…
Josef Hovenjürgen(CDU): Ich übe das, aber es wird nie gelingen
(Michael Hübner [SPD]: Seit Jahren!)
Wir schauen mal in die Vergangenheit. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass die Finanzierung der Schulsozialarbeit durch den Bund ein Kompromiss auf Bundesebene mit den Ländern war und dass der Bund sich dazu bereit erklärte, die Finanzierung für einen gewissen Zeitraum zu übernehmen, und dass die Länder dann eintreten sollten. Leider hat Ihre Regie-rung versäumt, das zu tun.
(Barbara Steffens [GRÜNE]: So war das nicht! –Heike Gebhard [SPD]: So war es nicht!)
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Hovenjürgen, vielen Dank für diese Frage. Mit diesem Thema habe ich mich ausgiebig beschäftigt. Tatsächlich ist es so gewesen, dass erst das Bundesverfassungsgericht nach Intervention des Bundesrates –mit Mehrheit von Rot und Grün –gesagt hat: Ihr könnt das Bundesteilhabepaket so nicht auf den Weg bringen. Das funktioniert nicht. Ihr müsst dafür sorgen, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter dieses Programm an die Kinder und an die Eltern bringen, damit die es umsetzen können. –Das ist die Wahrheit!
Sie sind gerichtlich gezwungen worden, ein Bundesgesetz umgangsfä-hig zu machen. Das ist doch die peinlichste Geschichte, die Sie sich jemals ans Bein gebun-den haben.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dieses Bundesgesetz gilt jedoch fort, Herr Kollege Hovenjürgen. Anstatt dieses Bundesge-setz mit Mitteln zu hinterlegen, haben Frau Nahles und die Bundesregierung auf Intervention –das muss ich zur Ehrenrettung der SPD sagen –von Finanzminister Schäuble gesagt: Wir finanzieren das nicht dauerhaft fort. Wir kippen den Ländern das vor die Füße. Da sind die Länder erpresst worden. Und wir mussten dann einspringen. Das ist die Wahrheit, die hier zu verkünden ist.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Es wäre fachlich richtig, Folgendes zu tun: Die Bundesregierung nimmt ihren Teil und gibt 48 Millionen€ plusX plus Dynamisierungszuschlag und sortiert es fachlich in die verschiedenen Facetten der Schulsozialarbeit ein. Das wäre notwendig. Das könnten wir sehr gerne auch gemeinsam tun. Da hat die CDU auf voller Linie versagt, Herr Kollege Hovenjürgen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vielen Dank für die wunderbare Zwischenfrage. Gerne noch mehr davon!Ich fahre mit meiner Rede fort. Sie machen aus meiner Sicht im Bereich der Altenpflegeent-wicklung einen kapitalen Fehler, Herr Minister. Sie sollten die kommunale Planung, die mög-lich ist, nicht abschaffen. Sorgen Sie dafür, dass weiterhin „ambulant vor stationär“ gilt. Stär-ken Sie die Strukturen, damit die Menschen selber bestimmen können, wo sie wohnen und wie sie leben und damit die soziale Stadtentwicklung weiterhin stattfinden kann! Sie sind da auf dem völlig falschen Dampfer. Die Kürzungen der Förderprogramme sind völlig falsch, Herr Minister Laumann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Fachlich stört mich, dass ein Katz-und-Maus-Spiel stattfindet, sodass wir zum Teil nach-schauen müssen, was gekürzt wurde und was nicht gekürzt wurde. Einen Punkt –andere Punkte haben wir bereits angesprochen –will ich noch ansprechen, nämlich das Thema „Alter und Trauma“. Die Stellen sind bereits gekürzt. Ich möchte Ihnen einmal eine Geschichte aus meinem Berufsalltag erzählen.
Ich kenne aus meiner Tätigkeit in der Altenpflege eine ganze Menge Leute, die leider über massive Traumata verfügen. Wir reden hier immer noch über Menschen, die den Zweiten Weltkrieg erlitten haben. Eine Frau, deren Namen ich nicht nennen will, hat auf dem Weg von Polen nach Deutschland ihr Kind verhungern sehen müssen. Wir reden da über ganz wenige Euro. Warum kürzen Sie das weg? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Führen Sie doch die Arbeit fort –ich glaube, Sie sind dort fachlich nicht richtig unterwegs –und bieten Sie eine weitere Zukunft.
(Unruhe)
Zum Bereich der Altenpflege kann ich Ihnen nur sagen: Stärken Sie die Altenstrukturen. Stär-ken Sie die soziale Stadtentwicklung. Wir brauchen mehrMöglichkeiten, anders leben zu kön-nen. Das wird immer ein Kompromiss sein.
(Anhaltende Unruhe)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Einen kleinen Augenblick bitte, Herr Kollege Mostofiza-deh.
–Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe, dass es bei Haushaltsplanberatungen zwischen den Kolleginnen und Kollegen Debatten geben muss, aber bitte nicht so laut, dass es den Redner hier vorne irritiert. Wenn Sie die Debatte nicht über das Redepult führen wol-len, dann machen Sie es doch bitte vor der Tür!
–Jetzt haben Sie wieder das Wort, Herr Kollege.
Mehrdad Mostofizadeh(GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich komme in diesem Teil-bereich jetzt zum Schluss, auch wenn dieses Thema die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und Herrn Kollegen Höne emotional so auflädt, dass sie immer wieder aus der Jacke springen. Nehmen Sie doch die Worte einmal fachlich ernst. Diese Geschichten sind nicht erfunden, sondern die habe ich in meinem ganz persönlichen Umfeld so erlebt. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis, dass es eine ganze Menge Menschen mit Traumata gibt. 70% der alten Men-schen über 70 Jahre in Deutschland haben eine Traumaerfahrung. Das kann man sich nicht vorstellen, es ist aber so. Deswegen sollten wir uns fachlich damit auseinandersetzen. –Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Einzeletat Gesundheit:
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Mehrdad Mostofizadeh(GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Kollegen haben vorhin behauptet, ich würde nicht zum Haushalt reden. Für die Zahlen-fetischisten: Ich spreche jetzt über das Kapitel 11070 im Einzelplan 11 des Haushaltsplans, in dem es um die Krankenhausförderung geht.
Die jetzige Landesregierung schlägt vor, 300 Millionen € weniger auszugeben als im letzten Jahr –zusammengesetzt aus einer Kürzung von 200 Millionen €, und 100 Millionen €, die sie sich von den Kommunen bezahlen lässt. Ob das jetzt der große Aufschlag in Richtung Kran-kenhausfinanzierung ist, kann ich nicht so ganz erkennen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es gibt einen weiteren Punkt, der fachlich sehr wichtig ist –das Stichwort „Selbsthilfe“ hatte der Kollege Neumann ebenfalls angesprochen –: Wir müssen die Krebsberatungsstellen im Bereich der Prävention stärken. Wir werden dazu auch noch einen Antrag einbringen; die Kollegen hatten die entsprechende Zielrichtung vorgegeben. Das ist uns sehr wichtig, und ein solches Herangehen an diesen Bereich unterscheidet unsfundamental von einigen Kollegin-nen und Kollegen hier im Hause.
Herr Minister, ich bin sicher, dass Sie beim Thema „Versorgung von alten Menschen mit Woh-nen“ –und ich meine „Wohnen“! –auf dem völlig falschen Dampfer sind. Es entspricht nicht der Realität, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen eine Wahlfreiheit haben, wenn es darum geht, Betreuungsmöglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben in den unterschiedlichen Wohnungen zu finden. Gehen Sie doch mal durch die Städte! So sehr wir uns auch bemühen,entspricht es aber leider der Realität, dass die allermeisten Quartiere und Wohnungen eben nicht barrierefrei sind!
Natürlich ist das Leben ein Kompromiss, und man kann viele Dinge durch Assistenzen und Teilbaumaßnahmen erledigen. Der entscheidende Punkt ist aber doch nicht, dass wir zu we-nige Heimplätze hätten, um die Menschen zu versorgen. Das mag eine vorübergehende Delle sein, die wir in wenigen Monaten ausgebaut haben können.
Die Wahrheit ist doch vielmehr, dass ein selbstbestimmtes Leben erst dann möglich wird, wenn wir deutlich in die Quartiere investieren und für eine soziale Stadtentwicklung sorgen, die es den Menschen ermöglicht, dort leben zu bleiben, wo sie bereits wohnhaft sind. Das muss nicht unbedingt immer die Wohnung sein, in der man früher gewohnt hat. Es geht aber darum, dass man dort leben kann, wo man wohnen möchte, und zwar mit einer vernünftigen Versorgung, mit den unterschiedlichen Möglichkeiten im Quartier und mit einer vernünf-tigen infrastrukturellen Ausstattung. Wenn Sie einzig auf die Heime setzen –so ist zumindest der Eindruck –, sind Sie völlig falsch unterwegs.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, der von großer Bedeutung ist: Sie haben eben gesagt, dass die Altenpflege nicht allein von derprofessionellen Arbeit gestemmt wer-den kann. Da haben Sie selbstverständlich recht; das ist völlig klar. Etwa 70 % der Pflege –wahrscheinlich ist die Dunkelziffer noch höher –wird durch Angehörige oder durch Menschen aus dem persönlichen Umfeld der zu Pflegenden geleistet. Diese Menschen brauchen natürlich professionelle Unterstützung. Sie brauchen Menschen, auf die sie sich verlassen können, mit denen sie reden können, die sie fragen können, wie etwas geht.
Ich habe in meiner Praxis allzu oft erleben müssen, dass die gut gemeinte Pflege oftmals schlecht ausgeführt wird –zum Schaden der eigenen Betreuung sowie zum Schaden der zu Pflegenden. Deswegen müssen wir an dieser Stelle investieren; wir müssen da besser werden. Wir müssen aber auch die freie Entscheidung durch die Pflegebedürftigen ermöglichen.
Der Einzelplan 11 setzt an vielen Stellen vernünftige Ansätze fort. Der letzte Aspekt, auf den ich noch eingehen möchte, ist die Altenpflegeausbildung. Dort stocken Sie richtigerweise um 5 % auf; das sind 3 Millionen €, wenn ich es richtig gerechnet habe. Gott sei Dank tun Sie das! Das ist ein Unterschied zu Ihrer ersten Amtszeit, in der Sie relativ statisch vorgegangen sind und die Zahl der Altenpflegeplätze stagniert ist. Erst in den Jahren 2010 bis 2017 sind die Mittel für die Altenpflege verdoppelt worden, und damit ist auch die Zahl der Altenpflege-plätze gestiegen.
An einem Punkt bitte ich jedoch um Nachbesserung; wir haben noch bis Januar Zeit, entsprechend tätig zu werden: Die Pflegesätze für die Pflegeausbildung sind zu niedrig. Die Träger können das so nicht mehr leisten. Da brauchen wir eine Nachsteuerung. Da werden mehr Mittel benötigt, sonst wird dort demnächst nicht mehr ausgebildet. Hier müssen wir ein Stück drauflegen.
–Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)