Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen hier über ein sehr wichtiges Thema, nämlich über die Spielregeln, wie die Landesregierung mit dem Parlament umgeht und welche Rechte dem Parlament, aber auch der Bevölkerung an sich bei den Fragestellungen erwachsen.
Hier ist ein Urteil erstritten worden, was sich aus der Bevölkerung heraus ergab. Deswegen finde ich es schon sehr schwierig, Frau Kollegin Kapteinat, dass Sie Auslassungen zitieren und selbst Ihren Antrag nicht richtig zitieren. Ich nehme, damit ich richtig zitiere, den Antrag einmal zur Hand. Hier steht als erste Feststellung, „dass nach der Rechtsprechung des EuGH auch digitale Kurznachrichten zwischen Amtsträgern als amtliche Dokumente gelten können,“ – und jetzt kommt es – „sofern sie dienstlich relevante Inhalte enthalten.“
Sie haben eben in Ihrem Redebeitrag ausgeführt, dass Chatnachrichten Teil einer Akte sind. Das ist schlicht falsch.
(Thorsten Klute [SPD]: Wieso? Tauschen Sie denn Irrelevantes aus?)
Sie sind nur dann Teil einer Akte, wenn sie eine dienstliche Relevanz haben.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Und darüber muss das Landesarchiv entscheiden! – Zurufe von der SPD – Glocke)
– Melde dich noch mal, und dann kannst du noch mal reden. Aber jetzt rede ich gerade.
Um dann noch herauszufinden, wie das abzuwägen ist, kann ich auf die Verkehrsausschusssitzung vom 13.02.2023 hinweisen. Da ist das nämlich ausführlich erörtert worden, und ich nehme an, dass die SPD anwesend war. Unter anderem ist dort darauf hingewiesen worden, dass es eine gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien gibt, nach denen gehandelt wird.
Die Punkte – da muss ich mich Herrn Okos anschließen –, die Sie in Ihrem Antrag begehren, sind alle erledigt, denn sie sind Teil der Arbeit der Landesregierung. Hier steht im Übrigen unter „Besonderheiten für elektronische Dokumente“ auf Seite 74 des Ausschussprotokolls 18/167: „Grundsätzlich gelten für elektronische Dokumente keine Besonderheiten“.
Das ist überhaupt nichts Neues. Wenn also ein relevanter Vorgang zwischen Ministerien verhandelt und dies auch fernmündlich besprochen wurde, also wenn zum Beispiel eine Dienstvorbereitung mündlich stattgefunden hat und dann der Abteilungsleiter oder wer auch immer ein Protokoll davon anfertigt, ist das gesprochene Wort niedergelegt, ist eine Akte angefertigt worden.
Natürlich geht das entweder analog oder eben digital zur Akte und darf dann auch nicht gelöscht werden. Das ist überhaupt nichts Neues. Sie suggerieren nur, es sei etwas Neues, und es sei in Nordrhein-Westfalen durch das EuGH-Urteil ein neuer Zustand eingetreten.
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP] – Lachen von Dirk Wedel [FDP])
Ich kann hier sehr deutlich erklären: Das ist schlichtweg nicht der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Präsident André Kuper: Herr Kollege, ich müsste gerade einmal unterbrechen. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der SPD. Wollen Sie die zulassen?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön.
Präsident André Kuper: Kollegin Müller-Witt.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Aber nur, wenn die Zeit angehalten wird, Herr Präsident.
(Thorsten Klute [SPD]: Nein!)
Präsident André Kuper: Ja klar.
Elisabeth Müller-Witt (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage erlauben. Wie beurteilen Sie es, dass uns ein Minister geantwortet hat, dass er bei seinen SMS eine automatische Löschfunktion eingestellt hat? Die Relevanzprüfung ist ja gar nicht mehr möglich, wenn nach einer kurzen Zeit automatisch alle SMS gelöscht werden.
(Beifall von der SPD)
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja, Frau Kollegin, das ist relativ einfach zu beurteilen. Der Minister hat wie jedes andere Mitglied der Landesregierung dafür Sorge zu tragen, abzuwägen, ob Vorgänge, über die er sich mündlich oder auch fernmündlich ausgetauscht hat, die über sein Telefon gelaufen sind, Relevanz haben. Dann sind die zur Akte zu nehmen. Dafür hat er Sorge zu tragen. Das kann ich jetzt ad hoc sagen. Ich kann Ihnen auch vorlesen, wie es in der Geschäftsordnung steht,
(Zuruf von Elisabeth Müller-Witt [SPD])
dass im Zweifel derjenige, der letztlich Gewalt über die Daten hat, zu entscheiden hat, ob das aktenrelevant ist oder nicht.
Um das an der Stelle zu ergänzen: Um politisch nachzulegen, machen Sie das Spiel, ins Blaue hineinzuschießen und Behauptungen in den Raum zu stellen. Dann sagen Sie: Na, das könnte ja gewesen sein, und deswegen fragen wir nach. – Bei den allermeisten Anfragen – um das jetzt auf die politische Relevanz von heute zurückzuführen –, die Sie implizit in diesem Antrag haben, geht es darum, dass Sie eben nicht im Einzelfall prüfen wollen, sondern der Landesregierung pauschal unterstellen, sie würde Akten vernichten, relevante Vorgänge verheimlichen, das nicht dokumentieren.
Als Abgeordneter, als langjähriger Abgeordneter seit 2010, kann ich dazu nur sagen, dass ich das für alle mir bekannten Regierungsmitglieder mit Entschiedenheit zurückweise.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich weiß auch nicht, was es da zu lachen gibt. Ich finde, das ist ein sehr ernsthafter Vorgang, über den wir hier reden.
(Zuruf von Kirsten Stich [SPD])
Ich will in der Abwägung, Frau Kollegin, auch sagen: Es geht hier darum, dass wir dafür sorgen müssen, dass es hier selbstverständlich aufgearbeitet gekonnt werden muss, wenn in der Landesregierung was falsch läuft.
(Lachen und Zurufe von der SPD: Oh!)
– Was soll denn das jetzt? Herr Klute, Sie waren selbst Staatssekretär,
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ja, eben!)
und ich weiß gar nicht, was dieses arrogante Flegeln jetzt soll.
(Thorsten Klute [SPD]: Das ist nicht arrogant, das ist Erfahrung aus dem Untersuchungsausschuss!)
Ich finde, das ist ein wichtiger Vorgang, über den wir hier reden, den wir mit Ernsthaftigkeit beraten müssen.
(Kirsten Stich [SPD]: Frau Paul, sage ich nur!)
Wenn Ihnen das nicht passt, können Sie im Einzelfall gerne andere Wege suchen.
Ich versuche hier, mich der Angelegenheit sehr sachlich zu nähern, und ich zitiere nur die Punkte, die Sie eigentlich kennen müssten, unter anderem aus einem Ausschussprotokoll, bei dem Sie als anwesend vermerkt sind, was Sie nicht davon abhält, so zu tun, als wenn es diesen Vorgang nicht gegeben hätte.
Präsident André Kuper: Herr Kollege, ich muss noch einmal unterbrechen, weil es einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage gibt. Soll die zugelassen werden?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Kommt drauf an, von wem.
Präsident André Kuper: Von Frau Kapteinat.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön.
Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. Herzlichen Dank auch, Herr Kollege Mostofizadeh, dass Sie die Frage zulassen. Sie sagten gerade, ich hätte suggeriert, nach dem Urteil sei eine neue Rechtslage eingetreten. Ich frage Sie daher, ob Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich gesagt habe: „Dieses Urteil ist wichtig und bestätigt noch einmal die geltende Rechtslage“?
Es ist keinesfalls so, dass wir der Meinung sind, es würde pauschal alles gelöscht werden und die Landesregierung würde pauschal verschleiern. Wir sagen lediglich, dass die Landesregierung durch die Art und Weise, wie sie löscht, offensichtlich keine Gewähr dafür trägt, dass relevante Dokumente gesichert werden. Das konnten wir insbesondere nach dem Terroranschlag vom 23.08.2024 sehr deutlich feststellen. Da war für andere Behörden bereits wenige Tage später klar, dass Sachen gesichert worden sind. Das ist bei der Landesregierung offensichtlich nicht erfolgt. Das ist kein pauschaler Vorwurf, sondern das ist leider sehr konkret.
(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von Tim Achtermeyer [GRÜNE])
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Ich habe leider keine Frage erkannt.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ob Sie das zur Kenntnis nehmen! – Zuruf von Martin Metz [GRÜNE])
Insofern hätten Sie das Instrument einer Kurzintervention wählen können, diesbezüglich sind Sie als Juristin sicherlich kundig. Auch da gehen Sie wieder den Weg, dass Sie das nicht machen.
Ich werde diesen Fall, den Sie jetzt vorgetragen haben, im Einzelnen nicht bewerten, das können Sie gerne im PUA austragen, nicht mit mir hier, sondern mit den Kolleginnen und Kollegen, die dafür zuständig sind.
Ich habe Ihnen unterstellt – und das wiederhole ich an der Stelle auch ganz eindeutig –, dass Sie suggeriert haben, dass das EuGH-Urteil irgendetwas an der Verfahrensweise der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hätte ändern sollen.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ich habe etwas anderes gesagt!)
Das ist etwas anderes als das, was Sie jetzt zitiert haben. Ich stehe zu dem Vorwurf, dass Sie das suggerieren wollen, der Landesregierung pauschal unterstellen wollen, sie würde sich nicht an diese Grundsätze halten. Das weise ich zurück.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte allerdings in der kurzen Zeit, die mir noch zur Verfügung steht, auf zwei, drei Aspekte gedanklich hinweisen. In den PUA-Auseinandersetzungen geht es ja auch noch um andere Dinge, etwa darum, dass Sie unter anderem möchten, dass beispielsweise auch private Chats von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorzulegen sind. Ich kann an der Stelle nur sagen: Hier werden Grundrechtseingriffe von Ihnen verlangt, die ich entschieden ablehne.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Wo steht das in dem Antrag?)
Ich kann an der Stelle auch sagen: Ich lehne es entschieden ab, dass in die Hoheit der Abgeordneten, insbesondere der Abgeordneten des Landtags, eingegriffen wird und im Untersuchungsausschuss Vorlagen gemacht werden, die im Gewahrsam der Abgeordneten liegen.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! – Zuruf von Thorsten Klute [SPD])
– Herr Kollege, ich führe das an der Stelle deswegen aus, weil Sie in dem Antrag den Vorhalt machen, die Landesregierung würde nicht richtig arbeiten. Sie verschweigen aber die Bedingungen, die zur Vorlage einer Akte und zur Erstellung einer Akte gegeben sein müssen. Das hat Frau Kapteinat im Wortbeitrag gemacht. Deswegen erlaube ich mir an der Stelle, die Schwierigkeiten – das kann ich in fünf Minuten nicht alles ausführen –, die es in diesem Zusammenhang in der Abwägung gibt, noch mal darzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden der Überweisung an den Ausschuss zustimmen, aber ich bin schon erstaunt, mit welcher Methodik Sie hier heute wieder vorgegangen sind. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
