Mehrdad Mostofizadeh: „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man Unterschriften generell digital sammeln könnte“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur direkten Demokratie unter Corona-Bedingungen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute nicht über die Frage, ob wir die direkte Demokratie erweitern und ausbauen wollen. Das wäre durchaus eine Diskussion wert. Ich könnte mir – daraus mache ich keinen Hehl – durchaus vorstellen, dass man Unterschriften generell digital sammeln könnte. Aber das ist nicht der Sachverhalt.
Deswegen möchte ich noch einmal an CDU und FDP appellieren. Wenn die Gemeindeordnung in § 26 vorsieht, dass Bürgerbegehren möglich sind, und wir eine pandemische Lage haben, in der wir den Bürgerinnen und Bürgern aus guten Gründen besondere Abstandsregeln auferlegen, dann muss das auch Auswirkungen auf diesen Bereich haben.
Der Antrag erinnert daran, dass wir sehr klar geregelt haben, dass auch wir hier im Landtag – das sieht man ja – voneinander Abstand halten und nicht aufeinander zugehen, um uns eine Unterschrift zu holen. Es ist offensichtlich eine ganz praktische Frage, über die wir an dieser Stelle reden.
Natürlich ist es gut, wenn man ein bisschen mehr Zeit hat. Der Zirkelschluss in dem Antrag ist aber erstaunlich. Wenn man nachweist, dass eine objektive Unmöglichkeit vorliegt, dann darf man ein bisschen länger sammeln. Damit habe ich meine Schwierigkeit. Immerhin gestehen Sie zu, dass es Handlungsbedarf gibt. Daher möchte ich auf den praktischen Aspekt zurückkommen, der hier beschrieben ist.
Sie schreiben in Ihrem Antrag selbst, dass es beim Bürgerentscheid die Möglichkeit gebe, schriftlich, also per Briefwahl, abzustimmen. Das ist in Ordnung, das wäre in dem Zusammenhang sicherlich eine Hilfe. Davon macht bei Bürgerentscheiden ja durchaus ein Drittel Gebrauch, sogar mehr als bei üblichen Wahlen. Der Hinweis ist völlig zutreffend. Aber die enscheidende Phase ist die des Bürgerbegehrens. Dort ist der Austausch erforderlich, und es wäre deutlich leichter, das digital zu ermöglichen.
Ich habe kein Problem damit, wenn Sie Verifizierungsnotwendigkeiten reklamieren und die dann auch ermöglichen. Eine wahrscheinliche Variante wäre, über den Personalausweis zu gehen oder andere Dinge einzuziehen.
Das Europäische Parlament macht uns vor, dass das umsetzbar ist. Dort sind solche Abstimmungen bereits heute möglich und führen auch zu entsprechenden Ergebnissen. Es geht noch nicht darum – das wäre eine politisch-inhaltliche Auseinandersetzung, die wir an anderer Stelle führen könnten –, ob wir generell auf andere Verfahren gehen, ob wir die Quoren senken und, und, und.
Das ist aber nicht der Punkt. Wir sagen: Wir haben eine pandemische Lage. Es ist schwierig, Unterschriften zu sammeln bzw. technisch fast unmöglich, das im direkten Kontakt zu machen, wenn man die Abstandsregeln einhalten will.
Dabei möchte ich auf folgenden Sachverhalt hinweisen: Ich komme gerade aus einer Obleuterunde, in der es darum ging, die Frage zu klären, ob Menschen, die in Pflegeheimen, in Behinderteneinrichtungen leben oder in Werkstätten arbeiten, dort wieder hingehen können. Stand jetzt wäre es Menschen in Pflegeheimen nicht einmal möglich, die Unterschrift zu leisten, weil ein Betretungsverbot besteht. Das wird aus guten Gründen auch weiterhin bestehen. Sie wären per se von einer Teilnahme am Bürgerbegehren ausgeschlossen, es sei denn, eine Bezugsperson aus dem Pflegeheim würde das Unterschriftsexemplar an der Pforte entgegennehmen und es nach der Unterschrift wieder zurückbringen.
Das sind die konkreten Situationen, über die wir hier reden. Vielen Menschen im Land – wir reden immerhin über 180.000 Menschen, die allein in Altenpflegeheimen leben – ist es unmöglich, eine Unterschrift zu leisten.
Deswegen appellieren wir noch einmal für dieses Instrument der direkten Demokratie. Wenn wir wollen, dass § 26 in Phasen der Pandemie nicht leerläuft, müssen wir den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes eine andere Variante anbieten können, ihre Unterschrift abzugeben. Das tun Sie ausdrücklich nicht.
Sie wollen in der schwierigen Situation, in der es nicht möglich ist, zumindest in dem hygienischen Umfeld zu unterschreiben, das wir für richtig halten, das die Landesregierung für erforderlich hält und das per Verordnung immer wieder bestätigt wird, lediglich die Zeit zur Abgabe der Unterschrift verlängern. Auch heute – davon gehe ich aus – wird es eine Verlängerung der Verordnung geben, die die Abstandsgebote beinhaltet.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine dringende Bitte: Wenn wir noch etwas an dem Antrag ändern sollen, sagen Sie es uns. Aber die digitale Unterschrift ist eine zwingende Voraussetzung, um Bürgerbegehren in Nordrhein-Westfalen überhaupt möglich zu machen. Ich werbe sehr eindringlich um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD])