Mehrdad Mostofizadeh: „Für die Finanzausstattung der Kommunen ist immer noch das Land zuständig“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Flüchtlingsaufnahmegesetz

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten hat man in der Politik von der Aktualität her so viel Glück wie die Fraktion der Grünen mit diesem Antrag. Just gestern verkündete Finanzminister Scholz auf Bundesebene, dass er den Ansatz für die Kosten der Unterbringung von Geflüchteten von 4,7 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro bundesweit absenken will.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nicht zu fassen!)
Ich glaube, wir sind uns in diesem Landtag einig: Das geht so nicht. Wir müssen das scharf ablehnen und sehr klar in Richtung Bund adressieren, dass wir das nicht mittragen können.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist respektlos! – Bodo Löttgen [CDU]: Das geht gar nicht!)
Da wir hier im Landtag zwei große Fraktionen haben, deren Parteifreundinnen und Parteifreunde in Berlin regieren, gehe ich davon aus, dass sowohl der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Löttgen, seine Möglichkeiten bei der Bundeskanzlerin als auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Kutschaty, seine Möglichkeiten bei Herrn Scholz geltend machen und für eine Veränderung streiten werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben damit einen wichtigen Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die in den Kommunen untergebracht werden, auch adäquat finanziert werden. Viel Erfolg dabei! Ich hoffe auf baldige Rückmeldung dazu.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber mit Resolutionen wollen zumindest wir uns nicht zufriedengeben. Für die Finanzausstattung der Kommunen ist immer noch das Land zuständig. Wenn man heute in die Pressemitteilung des Geschäftsführers des Städte- und Gemeindebundes hineinsieht, kennt man auch sehr genau die Reihenfolge, Herr Minister Stamp.
Das Land Nordrhein-Westfalen muss dafür sorgen, dass das Flüchtlingsaufnahmegesetz schnellstmöglich überarbeitet wird und das Konzept, das von der Universität Leipzig erarbeitet worden ist, bzw. die Istkostenabrechnung in Nordrhein-Westfalen endlich in einen Gesetzentwurf mündet und umgesetzt wird, Herr Minister Stamp.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will Ihnen sagen, warum. Ich komme auch gleich zu dem Zitat einer Äußerung, die Sie gemacht haben. Bereits im November letzten Jahres haben Sie die Zahlen, die die Leipziger ermittelt haben, dem Landtag vorgelegt. In diesem Gutachten wurde herausgefunden, dass die Großstädte bis zu 16.000 Euro pro geflüchteter Person aufwenden – die Stadt Essen hat dies gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ noch einmal bestätigt – und auch die kreisangehörigen Gemeinden im Mittel zumindest mehr als 10.000 Euro aufwenden. Der Gutachter schlägt unterschiedliche Möglichkeiten vor, wie man damit umgehen kann.
Sie haben bis heute keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie sind nicht bereit, eine klare Ansage zu machen, was die Entlastung der Kommunen angeht – und das vor folgendem Hintergrund: Erstens muss das Land Nordrhein-Westfalen bereits seit 2017 deutlich weniger selbst für die Unterbringung von geflüchteten Menschen aufbringen, nämlich weit über 1 Milliarde Euro weniger, als es noch im Jahr 2016 der Fall war.
Zweitens melden die Städte – das ist ja der normale Gang der Dinge – zurück, dass Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen rechtmäßig immer länger hier verbleiben dürfen, aber nicht mehr unter die Kautelen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes fallen. Das führt dazu, dass eine Stadt wie Dortmund zurückmeldet, dass ein Aufwand von 30 Millionen Euro dadurch nicht mehr abgedeckt wird. Wenn man das hochrechnet, sind wir schnell bei einer Größenordnung von mehr als 1 Milliarde Euro.
Ich will Ihnen auch Folgendes sehr klar ins Stammbuch schreiben, Herr Minister Stamp: Die Punkte, die in unserem Antrag stehen, müssten eigentlich von allen Fraktionen des Landtags unterstützt werden – nämlich erstens, möglichst schnell dieses Gesetz umzusetzen, und zweitens, dafür zu sorgen, dass die Regelung rückwirkend gilt, also mindestens ab dem 01.01.2019, und dass sie auskömmlich ist.
Sie haben Finanzminister Scholz folgenden Vorwurf gemacht – zumindest ist das ein wörtliches Zitat aus der „WAZ“ vom heutigen Tag –:
„,Scholz spielt den Populisten mit seinem Vorhaben in die Hände‘, schimpfte Stamp.“
Darin kann ich Sie nur eins zu eins unterstützen. Aber ein Land Nordrhein-Westfalen, das ein gutes halbes Jahr braucht, um selbst eine Ansage zu machen, sollte sich fragen, welchen Beitrag es dazu leistet, erstens die Kommunen im Regen stehen zu lassen und zweitens für Verunsicherung zu sorgen, was die Entlastung der Kommunen angeht.
Ich erwarte heute eine klare Antwort. Meines Erachtens müssten alle anderen Fraktionen dabei mitgehen, diese Entlastung heute zu beschließen bzw. auf den Weg zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Stamp, es ist eine relativ einfache Rechnung. Ich habe schriftlich von Ihrem Ministerium vorliegen, dass die Landesregierung weit über eineinhalb Milliarden Euro weniger für die Unterbringung von Geflüchteten im Landeshaushalt ausgeben muss als 2016.
Deswegen sind es nicht 500 Millionen Euro mehr als unter Rot-Grün, sondern eine Milliarde Euro weniger, die diese Landesregierung für Geflüchtete an die Kommunen weiterleitet.
(Daniel Sieveke [CDU]: Das hängt damit nicht zusammen!)
Und Sie haben im Haushalt null Euro für die Umsetzung des FlüAG stehen. Diese Landesregierung hält ihre Versprechen nicht ein, sie macht keine Ansage und der Gesetzentwurf steht aus.
(Stefan Kämmerling [SPD]: So ist das! Recht hat er! – Gegenruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Insofern: Schlechte Zeiten für die Kommunen!
Kollege Hovenjürgen, wenn Ihre Bundesregierung mit der Kanzlerin Merkel sich auch noch durchsetzt, dann wird nicht nur das Land, sondern Bund und Land mit CDU an der Spitze werden die Kommunen im Regen stehen lassen. Das ist es, was wir heute gelernt haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich!)