Mehrdad Mostofizadeh: „Es ist keine Wohlstandskrankheit, sondern es ist eher eine Krankheit der Menschen, die weniger Geld haben“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur nationalen Diabetesstrategie

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder eine Freude, gerade bei solchen Punkten nach Frau Schneider zu sprechen. Auf der einen Seite sagt die FDP: Wir müssen die Menschen stärker auf den Weg bringen, wir müssen sie mehr informieren über Gesundheit, über positive Ernährungsbeispiele, über Bewegung. Auf der anderen Seite heißt es: Aber bei der Steuer geht das nicht, nicht über den Geldbeutel. Wir müssen ihnen das einprügeln, ihnen das erklären, damit sie es endlich verstehen, aber Fördermaßnahmen über die Steuer gehen nicht mit der FDP.

(Susanne Schneider [FDP]: Fördermaßnahmen? – Lachen von der FDP – Zurufe von Dietmar Brockes [FDP] und Stephen Paul [FDP])

Frau Kollegin, ich sage Ihnen noch etwas zu den Briten; die Kollegin Lück hat nämlich nur einen Teil der Strategie ausgebreitet.

(Unruhe – Glocke)

Die Zuckersteuer ist aus meiner Sicht eine durchaus gute Idee. Das trifft auch auf differenzierte Mehrwertsteuersätze zu, wie das im Übrigen unter anderem die Ärztekammer vorschlägt.

Ich habe noch einmal nachgesehen. Es stand am 07.10.2021 in einem Apothekenjournal, und auch viele andere Organe weisen darauf hin. Es wird sehr wohl darauf abgestellt, dass man insofern regulativ eingreift, als es eine nationale Strategie geben soll.

Die Engländer haben nicht nur die Zuckersteuer, sondern sie schreiben im Gegensatz zu Frau Klöckner und zu vielen ihrer Vorgänger sehr klar auf die Verpackung, was darin ist, damit das transparent ist und die Menschen wissen, was sie essen. Denn was nutzt die beste Aufklärung, wenn gar nicht klar ist, was in der Packung ist?

Auch da steht die FDP auf der Bremse. Die Freiheit für Sie zeigt sich darin, dass Unternehmerinnen und Unternehmer gerade Kinderprodukte gezielt bewerben und als vermeintlich gesundheitsförderlich vorstellen, von denen alle miteinander – da können Sie jeden Arzt, jede Ärztin, jede Ernährungswissenschaftlerin fragen – sagen, dass sie nicht in die Regale gehören, dass sie keinem Kind für eine gesunde Ernährung anzubieten sind. Diese Produkte sind aus den Regalen zu räumen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Da nutzt es auch nichts, wenn Sie zweimal in der Woche Fahrrad fahren. Das wissen Sie. Es hängt eminent mit der Umgebung zusammen, ob man Fahrrad fährt. Stehen Radwege zur Verfügung? Nehmen einem die Autos den Platz weg oder nicht? All das ist wichtig und trägt zu einer gesundheitsförderlichen Umgebung der Menschen bei.

Das alles wissen wir. Das alles ist aufgeschrieben. Es ist wissenschaftlich erforscht. Hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen sagen wir aber immer noch: Wir müssen die Bevölkerung sukzessive auf einen anderen Zuckerkonsum umstellen. – Wir sind doch nicht mehr im 16. Jahrhundert, sondern wir sind wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit und müssen nur das tun, was uns die Wissenschaft auf den Tisch legt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt einen ganz anderen Grund, Frau Kollegin, und der ist sehr simpel: Es wird verdammt viel Geld mit dieser Strategie verdient. Es wird verdammt viel Geld mit Kinderriegeln, mit Schokoeiern, mit Kinderschokolade und vielen anderen Produkten verdient, auch mit Substitutionsprodukten, mit Eistee, mit Softdrinks. Dabei wird in Kauf genommen, dass jeder zehnte Erwachsene – letztlich ist es sogar jeder achte Erwachsene über 50 – Diabetes hat. Das alles wird in Kauf genommen.

Es ist keine Wohlstandskrankheit, sondern es ist eher eine Krankheit der Menschen, die weniger Geld haben, die nämlich diese Produkte kaufen und – das wissen wir aus Studien – viel zu viel davon essen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Als Sie den Antrag geschrieben haben, hatten wir eine andere Zeit. Das war noch vor der Bundestagswahl. Jetzt regiert die Ampel. Eine Bundesratsinitiative kann man machen. Wir werden dem Antrag selbstverständlich zustimmen, weil das an der Stelle richtig ist.

Klar muss aber sein, dass ein so großes Land wie Nordrhein-Westfalen – darauf würde ich jetzt abstellen – durchaus eine eigene Strategie auf den Tisch legen kann. Wir können sehr wohl dafür sorgen, dass in den Kitas gesundes Essen angeboten wird, dass in den Städten dafür gesorgt wird, dass wir uns draußen mehr bewegen können, dass nicht nur kurativ auf Diabetes eingegangen wird, sondern auf das, was wir brauchen, nämlich eine ganz andere Politik für die Menschen und nicht für die Konzerne.

Ich kann nur sagen: Ich bin ein bisschen enttäuscht, um ehrlich zu sein, über das, was in dem Koalitionsvertrag steht. Der lässt an der Stelle viele Fragen offen.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Ich würde mich freuen, wenn sich die Gesundheitspolitikerinnen und vor allem die Politikerinnen der Kinder und Jugend und vieler anderer Bereiche durchsetzen könnten, damit das, was Kollege Rüße vorhin gesagt hat, zum Zuge kommt. Durch einen guten Mix an Maßnahmen, Aufklärung, Transparenz, Präsenz und vernünftige steuerpolitische Einflussnahme wird das gemacht, was nötig ist, nämlich den Menschen eine eigene Entscheidung darüber ermöglicht, was sie essen wollen, wie sie sich bewegen wollen. Nicht Konzerne werden gefördert, die das Gegenteil bewirken und viel Geld damit verdienen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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