Mehrdad Mostofizadeh: „Es ist Ihre Unionsschwester, die CSU, die der AfD mit ihrer enthemmten Politik scharenweise Wählerinnen und Wähler zutreibt“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zu Rechtspopulismus

Mehrdad Mostofizadeh

###NEWS_VIDEO_1###
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Rechtspopulismus“ beantragt und einen Text vorgelegt, in dem viele richtige Punkte sind. Den Satz, dass es sich – Zitat – „bei Teilen der AfD um eine fremdenfeindliche und in Schwarz-Weiß-Mustern denkende Partei handelt“, können wir Grüne vorbehaltlos unterschreiben, und wir können das auch noch verstärken. Die Zitate sind ja eben gekommen.
(Zuruf von den PIRATEN: In Teilen?)
Der Thüringer AfD-Mann Höcke hat mit seinem unsäglichen Vortrag zum angeblichen Wesen des Afrikaners doch deutlich gemacht, dass die AfD zumindest in Teilen rassistisch, wenn nicht sogar faschistisch ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Spätestens seine „1.000-Jahre-Deutschland“-Fantasien lassen doch sicherlich den letzten Demokraten nicht nur in diesem Saal, sondern im ganzen Land erschaudern. Im Unionsantrag finden sich viele richtige Aussagen zum vergifteten Debattenklima – das hat der Kollege Laschet auch angesprochen –, zu Europa und zur sträflichen Vereinfachung der Flüchtlingspolitik. – Trotzdem, Herr Kollege, reicht es heute wieder nur zu parteitaktischen Spielchen. Die Union will nur darüber sprechen, wie man mit der AfD reden soll. Das steht bei Ihnen im Mittelpunkt. Sie flüchten sich auf die Metaebene. Die Ursachen des Rechtspopulismus bekämpfen Sie mit diesem Antrag nämlich nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich frage Sie: Lösen Sie mit der heutigen Sitzung auch nur ein einziges Problem, oder verschaffen Sie der AfD damit nicht noch mehr Aufmerksamkeit, als sie ohnehin schon hat?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen sage ich Ihnen: Sie machen den größten handwerklichen Fehler in der Politik; denn Sie denken nicht vom Ende her. Sie haben nämlich keine Strategie. Sie verlieren sich mit der heutigen Debatte wieder in politischen Kleintaktierereien.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In Ihrem Antrag zeigen Sie mit dem Finger auf die Ministerpräsidentin – ich zitiere –:
„Wird ausgerechnet die Regierungschefin des größten deutschen Bundeslandes … in Zukunft auf eine öffentliche und direkte Auseinandersetzung mit Vertretern der AfD verzichten?“
(Hendrik Schmitz [CDU]: Das hat sie nun mal gesagt!)
Herr Kollege Laschet, das ist doch eine Ablenkungstaktik. Sehen Sie nicht, dass, wenn Sie mit einem Finger auf die Ministerpräsidentin zeigen, drei Finger auf Sie zurückzeigen? Es ist doch Ihre Unionsschwester, die CSU, die der AfD mit ihrer enthemmten Politik scharenweise Wählerinnen und Wähler zutreibt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die CDU in Nordrhein-Westfalen ist in dieser Frage zutiefst gespalten. Sie haben im Kampf gegen rechts in Nordrhein-Westfalen immer wieder versagt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wo war die CDU denn vorletzte Woche, als in Paderborn 3.000 Demokratinnen und Demokraten gegen den Aufmarsch der AfD protestiert haben? – Sie haben gefehlt. Ihr Platz auf der Gegenkundgebung ist leer geblieben, Herr Kollege Laschet.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Ich frage Sie, und zwar mit Ihren eigenen Worten, Herr Kollege Laschet: Will die CDU des größten Bundeslandes in Deutschland in Zukunft etwa auf eine öffentliche und direkte Auseinandersetzung mit der AfD auf der Straße verzichten?
(Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich! Das ist lächerlich!)
Was ist mit Gregor Golland, der medienwirksam die Sicherheitsüberprüfung aller Flüchtlinge fordert und damit alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt?
(Zuruf von Serap Güler [CDU] – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Totaler Blödsinn!)
Gänzlich gruselig wird es, Herr Kollege, wenn man die Gedanken zum Jahreswechsel auf der Homepage von Theo Kruse liest. Dort steht – ich zitiere –:
„Für die einwandernden oder einsickernden Flüchtlinge gilt nicht die im Rechtsstaat ansonsten prinzipielle Unschuldsvermutung.“
(Zurufe von der CDU: Was?)
„Sie selbst sind in der Pflicht, der einheimischen Bevölkerung die Sorgen und die Angst davor zu nehmen, was auf uns zukommen könnte, wenn jetzt auch in Südwestfalen plötzlich für alle sichtbar Moscheen entstehen.“
Was tut Herr Kruse hier? Er schürt in übelster Weise einen Generalverdacht. Er ruft zum Verfassungsbruch auf, und das aus den Reihen der CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Herr Kollege, mich würde an der Stelle tatsächlich interessieren: Was sagt die CDU-Fraktion dazu? Ist das Ihre Position, oder wäre es nicht an der Zeit, den Kollegen Kruse zur Ordnung zu rufen und ihm zu sagen, wo die Grenzen des Rechtsstaates sind und was in der Verfassung steht?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben es in Ihrer eigenen Rede eigentlich bereits gesagt. Wir dürfen nicht nur über die Metaebene reden, sondern wir müssen auch über die wichtigste Ursache des Rechtspopulismus reden. Wir müssen über die Herren Seehofer, Söder, Friedrich und Co. reden, die die Flüchtlingsdebatte seit Monaten aus der Regierung heraus anheizen und mit dem Mahnbrief und der Klageandrohung gegen die Kanzlerin Erpressung auf oberster Ebene betreiben. Damit tragen sie zur Zerrüttung der politischen Kultur und letztlich unmittelbar zur Stärke der AfD bei.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich sage Ihnen: Man muss auch in Talkshows – denn auch diese können nützlich sein – Aufklärung über den Rechtspopulismus betreiben. Dazu gehören allerdings auch echte Journalistinnen und Journalisten, die ihren Beruf ernst nehmen und die abstruse Zusammenhänge aufdecken, keine Duckmäuser und Talkmaster, die nur zugucken, wenn die Höckes oder Pretzells faschistische Thesen in den Sendungen verbreiten.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Sehr gut! So ist das!)
Denn dann ist es kein guter Ort für Aufklärung oder demokratische Bewusstseinsbildung.
Wir werden uns der Debatte stellen, dessen können Sie sich sicher sein. Aber wir werden nicht nur darüber reden, mit wem wir uns unterhalten, sondern wir werden auch handeln. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen nämlich eine Strategie, Herr Kollege Laschet.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben – damit kommen wir zur Sachauseinandersetzung – eine Infrastruktur im Kampf gegen rechts aufgebaut. Wir haben Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt initiiert.
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Wir haben mit dem Antrag zu Alltagsrassismus, zur Bekämpfung rassistischer Gewalt und vielen anderen Themen mehr die Erstellung eines Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus vorangetrieben. Bei all diesen Initiativen gab es keine Unterstützung vonseiten der CDU. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Nicht an ihren Worten sollt ihr sie erkennen, sondern an ihren Taten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ihr Desinteresse am Kampf gegen den Rechtspopulismus hier im Landtag ist wahrlich kein Ruhmesblatt für Sie. Deshalb sage ich Ihnen, lieber Kollege Laschet und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Es liegt nun an Ihnen, Ihre innenpolitischen Scharfmacher endlich einzufangen und sowohl hier im Land als auch im Bund einen klaren Kurs Ihrer Partei durchzusetzen.
Wir zeigen klare Kante gegen rechts, und zwar nicht nur in Talkshows, sondern überall, wo wir gebraucht werden. Tun Sie es auch. Dazu lade ich Sie herzlich ein. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)