Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Kriminalität. Da frage ich mich: Wo ist eigentlich der Abgeordnete Esser von der AfD-Fraktion?
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Sven Werner Tritschler [AfD]: Bodenlose Frechheit! – Weitere Zurufe von der AfD)
Aber der Antrag zu dieser Aktuellen Stunde kam von AfD, und der Abgeordnete Falszewski von der SPD hatte nichts Besseres zu tun, als auf Basis dieses Antrags ein verzerrtes Bild der derzeitigen Politik zu zeichnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zurufe von Benedikt Falszewski [SPD] und Marc Lürbke [FDP])
Ich gebe Ihnen von der SPD mal einen heißen Tipp: Wenn Sie das Thema wichtig finden, stellen Sie doch einfach einen eigenen Antrag und bringen das Thema ins Parlament ein.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Benedikt Falszewski [SPD])
Ich sage Ihnen noch etwas: Glauben Sie allen Ernstes, dass der „Ostwestfalensturm“ von Christina Kampmann oder der „Ruhrsturm“ von Herrn Falszewski den Menschen, die die Organisierte Kriminalität anführen, Angst und Schrecken einflößen? Sie machen sich doch lächerlich mit Ihrem Auftreten hier im Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sebastian Watermeier [SPD]: Was ist das eigentlich für eine Art, die Sie an den Tag legen? – Zuruf von Benedikt Falszewski [SPD])
Ich will ein paar Punkte zum Lagebild selbst sagen. Wir haben ja im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir an dem Thema arbeiten wollen. Ich halte ich es für notwendig, dass wir dieses Lagebild nachschärfen.
Wenn man nicht einen der 118 Clannamen, die benannt worden sind, trägt, wird man nicht in dem Lagebild erfasst. Wenn beispielsweise Frau oder Herr Omeirat einen Herrn Rafsanjani heiratet, fallen sie dann aus der Clankriminalität heraus und sind nicht mehr Teil des Lagebilds? Diese Punkte sollten uns zum Nachdenken anregen.
Ich möchte auch sagen: Wichtige Soziologinnen und Soziologen weisen darauf hin, dass dieses Lagebild, das aus einem soziologisch nicht zutreffenden Bild abgeleitet wird, durchaus Ressentiments schüren kann und dadurch nicht dazu beiträgt, den Blick auf das zu lenken, worauf es ankommt. Es kommt nämlich darauf an, dass wir die dort vorherrschenden patriarchalen Strukturen bekämpfen, deutsches Recht durchsetzen und die Schwachen schützen.
(Enxhi Seli-Zacharias [AfD]: Wie denn?)
Dafür ist ein starker Staat da. Wir müssen effizient handeln; das ist unsere Aufgabe.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich möchte noch einen Hinweis in diesem Zusammenhang geben: Wir brauchen auch Ermittlerinnen und Ermittler – da blicke ich gleichermaßen in Richtung des Innenministers und des Justizministers –,
(Henning Höne [FDP]: Der Innenminister ist ja gar nicht da!)
die sich in der Szene auskennen, für Vertrauen sorgen, die Delikte lesen und sich in diesen Strukturen bewegen können. An dieser Stelle können wir noch einmal nachschärfen. Ich hätte erwartet, dass man darüber spricht.
Ich bin dem Kollegen Golland ausdrücklich dankbar, dass er sehr präzise herausgearbeitet hat, worum es Ihnen heute geht,
(Zuruf von Markus Wagner [AfD])
nämlich um das Schüren von Ressentiments gegen Menschen, die keine deutschen Namen haben.
(Lachen von der FDP und der AfD)
Das lehnen CDU und Grüne, wie wir gehört haben, sehr entschieden ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich sage Ihnen noch etwas anderes. Die Stadt Essen, aus der ich komme – die Stadt mit den höchsten Deliktszahlen bzw. Verdachtszahlen, wie man in diesem Fall sagen muss –, ist eine geile Stadt.
(Sven Werner Tritschler [AfD]: Zufall?)
Diese Stadt ist mit den Händen polnischer und tschechischer Zuwanderer, die im Steinkohlenbergbau in den Zechen und Kokereien gearbeitet haben, aufgebaut worden.
(Zuruf von Andreas Keith [AfD])
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem moralischen Desaster in der Nazizeit haben türkische, spanische, italienische, griechische Zuwandererinnen und Zuwanderer
(Beifall Gönül Eğlence [GRÜNE] – Sven Werner Tritschler [AfD]: Was für ein Blödsinn!)
gemeinsam mit deutschen Frauen und Männern angepackt, diese Stadt geformt und aufgebaut.
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
Darauf sind wir stolz in Essen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich gebe zu: Die Stadt mag etwas piefig sein, manchmal ein bisschen langsam, aber wir sind stolz, dass wir uns gegenseitig die Meinung sagen können. Wir sind stolz, dass wir das ohne Ressentiments auf die Reihe kriegen und dass wir klare Worte finden können, ohne den anderen zu beschädigen oder mit menschenverachtenden Unterstellungen zu arbeiten. Darauf sind wir stolz in Essen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich gehe auch davon aus, dass sich Rot-Weiß-Essen derzeit in der dritten Liga nur auf die Champions League vorbereitet. Unklar ist das Jahrzehnt noch, in dem das stattfinden wird.
(Lachen von Sven Wolf [SPD]: Der war gut!)
Unsere SGS-Frauen spielen immerhin in der Bundesliga, ohne von einem Dosenfabrikanten unterstützt werden zu müssen. Vielleicht könnten sie demnächst mal ein paar mehr Tore schießen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Wir sind auch stolz, dass ein offen schwuler Mann Oberbürgermeister in Essen ist. Wissen Sie warum? – Weil es keinen interessiert, dass es so ist. Es ist eine Normalität, dass der Oberbürgermeister in Essen ist. Essen ist bunt, Essen ist vielfältig.
Ja, und wir dulden auch keine Kriminalität. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen, dass Deutschland und dass Essen so bunt und vielfältig sind und dass hier gleichzeitig deutsches Recht durchgesetzt wird. Da sind wir uns einig. Dafür brauchen wir keine Ressentiments von rechts und auch keine fehlgeleiteten Dicke-Hose-Sprüche von der anderen Seite. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden sorgfältig arbeiten.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Jetzt bin ich sehr gespannt, wie der Herr Gesundheitsminister auf diese Rede reagieren wird, weil eines klar ist: Der soziale Zusammenhalt und die Durchsetzung des Rechtsstaates sind zwei Seiten einer Medaille. Deswegen freue ich mich auf Ihren Redebeitrag. Eines kann ich Ihnen sagen: Wir werden uns von denen nicht auseinandertreiben lassen, und wir werden trotzdem sehr intensiv in der Innenpolitik weiterarbeiten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)