Mehrdad Mostofizadeh: „Ees gibt auch keine Antwort zu ganz wesentlichen strukturellen Fragen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu den Pandemischen Leitlinien

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich in vielen Punkten dem anschließen, was Kollegin Lück eben vorgetragen hat. Besonders bedauerlich ist, Herr Kollege Schmitz – Sie müssen das jetzt ausbaden –, dass die Pandemischen Leitlinien nicht im Unterausschuss Pandemie vorberaten wurden, was ausdrücklich Auftrag dieses Gremiums ist. Das liegt auch nicht an Zeitgründen oder an Schwierigkeiten. Wir tagen so häufig, dass dieses Gremium besonders leicht zu erreichen gewesen wäre. Das ist entweder Arroganz, Ignoranz oder sonst was.

Aber es hat auch Folgen. Das sieht man dem Text, der uns vorliegt. Ich kann Ihnen gerne mal eine Kostprobe des Textes geben. Da steht auf Seite 2 – da geht es ums Impfen –:

„Mit Hochdruck sind alle Möglichkeiten zu nutzen, die Auffrischungsimpfung für alle Altersgruppen voranzutreiben. Diese Aufgabe muss dauerhaft in bestehenden funktionierenden Strukturen, zum Beispiel in Analogie zu den Grippeschutzimpfungen, eingebettet werden.“

Erste Frage: Was sind funktionierende Strukturen, und was sind nicht funktionierende Strukturen in diesem Zusammenhang?

„Dafür gilt es, entsprechend auch Kapazitäten dem Bedarf anzupassen. Vor allem in den weiteren Wintermonaten müssen die Kommunen zusätzlich zum niedergelassenen Bereich auch temporäre Impfstellen vorhalten.“

Alles reingerührt, nix zu verstehen, lieber Kollege Schmitz und liebe Kollegin Schneider.

Ich will Ihnen das auch an zwei, drei Beispielen, die wir gerade heute diskutiert haben, deutlich machen. Der Ministerpräsident schlägt ja vor – letzte Woche noch in verschiedenen Medien zu vernehmen –: Wir brauchen dauerhafte Strukturen neben der KV-Struktur. – Was ist darunter zu verstehen? Sind das diese einzelnen Impfaktionen wie der Impftag, der Gesundheitstag hier im Landtag und dann verschiedene andere Punkte? Oder sind das von den Kommunen jetzt sukzessive aufzubauende Strukturen – was ich befürworten würde –, wo an Schulen, an öffentlichen Einrichtungen nach Systematik, nach bestimmten Zielquoten, nach Zeitplänen zu impfen ist, wo es auch Aufrufe gibt, selbst Systeme zu entwickeln? Das wird hier nicht beantwortet.

Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben schlichtweg schlampig gearbeitet. Das sind keine Leitlinien, sondern ein Zusammenrühren – das hat Frau Lück aus meiner Sicht völlig richtig dargestellt – von Selbstbeweihräucherung, zum Teil richtigen Punkten und zum Teil Punkten, die überhaupt nicht nach vorne weisen.

Weil ja bald Weihnachten ist, Frau Kollegin Schneider, will ich die positiven Punkte durchaus nicht unerwähnt lassen. Selbstverständlich halten wir es für richtig, dass Sie jetzt 20 Monate, nachdem wir das viermal gefordert haben, auch auf die Idee gekommen sind, die fachlichen Dinge einmal zusammenzuführen und eigene Studien zu machen, die Daten zusammenzubringen und dafür auch Geld auszugeben. Damit haben wir, glaube ich, drei Anhörungen zugebracht, dieses Thema zu beleuchten.

Aber auf das Thema Abwasser-Monitoring verzichten Sie wieder. Ich kann Ihnen nur sagen, das Thema Omikron ist in Südafrika gerade durch ein Abwasser-Monitoring in besonderer Weise zutage getreten. Insofern verstehe ich nicht ganz, warum Sie das hier nicht mit hineinpacken.

Stichwort „Inzidenz“. Dagegen haben Sie immer hart gekämpft: Die Inzidenz könne nicht mehr der einzige Faktor sein. – Wahr ist, die Inzidenz ist der einzige Indikator, der auf Bundesebene in der neuen Verordnung zu Rate gezogen worden ist. Was haben Sie auch in der Vergangenheit hin- und hergehampelt. Erst haben Sie einen Antrag von uns abgelehnt, die Anwendung der §§ 1 bis 6 für die pandemische Lage anzuerkennen. Eine Woche später haben wir den Antrag noch einmal gestellt, und Sie haben ihn noch einmal abgelehnt, um ihn in gleicher Fassung selbst zu stellen, um ihm dann zuzustimmen – eine hervorragende Leistung.

Ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Es nutzt doch keinem. Lassen Sie uns doch bei dem Thema verdammt noch mal zusammenarbeiten. Diese Pandemischen Leitlinien könnten uns doch wirklich nach vorne bringen. Wir haben viele Diskussionen im Unterausschuss Pandemie geführt, und wir haben trotzdem heute hier ein Papier liegen, das mit den zwei Ausnahmen, die ich eben genannt habe, genauso gut vor acht Wochen hätte vorgelegt werden können, was wenige Antworten gibt und diese Landesregierung ja offensichtlich nicht davon abhält, dieses Chaos zu produzieren, was wir heute Morgen diskutiert haben.

Aber es gibt auch keine Antwort zu ganz wesentlichen strukturellen Fragen wie das Impfen, die Abstandsregelung, die Frage, wie diese Ministerien zusammenzuarbeiten haben. Deswegen erspare ich Ihnen auch nicht an dieser Stelle einen Kernpunkt von heute Morgen, dass wir in Nordrhein-Westfalen keinen Krisenstab haben. Dass wir keine Sortierung der Pandemie- und der Coronapolitik in Nordrhein-Westfalen haben, ist ein fundamentaler Fehler, den es endlich zu beheben gilt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen werden wir diese Pandemischen Leitlinien, wie Sie sie jetzt formuliert haben, ablehnen.

Aber noch einmal, wirklich sehr ernst gemeint und kurz vor Weihnachten mit welchem spirituellen Segen auch immer versehen: Lassen Sie uns das zusammen machen. Wir können zusammen besser sein, wir können zusammen Besseres produzieren, und deswegen die herzliche Bitte: der nächste Versuch gemeinsam. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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