Mehrdad Mostofizadeh: „Diejenigen, die hier sind, müssen einen schnellen Einstieg ins Berufsleben bekommen“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Pflegepolitik

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Viele der Beschreibungen, die der Kollege Klute sowohl schriftlich vorgelegt als auch mündlich vorgetragen hat, kann ich aus meiner Berufserfahrung nur unterstreichen.

Er hat zum Teil auch die Gründe für diese Bürokratie mitgeliefert, nämlich, dass jede Institution für sich – sei es die Berufsgenossenschaft, seien es die Krankenkassen, sei es die örtliche Heimaufsicht usw. – immer wieder eigene Interpretationen – so möchte ich das einmal nennen – von Gesetzen auf den Tisch legt, was oftmals zusätzliche Bürokratie produziert.

Auch im Abrechnungswesen – das ist jetzt zwar kein Thema gewesen, aber man muss auch nicht alles aufschreiben – ist es so, dass ausgedruckte, handschriftlich unterschriebene, gestempelte Einzelabrechnungen vorzulegen sind, was ich in keinem Bundesgesetz bisher gefunden habe. Da würde es sich schon lohnen, Bürokratie abzubauen. Das ist keine Frage.

Ob ein Entfesselungsgipfel – ich wurde so ein bisschen an Christian Lindner erinnert – das nach vorne bringt, würde ich eher bezweifeln. Ich finde es schade, dass Sie dieses Thema zur direkten Abstimmung stellen. Selbst wenn der Antrag mehr Substanz hätte, als er jetzt hat – Sie wissen, wie das so abgeht –, hätte ich mir schon vorstellen können, dass man über das eine oder andere Thema im Ausschuss hätte diskutieren können.

Es ist ein bisschen schade, dass Sie den Blickwinkel falsch darstellen. In der letzten Legislaturperiode hat Karl Lauterbach fast nichts an Gesetzen für die Pflege auf den Tisch legen können. Das lag nicht nur an ihm, sondern der Hauptbremser war die FDP. Das ist mir schon klar.

Zwei, drei Gesetze, die von der Großen Koalition jetzt beschlossen worden sind, lagen auf dem Tisch und sind letztlich an der FDP gescheitert.

Aber das Thema „Pflege“ spielte leider in der letzten Legislaturperiode keine Rolle. Unter anderem konnte die Frage der Berufsanerkennung und der Kompetenzen von Pflegekräften nicht durchgebracht werden.

Das sind zwei, drei Punkte, die ich strukturell noch einmal einbringen möchte, nämlich das Thema „verbindliche Pflegeplanung“. Wenn wir das so konsequent, wie wir es in Nordrhein-Westfalen machen, durchsetzen, kann man nämlich deutlich effizienter unterwegs sein.

Sie haben die Pflegedienste angesprochen. Ich habe eine ganze Weile in solchen Pflegediensten gearbeitet. Wenn sie sich sektoral mit den anderen absprechen, wenn die Netzwerke besser sind, kann man sehr viel effizienter arbeiten. Dafür ist kein Gesetz notwendig. Das kann man auch auf kommunaler Ebene miteinander regeln.

Ein großes Problem sind aus meiner Sicht durchaus die Kostenträger. Mir ist nicht ganz klar, warum man das System des MDK in dieser Größenordnung haben muss. Es führt nicht nur dazu, dass es zusätzliche Kontrollen gibt, sondern auch dazu, dass uns in dem Markt viele Fachleute, die selbst sowohl in der Pflege als auch in anderen medizinischen Bereichen arbeiten könnten, schlichtweg fehlen.

(Beifall von Thorsten Klute [SPD])

– Danke schön. – Sie haben das Stichwort „Hygieneschulung“ genannt. Auch damit sind ja oftmals Auflagen, die eher von Berufsgenossenschaften oder von einzelnen Kostenträgern kommen, verbunden. Auch eine kleine Arztpraxis mit vier Leuten muss einen eigenen Brandschutzbeauftragten haben, muss Brandschutzschulungen durchführen, muss einen Sicherheitsbeauftragten haben und, und, und. Das kann man alles machen. Es spricht auch immer mal etwas dafür.

Ich kann mich noch an eine Diskussion hier im Landtag erinnern – bzw. es war fast ein Zuruf auf dem Gang, wenn ich mich richtig erinnere. Es ging um die Frage, ab wie vielen Personen eine Wohngemeinschaft als Heim einzustufen ist und bis zu wie vielen Personen sie noch als Wohngemeinschaft gilt. Das mag banal klingen, hat aber Konsequenzen; denn eine Wohngemeinschaft braucht nur einen Eingang, und ein Heim benötigt zwei Zugänge. Das führte dazu, dass Hunderte von Wohngemeinschaften in Nordrhein-Westfalen nicht mehr kostendeckend zu betreiben gewesen wären. Zum Glück ist es in dem Fall mal in Richtung Pflege ausgegangen. Aber oftmals geht es auch in die andere Richtung aus.

Wir werden diesen Antrag am Ende ablehnen. Es ist ein bisschen schade um das Thema, weil ich mir schon vorstellen könnte, dass es letztlich einen Schulterschluss zwischen Land und Bund braucht. Jetzt gibt es diese Arbeitsgruppe. Ich hoffe nicht, dass der Spruch „Wenn man nicht weiterweiß, gründet man einen Arbeitskreis“ hier wieder zutrifft. Wir können es uns nämlich nicht mehr erlauben, auf diesem Niveau weiterzuarbeiten. Wir haben in dem Bereich viel zu wenig Fachkräfte, viel zu wenig Arbeitskräfte und viel zu viel Aufwand – und das wird in den nächsten Jahren dramatisch schlimmer –, als dass wir uns dieses System leisten können.

Deswegen am Schluss dieses Punktes der klare Appell, weil mir das ein wirklich großes Anliegen ist: Wir brauchen erstens mehr Zuwanderung und müssen zweitens endlich aufhören, die Zugewanderten am Arbeiten zu hindern. Diejenigen, die hier sind, müssen einen schnellen Einstieg ins Berufsleben bekommen. Wenn es erforderlich ist, müssen eben Fachprüfungen erfolgen. Aber das, was im Moment stattfindet – Leute sagen mir, dass in der schulischen Ausbildung „Pflege“ zum Teil immer noch keine Unterlagen zur Aufenthaltsgestattung oder andere Papiere da sind –, ist doch Kampf gegen das eigene Volk, wenn wir das weiter so betreiben. Wir müssen alles dafür tun – dann hört nämlich auch die Hetze auf –, dass die Leute, die hier anpacken wollen, in die Ausbildung gehen können, in den Beruf gehen können und das tun können, was wir alle wollen, nämlich die Gemeinschaft zusammenhalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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