Mehrdad Mostofizadeh: „Die Kommunen sind die großen Verlierer dieser CDU/FDP-Landesregierung“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 und Gemeindefinanzierungsgesetz - zweite Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In keinem anderen Bereich ist die Landesregierung so an ihren Maßstäben gescheitert wie im Bereich der Kommunen. Die Kommunen sind die großen Verlierer dieser CDU/FDP-Landesregierung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will das sehr deutlich machen. Sie verpassen es an allen wichtigen Punkten, die Aufgaben der Zukunft zu lösen.
Thema „Altschulden“: Es ist fast schon verheerend, wie die Ministerin hier immer wieder nach dem Bund ruft. Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Sie versteckt sich hinter Herrn Scholz, macht noch eine Veranstaltung in Berlin, für die 90 Leute von NRW nach Berlin transportiert werden, und es kommt kein Millimeter Fortschritt zustande. Das ist erbärmlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eigentlich müssten wir schon viel weiter sein. Die 440 Millionen Euro, die für den Stärkungspakt im Haushalt stehen, hat der Finanzminister offensichtlich schon für sich einkassiert. In der Mittelfristigen Finanzplanung findet sich kein Cent zur Entschuldung der Kommunen mit besonders hoher Verschuldung. Das ist die Wahrheit über den Landeshaushalt in Richtung Kommunen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wissenschaftlich durchgerechnet und belegt ist, dass in Krisenphasen Städte mit besonders hohen Sozialleistungen noch mehr unter den Disparitäten leiden. Im Ruhrgebiet – es wundert nicht, dass die CDU dort wenig leistet – sind leider viel zu wenige Abgeordnete unterwegs. Sie machen ihren Job schlicht nicht.
Habe ich das richtig verstanden, Herr Kollege Schrumpf? Ich bitte hier um Aufklärung, ob das wahr ist. Gestern haben wir in Bezug auf die Integrationspauschale ein Schauspiel erlebt. Ich habe den Einzelplan 20 extra mitgebracht. Kein einziger Cent wird von der Landesregierung an die Kommunen weitergeleitet. Das ist der heutige Stand nach der zweiten Lesung. Das ist die Wahrheit. So sieht es hier in Nordrhein-Westfalen aus.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben nach der Entwicklung gefragt – und damit, Frau Ministerin, komme ich zum nächsten Punkt –, was Kommunen und Land betrifft.
Zunächst zum Flüchtlingsaufnahmegesetz: Das Land Nordrhein-Westfalen gibt 2 Milliarden Euro weniger für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten aus. 2 Milliarden Euro! Und Sie erzählen den kommunalen Kämmerern, wir müssten noch mal nachrechnen, ob wir sie entlasten können. Die Finanzierungslücke bei den Kommunen beträgt pro Jahr 750 Millionen Euro. – Herr Kollege Schrumpf, wissen Sie, was das für Essen bedeutet? Das sind, je nach Verteilung, 30 bis 50 Millionen Euro. Das entspricht der zweifachen Menge des Sportetats. Die zweifache Summe des Sportetats enthält diese Landesregierung der Stadt Essen vor, und Sie sagen auch noch Ja dazu. Was sich hier in Nordrhein-Westfalen abspielt, ist abenteuerlich.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Fabian Schrumpf [CDU]: Sie werden trotzdem nicht Oberbürgermeister! – Zuruf von der CDU: Das ist eine Wahlkampfrede!)
– Ach, das ist eine Wahlkampfrede? Das werde ich den Menschen in Essen und im übrigen Land berichten. Es ist also eine Wahlkampfrede, wenn ich Ihnen sage, dass Sie Ihre Versprechen nicht einhalten, dass Sie hier mit großem Getöse angetreten sind und keinen einzigen Cent weiterleiten? Das ist doch die Wahrheit. Das hat mit Wahlkampfrede nichts zu tun, sondern mit Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Landesregierung. Sie machen sich zum Handlanger, weil Sie diesen Haushalt beschließen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Klaus Voussem [CDU]: Das tun wir auch!)
Ich möchte ausdrücklich zustimmen, was die Aspekte der Strukturierung des GFG anbetrifft. Die Aufwandspauschale ist sachfremd. Sie gehört dort nicht hinein. Wir bräuchten 130 Millionen Euro, um die Diskparitäten im Krisenfall abbauen zu können.
Frau Ministerin, ich wiederhole: Wenn wir als Land mit der höchsten Altverschuldung Deutschlands – diese macht 60 % des Kassenkreditvolumens aus – jetzt nicht anfangen, ein Konzept auf den Tisch zu legen und den Bund damit unter Druck zu setzen, wird nichts passieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird dazu führen, dass die Stärkungspaktkommunen, aber auch andere Städte wie Dortmund oder Bonn, die hohe Kassenkreditvolumina haben und zunehmend in Schwierigkeiten geraten, in der Krisenphase vor dem Bankrott ihrer Haushalte stehen, weil das Land nicht handelt.
Deswegen ist heute ein finsterer Tag für die Kommunen, und ich wette, Herr Kollege Schrumpf, dass Sie Druck bekommen werden, auch hier von den Kommunen. Wenn Sie, die Koalitionsfraktionen, es nicht schaffen, zur dritten Lesung – und das ist das Mindeste, von dem ich ausgehe – 150 Millionen Euro bei der Integrationspauschale nachzusteuern – dann fehlen immer noch 750 Millionen Euro für die Kosten im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes –, dann ist das ein ziemlich klarer Offenbarungseid.
Aber hören Sie bitte auf, zu sagen, Sie würden Geld für die Integrationspauschale an die Kommunen weiterleiten. Denn das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine schlichte Lüge.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich will es sehr präzise ausdrücken, Frau Ministerin – das kann ich auch Sie fragen, Herr Kollege Höne –: Sind Sie beim Altschuldenfonds der Meinung, dass Nordrhein-Westfalen nur handeln soll, wenn der Bund aus dem Quark kommt?
Ich habe nämlich folgenden Eindruck: CDU und SPD tun immer so, als würde keiner von Ihnen beiden im Bund regieren. Sie regieren aber gemeinsam. Das ist Ihre gemeinsame Verantwortung. Wenn Herr Scholz das macht, ist es auch Frau Merkel. Sonst müsste Frau Merkel von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen.
Insofern ist das unangemessen, Frau Ministerin. Sie machen sich nicht zur Sachwalterin der NRW-Kommunen, sondern Sie machen parteipolitische Spielchen auf Kosten der Kommunen in Nordrhein-Westfalen, wenn Sie den Altschuldenfonds nicht endlich auf den Weg bringen. – Das war die erste Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Zweite ist – und das macht mich mittlerweile wirklich fuchsig –: Beim Flüchtlingsaufnahmegesetz enthalten Sie den Kommunen 750 Millionen Euro vor, weil Sie die Bearbeitung des Gutachtens in die Länge ziehen und nicht zum Abschluss kommen. Jetzt verstecken Sie sich auch noch hinter Minister Stamp. Auch da sind Sie nicht Sachwalterin der Kommunen.
Wenn CDU und FDP in drei Wochen diesen Haushalt so beschließen, haben Sie aus meiner Sicht in zwei Punkten Wahlversprechen wirklich gebrochen. Erstens. Sie haben nicht für die Weiterleitung der Integrationsmittel gesorgt. Zweitens. Sie lassen die Kommunen bei der Unterbringung der Geflüchteten im Regen stehen,
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sagt der, der nichts gegeben hat!)
obwohl das Land 2 Milliarden Euro weniger Ausgaben hat.
Herr Kollege Hovenjürgen, es ist ein Desaster, was Sie hier anrichten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagen die, die nichts gegeben haben!)