Mehrdad Mostofizadeh: „Die Coronakrise hat nicht nur die soziale Ungleichheit zwischen den reicheren und ärmeren Menschen verschärft, sondern sie verschärft noch einmal die Situation der Kommunen“

Zur Unterrichtung des Vorsitzenden des Haushalts- und Finanzausschusses

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich die Kollegin Düker entschuldigen, die sich auch mit den Folgen der Pandemie noch auseinandersetzen muss – in dem Fall persönlich.

Ich kann nicht beurteilen, ob es stimmt, was der Kollege Lehne vorhin zur Zusammenarbeit im Ausschuss gesagt hat. Allerdings war es schon beeindruckend, wie er stutzte, als er selbst las, dass er die gute Zusammenarbeit mit SPD und Grünen lobt.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Mich freut natürlich eine solche Einschätzung.

Ich möchte aber jetzt zur Faktenlage kommen. Denn der Vorsitzende hat einige Punkte ausgeführt, die wir uns auch noch mal zu Gemüte führen können. Der Finanzminister kann auch gerne darauf antworten, was er ja nur selten tut, weil er ja in der Regel eher auf sein eigenes Werk guckt, als die Vorschläge der Opposition entgegenzunehmen.

Ich möchte drei Punkte in den Mittelpunkt stellen:

Erstens ist die Frage: Wie effizient ist der Rettungsschirm? Wie früh sind die Vorlagen zur Beurteilung gekommen? Ich kann das insofern ganz gut beurteilen, als natürlich eine ganze Menge auch in dem Bereich Arbeit, Gesundheit, Soziales beschlossen worden ist und die Rückfragen zu den Vorlagen immer sehr kurzfristig waren. Da kann ich nur sagen, Herr Minister: Es ist schön und gut, dass in vielen Bereichen wichtige Investitionen getätigt worden sind. Nur inwieweit das ausreichend ist und inwieweit das zielgerichtet ist, konnte man in den ersten Monaten doch immer nur sehr schlecht beurteilen. Das ist ein bisschen besser geworden.

Aber ich möchte auf etwas anderes hinweisen. Wir haben Ermächtigungen – darauf hat der Vorsitzende ja hingewiesen – in einer beachtlichen Milliardengrößenordnung. Man hat schon den Eindruck: Das in manchen Bereichen überhaupt nicht abgerufen worden.

Ich habe mir den Innenbereich mal ein bisschen genauer angeguckt. Dazu gibt es von Ihnen die Vorlage 17/4881. Darin ist manches aufgeführt, von dem man denken könnte, das hat ganz viel mit Corona zu tun: anderthalb Millionen für Videokonferenzsysteme, mobiler Zugang zu polizeilichen IT-Anwendungen, Ertüchtigung der technischen Infrastruktur und, und, und. – Davon sind aber allenfalls 10 bis 20 % abgeflossen. Was hat das dann mit Corona zu tun, wenn Sie das im nächsten Jahr dann irgendwann mal abbauen?

Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist alles ein normaler Haushalt. Das hätten Sie normal vorbereiten und ganz normal abarbeiten müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das machen Sie nicht, und Sie gestehen dem Innenminister da aus meiner Sicht sachfremde Dinge zu.

Da geht es nicht darum, dass ich nicht dafür bin, ganz im Gegenteil. Wenn Sie als Finanzminister dem Innenminister abverlangen würden, jetzt mal eine Dreijahresplanung vorzulegen, wann er denn endlich mal IT-taugliche Strukturen aufbaut, wäre ich sehr dafür. Dann könnten wir das transparent beurteilen und vielleicht sogar noch Nachschüsse vorschlagen im Haushaltsverfahren. So sieht das doch einigermaßen nach Mitnahmeeffekten aus.

Ein zweiter Punkt. Wofür wurde das Geld ausgegeben? Rund die Hälfte – das hatten wir ja letztes Jahr schon hier im Landtag beraten – geht letztlich in den Ausgleich von Steuermindereinnahmen des Landes.

Heute Vormittag hat Herr Löttgen auch noch mal bemängelt, dass angeblich Herr Scholz auf der Bremse stehen würde, was die Gewerbesteuerkompensation anbetrifft.

Ich will Herrn Scholz nicht verteidigen – das liegt mir ganz fern; das ist nicht mein Punkt –, aber mein schlichter Vorschlag ist: Gehen Sie doch in Vorleistung.

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD])

Nehmen Sie die Hälfte, nämlich die 1,3 Milliarden Euro Gewerbesteuerkompensation, die es letztes Jahr gegeben hat, schreiben Sie die in Ihren Haushalt rein, und geben sie sie den Kommunen. Dann wären wir doch schon mal einen Schritt weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Auch die Kompensation beim Steuerverbund, immerhin über 900 Millionen Euro, auch wieder schlicht als Kredit. Ich meine, das können die Kommunen auch selber, Liquidität aufnehmen und sich durch die NRW.BANK absichern lassen. Dafür brauchen wir keinen Finanzminister und auch keine Kommunalministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist, finde ich, fast schon Rosstäuscherei. Da wird so getan, als wenn den Kommunen geholfen wird, aber die Hausaufgaben werden vom Land nicht erledigt. Das müssen wir als Grüne sehr klar kritisieren an der Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN und Martin Börschel [SPD])

Weil wir schon mal dabei sind: Dieser Rettungsschirm hat ja eine wesentliche Begründung gehabt, nämlich die Ausfälle zu kompensieren. Das ist ja auch eben betont worden: Wir müssen aus der Krise ja auch herauskommen und dafür in wichtige Bereiche investieren, Pläne nach vorne machen. – Da wäre es natürlich klug, in Teile von dem, was Herr Zimkeit gesagt hat, aber auch in Klimaschutz und in den Aufbau und ein Wiedererstarken der Wirtschaft zu investieren. Davon sind nur sehr überschaubare Projekte zu sehen.

Unser Vorschlag, ein Klimaschutzförderprogramm aufzulegen, wurde von CDU und FDP abgelehnt.

Und Ihre Hausaufgaben von früher liegen immer noch rum. Der Altschuldenfonds, der mittlerweile vier Jahre in dem Programm drinsteht, ist nicht abgehandelt worden, und – wie wir jetzt im Haushaltsplan, zumindest laut Pressemitteilung, auch sehen können – es ist auch nichts für das nächste Jahr vorgesehen.

Ich stelle fest: Die Coronakrise hat nicht nur die soziale Ungleichheit zwischen den reicheren und ärmeren Menschen in Nordrhein-Westfalen verschärft, sondern sie verschärft noch einmal die Situation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Das alles ist ein schlechtes Fazit, das wir aufgrund dieses Zwischenberichtes, für den ich mich ausdrücklich bedanken möchte, hier an dieser Stelle ziehen müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Martin Börschel [SPD])

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