Mehrdad Mostofizadeh: „Deswegen müssen wir das Setting ambulant ausgestalten, anstatt in weitere Pflegeheime zu investieren“

Entwurf der Landesregierung zum Wohn- und TeilhabegesetzAntrag der GRÜNEN im Landtag zu Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Schneider, ich glaube, Sie versprechen sich mehr von dem Gesetz als Sie überhaupt regeln dürfen. Wenn Sie wirklich glauben, dass Sie mit dem WTG die bundesrechtliche Bestimmung „ambulant vor stationär“ bzw. das Sozialgesetzbuch aushebeln können, dann sind Sie auf dem Holzweg.
(Beifall von der SPD)
Aber es macht deutlich, mit welcher Vehemenz die FDP-Fraktion diese falsche Weichenstellung hier in Nordrhein-Westfalen einfordern will. Ich kann Ihnen nur folgende Zahlen auf den Tisch legen: Wir haben im Moment 640.000 Menschen, die pflegebedürftig sind, und wenn die Prognosen eintreffen, sind es 2050 rund 50 % mehr. Wo sollen die Pflegerinnen und Pfleger herkommen, die in den Altenheimen arbeiten und diese Pflegebedürftigen betreuen?
(Beifall von der SPD)
Das ist doch eine völlig irrsinnige Ausrichtung, die Sie hier auf den Tisch legen. Wir haben jetzt schon zu wenig Pflegerinnen und Pfleger, um die Menschen in den Pflegeheimen so behandeln und pflegen zu können, wie es eigentlich der Fall sein sollte.
Und es kommt noch ein ganz wichtiger Punkt hinzu: Die meisten Menschen wollen in ihrer häuslichen Umgebung wohnen bleiben. Deswegen müssen wir das Setting ambulant ausgestalten, anstatt in weitere Pflegeheime zu investieren.
Ich verstehe überhaupt nicht, wie man da einen Dissens haben kann. Da müssen andere Interessen – Konzerninteressen oder so etwas – eine Rolle spielen. Das ist gegen die Interessen der allermeisten Menschen hier in Nordrhein-Westfalen. Es ist ganz klar völlig falsch, was Sie hier regeln wollen.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Ich möchte die anderen Punkte, die im WTG geregelt werden, kurz ansprechen. Um die Uhrzeit mache ich mir keine großen Hoffnungen, dass noch allzu viel durchsickert. Aber dieser Punkt ist schon sehr wichtig: Sie machen sich lustig über das Thema „Raucherzimmer“. An Ihrem Beispiel wird deutlich, dass Sie es nicht verstanden haben. Es geht darum, dass die Pflegerinnen und Pfleger möglicherweise für längere Zeit in diese Raucherzimmer hinein müssen, weil der Pflegebedürftige nicht ohne Aufsicht dort bleiben kann.
(Regina Kopp-Herr [SPD]: Ja, genau!)
Das widerspricht dem Nichtraucherschutz. Es ist auch ein Widerspruch zum Nichtraucherschutzgesetz, Herr Minister Laumann.
 (Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Quatsch!)
Überlassen Sie doch den Pflegeheimen – im Sinne der Entfesselung – die Verantwortung, wie sie dafür sorgen, dass alte Menschen rauchen können, etwa auf der Terrasse oder dem Balkon, ohne andere zu belästigen. Machen Sie doch nicht so einen Popanz daraus. Die Raucherzimmer werden zu Mehrkosten und zu mehr Bürokratie führen und zum Gegenteil dessen, was Sie vorgeben, regeln zu wollen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Bezüglich der anderen Punkte will ich mich im Wesentlichen dem anschließen, was Kollegin Altenkamp vorgetragen hat. Es ist falsch, wie Sie die Regelung zur Pflegedienstleitung ausgestalten wollen. Es ist eine falsche Konstruktion. Das ist in der Sachverständigenanhörung sehr nachvollziehbar dargelegt worden. Sie wollen aber nicht darauf hören. Wir haben den Änderungsantrag eingebracht, und Sie lehnen das einfach ab.
Zur Transparenz bei den Heimkosten: Der Minister ist von unserer Fraktion gefragt worden, wie die Heimkosten in Nordrhein-Westfalen aussehen. Ich glaube, der Abteilungsleiter Herrmann hat sich mit der Vorlage, die der Minister gezeichnet hat, sehr viel Mühe gegeben. Aber der Minister hat gesagt, dass er nacharbeiten wolle, da ihm nicht klar sei, warum man in Nordrhein-Westfalen so viel teurer sei als anderswo. Da frage ich mich schon, wie die Kollegen Schneider auf die Idee kommt, alles sei transparent.
Ich jedenfalls will dafür kämpfen, dass der wesentliche Grund dafür, dass die Heime in Nordrhein-Westfalen möglicherweise teurer sind, die dort Beschäftigten gut bezahlten Arbeitskräfte sind und dass das auch sehr klar gesagt wird.
(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Das ist aber nicht alles!)
Außerdem müssen wir sehr genau wissen, warum möglicherweise der eine oder andere Kosten abrechnet, die nicht unbedingt auf die Zahlungspflichtigen abgewälzt werden können. Eines ist klar: Wir müssen jetzt – und auch keine Bundesregierung wird daran vorbeikommen können – die Frage der Gerechtigkeit von Pflege für die Zukunft regeln.
Die Frage der derzeitigen Pflegeheimkosten und der Kosten, die im Alter entstehen, muss entweder solidarisch und fair auf Bundesebene geklärt werden, oder es wird zu einer großen Ungerechtigkeit zwischen den Pflegebedürftigen kommen. Die einen können sich für 3.000, 4.000 oder 5.000 Euro selbst aus der Patsche helfen, und die anderen sind Taschengeldempfänger oder müssen in ihren häuslichen Umgebungen ohne vernünftige Pflege weiterleben. Das können wir nicht wollen. Deswegen brauchen wir Transparenz und eine zukunftsfähige Finanzierung.
Herr Minister, zum Teil haben wir dem, was sie hinsichtlich des WTG gemacht haben, zugestimmt. Aber am Ende des Tages, mit dieser FDP an Ihrer Seite, kann ich Ihnen nur sagen: Viel Vergnügen dabei, das durchzusetzen, was sie vorgeben, durchsetzen zu wollen – eine gute Pflege in den Quartieren und vor Ort. Das wird nämlich nicht gelingen.
Mir wird auch klar, warum das eine oder andere Förderprogramm mittlerweile draufgeht. Das, was in Nordrhein-Westfalen eigentlich Konsens war – eine hohe Qualität, eine konsequent durchgesetzte Einzelzimmerquote, kleine Heime mit maximal 80 Plätzen –, kann angesichts
dessen, was Frau Schneider gesagt hat, möglicherweise kein Grundkonsens mehr sein. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Mehr zum Thema

Soziales