Mehrdad Mostofizadeh: „Der Altschuldenfonds hat mit der Coronakrise nichts, aber auch gar nichts zu tun“

Anträge der Fraktionen von SPD, CDU und FDP zur Kommunalpolitik

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer beeindruckt, welche Pirouetten die Regierungsfraktionen drehen und wie sie sich wenden, um ihre Untätigkeit begründen zu können.
Ich möchte die unterschiedlichen Sachverhalte einmal aufdröseln. Der Kollege Höne stellt darauf ab, dass man den Altschuldenfonds jetzt nicht angehen und auch keine weiteren Schritte unternehmen könnte, weil man die Steuerschätzung abwarten und sich zunächst einmal die finanzielle Situation ansehen müsse. Eine ähnliche Argumentation – so habe ich mir erzählen lassen –, weswegen die Landesregierung jetzt nicht handeln kann, gab es letzte Woche auch im Kommunalausschuss. Wahrscheinlich sind es im Herbst dann die Herbststürme und im Winter die ausgefallenen Weihnachtsmärkte, die uns vom Handeln abhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will sehr, sehr deutlich sagen: Der Altschuldenfonds hat mit der Coronakrise nichts, aber auch gar nichts zu tun;
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
mit einer Einschränkung – da stimme ich dem Kollegen Körfges zu –: Sie kommt natürlich verschärfend dazu. Dadurch, dass nicht gehandelt worden ist, kommt dieses Problem obendrauf, und das ist einzig und allein die Schuld von SPD … – äh, ich meine natürlich CDU und FDP hier im Landtag, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Lachen von der CDU und der FDP)
– Ja; freuen Sie sich mal schön. Sie können ja ein bisschen Kasperletheater machen.
Weil eben der Vorwurf kam, was wir denn mit Blick auf die Altschulden gemacht hätten: Rot-Grün hat zwischen 2010 und 2017 einen Stärkungspakt aufgelegt mit 4,5 Milliarden Euro Landesgeld, das an die Kommunen als zusätzliches Geld ausgezahlt worden ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dann fahre ich unmittelbar mit unserem Vorschlag fort. Wir wollen, dass Sie genau das weiterführen. Sie sollen dieses Geld aus dem Landeshaushalt, das ab 2021 zu 100 % frei wird, nehmen, ungefähr 10 % drauflegen und die Sowieso-Kosten der Kommunen damit verschmelzen – und aus unserer Sicht noch einen Hilfsfonds für Kommunen, die besonders belastet sind, einrichten –, und das Geld würde ausreichen, um den Altschuldenfonds aufzulegen und nach 30 Jahren mit Landesgeld die Abzinsung zu machen. Das ist unser Vorschlag. Sie drücken sich, Sie wollen nicht, Sie wollen Geld wild ins Land verteilen und nicht die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse herstellen. Das werfe ich Ihnen sehr eindeutig vor.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Stichwort Kommunalwahlkampf: Da habe ich ein bisschen Erfahrung. – Wir haben den Antrag nicht gestellt, weswegen Sie die SPD an der Stelle gemeint haben. – Was ist das anderes als das, was Sie hier machen? Sie haben kein Konzept, Sie verteilen an einigen Stellen Geld, wir wissen nicht, mit welcher Zielrichtung. Gleich werden Sie mit der Frage kommen: Ja, wollen Sie denn nicht, dass an dieser Stelle diese und jene davon profitieren?
Sie sollen ein Konzept vorlegen, das nachvollziehbar ist, das machbar ist – und es ist machbar, aber Sie wollen es nicht. Die FDP-Fraktion hat für sich sehr klar zum Ausdruck gebracht: Wir wollen keinen Altschuldenfonds, wir blockieren ihn an jeder Stelle, wir werden ihn auch weiter blockieren. Und deshalb werden wir das als Grüne – und ich nehme an, auch die Kollegen von den Sozialdemokraten – politisch immer wieder zum Thema machen. Corona hindert Sie nicht daran, sondern Ihre politische Verbohrtheit, dass Sie diesen Altschuldenfonds nicht umsetzen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Weil der Vorwurf von Kollege Déus auch noch einmal kam – Stichwort „Flüchtlingsaufnahmegesetz“ – und weil es mir wichtig ist: Diese Landesregierung – die Landesregierung hat wahrheitsgemäß geantwortet; ich habe es ja mehrfach nachrechnen lassen – hat in den Jahren 2018 und 2019 weit über 2 Milliarden Euro weniger Aufwendungen für die Unterbringung von Geflüchteten gehabt als wir 2016, und gleichzeitig sind die Kosten für die Kommunen jetzt gestiegen. Sie können doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Sie bei der Geflüchtetenunterbringung die Kommunen besser behandeln als Rot-Grün! Schämen Sie sich doch für so eine Aussage! Das ist eine absolute Verdrehung der Tatsachen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen – das wird Sie nicht wundern – werden wir den Einzelpunkten im Antrag der SPD-Fraktion hier und heute zustimmen.
Aber ich vermute, Sie sind froh, wenn die Debatte gleich vorbei ist, man noch zweieinhalb Wochen Wahlkampf machen kann und dann hofft, über die Zeit gekommen zu sein.
Aber eines kann ich Ihnen ziemlich sicher sagen: Unabhängig von der Frage des Trikots des jeweiligen Stadtoberhauptes in den verschiedenen Städten wird sich die Frage der Altschulden, die Frage des Flüchtlingsaufnahmegesetzes und die Frage der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Nordrhein-Westfalen weiterhin stellen, und dafür werden Sie Lösungen brauchen. Da wird der September eben nicht ausreichen, über die Zeit zu kommen, sondern Sie werden als Landesregierung Ihr Versprechen, Ihre klare Ansage einhalten müssen.
Der Bund hat geliefert. Die Kosten der Unterkunft – das sind hohe Entlastungen für Nordrhein-Westfalen – sind geliefert. Da wird nichts mehr kommen. Nordrhein-Westfalen muss handeln. Nach dem Saarland, nach Hessen muss Nordrhein-Westfalen als größtes Bundesland seine Kommunen gleichwertig aufstellen und hier letztlich einen Altschuldenfonds auf den Weg bringen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. Sie haben gesehen, auch bei Ihnen wurde eine Kurzintervention angemeldet, und zwar von Herrn Kollegen Höne, der sich bitte einloggen müsste. Das Mikro ist frei.
Henning Höne (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Herr Kollege Mostofizadeh, ich kann es in der Tat sehr kurz machen und auch in aller Ruhe. Ich weise nur auf eines hin: Ich mache alles mit in der Debatte und in der demokratischen Auseinandersetzung, nur an einem Punkt muss ich Sie korrigieren. Da würde ich herzlich darum bitten, dass wir insgesamt in der Fachdebatte und im Ausschuss ehrlich bleiben, auch ehrlich miteinander.
Nirgendwo können Sie Ihre Behauptung belegen, die FDP-Fraktion würde sich gegen eine Altschuldenlösung stemmen.
(Beifall von der FDP)
Nirgendwo können Sie belegen, dass wir uns davon verabschiedet hätten, im Gegenteil.
(Beifall von der FDP)
Wir stehen zu dem, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Darüber können wir herzlich gern debattieren. Wenn Sie daran teilnehmen möchten, tue ich das auch mit Ihnen herzlich gern. Wenn Sie sich allerdings darauf versteifen wollen, uns hier Unwahrheiten zu unterstellen, dann verabschieden Sie sich aus der Sachdebatte und nicht wir.
(Beifall von der FDP)
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was das mit Sachdarstellung zu tun hat, was Sie eben gemacht haben, entzieht sich meiner Kenntnis.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Für mich ist es eine politische Einschätzung.
Sie haben keinerlei Fakten geliefert, warum der Altschuldenfonds nicht zu machen ist. Sie liefern keine Basis. Wir haben Ihnen mehrfach Konzepte vorgelegt, das Gutachten von Professor Junkernheinrich, das Gutachten von Professor Busch, das Gutachten des Aktionskreises für die Würde der Städte. Alle gehen in die gleiche Richtung. Die Berechnungen gehen in die gleiche Richtung. Wir habe eine niedrige Zinslage. Wir haben eine massive Rezession. Durch Abwarten wird nichts besser, sondern es wird dramatisch schlechter.
Deswegen versteige ich mich erneut zu der Einschätzung, dass es offensichtlich keine inhaltlichen Argumente, sondern offensichtlich politisch-strategische Überlegungen sind,
(Henning Höne [FDP]: Das ist eine Politik der Unwahrheit!)
die die FDP und leider dann in der Konsequenz auch die CDU dazu bringt, diesen Altschuldenfonds nicht aufzulegen.
Immerhin hat Minister Stamp drei Zeilen darauf verwendet zu erklären, warum er erneut das Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht so ausgestalten kann, wie es seit zwei Jahren gutachterlich auf dem Tisch liegt.
Deswegen werfe ich Ihnen von der FDP vor, dass Sie politisch blockieren.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Wenn die CDU das mit sich machen lässt, müssen Sie das unter sich ausmachen. Oder Sie nehmen für sich in Kauf, dass Sie gemeinsam in der Koalition der Auffassung sind, dass ein Altschuldenfonds für Nordrhein-Westfalen nicht der richtige Weg ist. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Kommunales