Mehrdad Mostofizadeh: „Das Thema ist schlichtweg zu wichtig, als mit dem Finger auf andere zu zeigen“

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zum Thema "Klimagesundheit in NRW"

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

(Thorsten Klute [SPD]: Jetzt steigt die Temperatur!)

Frau Kapteinat, Sie haben es geschafft, überhaupt keinen Bezug mehr zur Großen Anfrage herzustellen. Herr Bakum ist ähnlich eingestiegen.

Sie fordern insgesamt Strategien gegen den Klimawandel und bieten als Schutzmaßnahme das kostenlose Verteilen von Sonnenmilch an. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Art von Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ich habe „Sonnenmilch“ nicht einmal in den Mund genommen, lieber Herr Kollege!)

– Das steht aber in Ihrer Pressemitteilung und ist vorhin noch einmal vorgetragen worden.

(Thorsten Klute [SPD]: Das mit der Sonnenmilch war der Kollege Schmitz!)

Das Gleiche gilt für das Thema „kostenloses Mittagessen“. Wenn Sie tatsächlich wollen, dass wir strategisch genau vorgehen, müssen Sie auch entscheiden, wie das finanziert wird. Da frage ich mich schon, warum vier Fünftel der Eltern, die sich das leisten können,

(Jochen Ott [SPD]: Der Ernährungsrat hat das aber vorgeschlagen! Komisch!)

mit einem kostenlosen Mittagessen beglückt werden und gleichzeitig viele Klimaschutzmaßnahmen dann aus Kostengründen nicht durchgeführt werden können. Sie müssen sich politisch entscheiden; das wollen Sie nicht.

Sie werfen der Landesregierung Dinge vor, die nicht funktionieren und schlichtweg nicht stimmen.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Sie halten also die Empfehlung des Ernährungsrates für falsch?)

Ein Beispiel hat die Kollegin Thoms eben schon ausgeführt. Auf der einen Seite sind Sie der Meinung, dass die 800 Millionen Euro für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen bei den Krankenhäusern herausgeschmissenes Geld sind, um auf der anderen Seite die achtfache Menge zu fordern. Sie sind in dem Thema einfach nicht glaubwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Christof Rasche: Das könnten wir jetzt testen, weil zwei Zwischenfragen aus den Reihen der SPD vorliegen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Dann nacheinander.

Vizepräsident Christof Rasche: Okay, dann legen wir los. – Kollege Bakum hat jetzt das Wort. Bitte sehr.

Rodion Bakum (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Mostofizadeh, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Ich möchte Sie fragen, ob Sie anerkennen, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung erst kürzlich ihre Empfehlungen aufgrund der Planetary Health Diet überarbeitet hat, sie also einen direkten Zusammenhang zwischen Ernährung und Klima sieht? Im Zusammenhang mit dem Mittagessen ist es also kein Entweder-oder, sondern beides. Erkennen Sie das an?

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank für die Frage. Selbstverständlich erkenne ich das an. Ich bestreite das auch überhaupt nicht.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Danke!)

– Ich antworte schon, was ich antworten möchte, Frau Kollegin Kapteinat, ja?

(Zuruf von der SPD: Oh! – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Vielleicht greifen Sie da nicht immer direkt dazwischen.

Die Antwort interessiert den Herrn Kollegen Bakum offensichtlich nicht, aber sie ist relativ präzise: Ja, wir müssen eine ganze Menge tun.

Kommen wir auf die Anfrage zurück. Ich will nur einen Aspekt herausgreifen, zum Beispiel was das Thema „Ernährung in Krankenhäusern“ betrifft. In Nordrhein-Westfalen haben wir ein Krankenhaus, nämlich das Universitätsklinikum in Essen, das sich sehr systematisch mit dieser Frage auseinandersetzt. Auch zu rot-grünen oder zu schwarzen Zeiten ist es nicht gelungen, diesen Ansatz flächendeckend in die Krankenhäuser zu bringen.

Anstatt ein Zitat zu bringen, wäre es doch viel klüger, eine Strategie an den Tag zu legen, solch eine Strategie flächendeckend in Deutschland, zum Beispiel unter der Ägide des hochgeschätzten Gesundheitsministers Karl Lauterbach, umzusetzen. Sie sollten nicht auf irgendjemanden zeigen oder grinsend überlegen, wie das geschehen kann, sondern einfach mal machen.

Das Thema ist schlichtweg zu wichtig, als mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern in Deutschland müssen Strategien umgesetzt werden. Die sind möglich, die sind anstrengend, und man muss sich für manche Dinge und gegen die Finanzierung anderer Dinge entscheiden. Das tun Sie gerade nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Christof Rasche: Jetzt kommen wir zu der zweiten Zwischenfrage, diesmal von der Kollegin Kapteinat. – Bitte sehr.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herzlichen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Sie haben das gerade so abgetan und gesagt, ein kostenloses Mittagessen für Schülerinnen und Schüler sei der falsche Weg. Das heißt, Sie stimmen der Empfehlung des Ernährungsrates nicht zu und sind der Meinung, Schülerinnen und Schüler sollten kein kostenfreies Mittagessen bekommen?

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Wer soll das denn bezahlen?)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Kollegin, wenn Sie mich so präzise fragen, sage ich frank und frei: Nein, ich stimme der Empfehlung in dieser Pauschalität zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu. Da bin ich ganz klar positioniert.

Ich meine, wir müssten zunächst einmal unsere Hausaufgaben machen, bevor wir sozialpolitische Punkte auswerfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich 80 % der Menschen leisten können, das Mittagessen selbst zu bezahlen, wobei wir immer überlegen müssen, ob wir in Ganztagsstrukturen gehen oder nicht. Das ist nicht die erste Aufgabe.

Die erste Aufgabe liegt darin – das haben Sie in Ihrem Wortbeitrag durchaus angekündigt –, in den Stadtteilen zu gucken, wo es nicht unbedingt am Geldbeutel liegt, sondern an den Kenntnissen über Ernährung, an dem Einüben von Ernährungsmaßnahmen, an dem Angebot von guter Ernährung.

Ich kann mich noch gut erinnern, dass die Stadtratsfraktion Essen damals, als es um die Veggiedays ging, als allererste Maßnahme gefordert hat, den Veggieday in Essen wieder abzuschaffen, weil sie meinte, dann Schenkelklopfer in der Bevölkerung zu bekommen. Ich finde es ja gut, dass Sie sich damit auseinandersetzen, aber das muss systematisch geschehen. Dabei ist das kostenlose Mittagessen für 100 % der Kinder nicht die Nummer eins, sondern die Nummer eins ist, eine Gesundheitsstrategie in diesen Institutionen zu verankern und die dann auch umzusetzen.

Wenn wir am Ende in der Lage sind, für alle Kinder ein kostenloses Mittagessen anzubieten, werde ich mich nicht dagegen wehren. Ich sage nur klipp und klar: Wir können das mit geringerem Einsatz effizienter, schneller und zielgerichteter erreichen. Das ist ein Unterschied, den ich für mich in Anspruch nehme. Das unterscheidet uns von den Sozialdemokraten, was ja auch gut ist.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN )

Stichwort „Klimapolitik seitens der SPD“: Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie so wenig Bezug auf die Große Anfrage genommen haben. Darin sind zahlreiche Punkte, die man aufnehmen könnte, zum Beispiel die Frage nach der Stadtentwicklungspolitik. Hier musste Ihnen Nachhilfe gegeben werden, dass die nun mal in den Kommunen stattfindet. Das Land schlägt allerdings – das ist im Koalitionsvertrag verankert – Strategien vor, die umgesetzt werden können.

Ihre Strategie ist auch dort wieder: Das Land muss alles bezahlen. – Fortbildungsmaßnahmen zum Beispiel – das ist völlig klar – fallen nicht in unseren Kontext, sondern sind von der Kassenärztlichen Vereinigung und anderen zu tragen, auch von den Pflegekammern, die dafür zuständig sind. Das soll das Land dann machen, um scheinbare Fehlstellen aufzulösen.

Ich kann nur sagen: Herzlichen Dank an das MAGS für die Antworten. Das ist ein klarer Auftrag an die Koalition und alle anderen, die in diesem Zusammenhang arbeiten wollen.

Wer Klimagerechtigkeit, wer Klimagesundheit ins Zentrum der Politik stellen will, der sollte nicht anfangen, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern jetzt auf allen politischen Ebenen anpacken, um dieses zentrale Menschheitsthema nach vorne zu bringen. Dann kommen wir ein Stück weiter. Das wäre sachgerechte Politik. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)