Mehrdad Mostofizadeh: „Das ist keine seriöse Regierungsarbeit, sondern das ist pure Geschäftigkeit“

Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD zu Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Terhaag, Sie haben eben gesagt, die anonymisierte Bewerbung sei eine heilige Kuh der alten Regierung, und Sie wollten es besser machen. Jetzt sind Sie relativ kurz im Amt – das konzedieren wir auch –, aber nennen Sie doch wenigstens ein Instrument und sagen Sie, wie Sie es anders machen wollen und wie es besser gehen soll. Ich habe heute von Ihnen überhaupt nichts in der Richtung gehört.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zweiter Punkt: Da wird es jetzt schon ein bisschen ernster, und ich bitte Sie, sorgsam mit der Sprache und auch mit dem Sachverhalt umzugehen. Natürlich gibt es Diskriminierung auf dem Mietmarkt, und es gibt Diskriminierung bei der Auswahl von Personen für Führungspositionen oder für andere Stellen im öffentlichen Dienst. Das hat auch die CDU-Fraktion eindeutig konstatiert.
Wenn das so ist, sind wir uns, bis auf eine Fraktion, in diesem Haus einig, dass wir etwas dagegen tun müssen und dass das ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt ist, der zu ändern ist. Deswegen ist es auch richtig, heute hier über dieses Thema zu reden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Falsch finde ich allerdings, was die Staatssekretärin gemacht hat, nämlich ins Amt zu gehen, Geschäftigkeit vorzutäuschen und in ihrem ersten Interview zu sagen: Die anonymisierte Bewerbung hat nicht funktioniert, deswegen schaffen wir sie ab, aber wir wissen nicht, was wir tun sollen. – Das ist keine seriöse Regierungsarbeit, sondern das ist pure Geschäftigkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Um einmal ein paar Argumente zurechtzurücken: Es geht nicht um Quoten. Niemand hat mit der anonymisierten Bewerbung Quoten verbunden. Es ist ein Instrument, um bestimmte Ziele zu erreichen. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, hier wird nicht seriös gearbeitet, und das finde ich bei diesem sehr sensiblen Thema nicht in Ordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, zum Beispiel gezielt Werbung zu machen und in die Communities zu gehen. Bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen ist das geschehen. Man ist konkret auf die Bevölkerung zugegangen und hat Migranten, insbesondere türkischstämmige, angesprochen. Deswegen ist die Quote in diesem Bereich auch gestiegen. Das ist gut. Das ist ein weiteres Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Das stellen wir gar nicht in Abrede. Der Kollege von der CDU ist noch nicht einmal darauf eingegangen. Dabei wäre das ein sehr sinnvolles Instrument, das sehr gut neben der anonymisierten Bewerbung stehen kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es gibt auch sehr gute Beispiele. Jetzt so zu tun, als ob das völlig erfolglos gewesen wäre, kann ich überhaupt nicht akzeptieren.
Ich möchte Ihnen zwei Hinweise geben: Es gibt Untersuchungen, die in Schulen gemacht worden sind. Das hat mit der Frage von Geschlecht und Herkunft überhaupt nichts zu tun. Klassenarbeiten wurden versuchsweise bewertet, ohne den Namen des Schülers zu kennen – der wurde separat abgegeben. Das führte in vielen Fällen dazu, dass Schülerinnen und Schüler, die früher schlechtere Noten hatten, besser bewertet worden sind; denn sie waren nicht bereits durch mögliche „Karrieren“ in anderen Schulfächern stigmatisiert. Wir sind alle nur Menschen. Deswegen ist es doch nachvollziehbar, die Ergebnisse dieses Instruments auszuwerten und es weiter zu ausprobieren, um das wichtige Ziel zu erreichen. Das ist das erste Beispiel.
Zweites Beispiel: Es gibt erfolgreiche Orchester, die das Vorspielen mittlerweile hinter einem Vorhang stattfinden lassen. Das hat vielfach dazu geführt, dass für Instrumente, für die klassischerweise Männer genommen worden waren, Frauen genommen worden sind. Und umgekehrt sind in den Rollen, in die klassischerweise Frauen gepackt worden sind, nun Männer zum Zuge gekommen.
Das sind Hinweise, die uns deutlich machen, dass es doch etwas mit der Person zu tun haben kann – mit Eigenschaften, die zugeschrieben werden, also mit Vorurteilen, die wir ausschließen können.
Wenn es bessere Instrumente gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir gern darüber reden. Aber das Kind mit dem Bade auszuschütten, halten wir für völlig falsch. Das Instrument und den Vorgang zu leugnen, ist völlig abstrus. Deswegen müssen wir uns mit dem Thema weiter beschäftigen. Wir müssen an dem Instrument weiter arbeiten, und ich hoffe, dass die Staatssekretärin bei diesem Thema zur Seriosität zurückkehrt. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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