Mehrdad Mostofizadeh: „Das Hauptziel muss es sein, Kinder und Jugendliche zu schützen“

Zum Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP für Änderungen am Heilberufsgesetz - erste Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch die grüne Fraktion begrüßt, dass es eine entsprechende Initiative gibt. Andererseits möchte ich an dieser Stelle schon auf die Schwierigkeiten der vermeintlich ach so leichten Klarstellung hinweisen.

Zum einen gab es schon Versuche auf Bundesebene, rechtfertigende Notstände nach § 34 des Strafgesetzbuchs darzustellen. Zum anderen findet sich in Ihrem Gesetzentwurf das Stichwort „Vernachlässigung“. Das juristisch enger zu fassen, bedarf meiner Ansicht nach einer gewissen Diskussion in den Ausschüssen.

Ich möchte zwei Dinge vorwegnehmen, die die Kollegin Schulze Föcking vorhin benannt hat:

Bei allem Schlimmen, was wir uns vorstellen können, was Kindern durch Vernachlässigung, durch direkte und sexualisierte Gewalt passieren kann, ist es sehr wichtig, zu wissen, dass Opfer sehr häufig leider auch zu Tätern werden. Etwa ein Drittel der betroffenen Kinder wird allein durch die Gewöhnung oder durch die Überschreitung der Grenzen im Erwachsenenalter, aber auch schon im Kinder‑ und Jugendalter zu Tätern. Das allein ist ein wichtiger Grund, und der Schutz der Kinder ist es sowieso.

Das Problem ist nur: Wir dürfen es nicht auf eine Gruppe verlagern. Denn der betreuende Arzt, die betreuende Ärztin stehen im Zwiespalt. Sie möchten sich an eine bestimmte Stelle wenden und sollen das auch tun können. Jede rechtliche Klarstellung ist gut.

Trotzdem müssen wir uns den Grenzen dessen, was wir heute machen, stellen. Es bezieht sich auf Nordrhein-Westfalen. Klug wäre eine bundesweite Lösung. Was nützt es, wenn wir etwa in Lügde in Niedersachsen eine andere Situation haben als in Nordrhein-Westfalen? Als Land können wir aber nicht mehr tun, als uns um das Land zu kümmern.

Noch wichtiger ist die Frage, inwieweit sich Ärztinnen und Ärzte an Jugendämter wenden können, inwieweit sich Eltern, die vielleicht merken, dass sie überfordert sind, an entsprechende Vertrauensstrukturen wenden können.

Das Ziel, das Sie beschreiben, ist unstreitig richtig. Ärztinnen und Ärzte brauchen die Möglichkeit, sich in Verdachtsfällen mit Kolleginnen und Kollegen austauschen, sich ans Jugendamt wenden oder Verdachtsfällen auch nachgehen zu können. Das Hauptziel muss es nämlich sein, Kinder und Jugendliche zu schützen und Ärztinnen und Ärzte sowie andere in Heilberufen tätige Menschen in die Lage zu versetzen, handlungsfähig zu sein.

Herr Kollege Hafke, Sie haben angesprochen, dass Sie seit zwölf Jahren im Landtag sind. Dass dieser Regierungsentwurf nach vier Jahren Regierungszeit kommt, zeigt doch, dass es keine banale Aufgabe ist, vor der wir stehen. Insofern möchte ich klarstellen: Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass wir vor sechs oder sieben Jahren sehr intensiv über das Thema gesprochen haben, mehrfach aber auch in der letzten Zeit. Diese Frage ist nicht mit Ja oder Nein zu beantworten.

Deswegen freue ich mich sehr auf die Diskussion in den Ausschüssen. Denn ich möchte schon ganz gerne von allen Seiten die Abwägung erfahren, wie stark eingegrenzt wird, wie klar die formulierten Rechtsbegriffe sind und wie viel näher wir dem Ziel kommen, Kinder zu schützen, die von Gewalt, von Vernachlässigung betroffen sind, die von sexualisierter Gewalt betroffen sein könnten; auch der Verdacht reicht ja aus.

Deshalb hoffe ich, dass wir in diesem Punkt einen Schritt weiterkommen. Ich hoffe, dass wir mehrere Klarstellungen in dem Zusammenhang bekommen. Ich gehe auch davon aus, dass wir von den Juristinnen und Juristen noch einige Hinweise bekommen. Daher freuen wir uns auf die Anhörung in den Ausschüssen. Wir freuen uns auch, dass wir hier einen Schritt weiterkommen.

Eines kann ich mir aber an der Stelle nicht verkneifen: Wenn es so klar ist, dass Kinder eigener Schutzrechte bedürfen, dann wundere ich mich schon ein bisschen über die Diskussion auf Bundesebene, weshalb es nicht möglich gewesen ist, Kinderrechte zum Beispiel ins Grundgesetz zu schreiben und nicht nur von Eltern abgeleitete Rechte, also einen eigenen Rechtsstatus für die Kinder an der Stelle einzubauen.

Trotz alledem freue ich mich, dass wir zu so später Stunde im Ziel, glaube ich, sehr einig sind. In den Ausschüssen werden wir noch einmal darüber diskutieren, wie wir den Gesetzentwurf so gut hinbekommen, dass er das Ziel möglichst bald erreichen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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