Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe echt gedacht, die SPD würde etwas Neues auf den Tisch legen. Die Einleitung las sich so: Sie machen eine neue Definition von Alter, einen neuen Umgang mit Alter, einen neuen Umgang mit Seniorinnen und Senioren, ein selbstbewusstes Bild von Seniorinnen und Senioren. – Das Erste, was als Diagnose bzw. als Therapie dann auf den Tisch gelegt wird, ist Pflege. Ein Zerrbild der Pflege von Nordrhein-Westfalen wird gezeichnet.
Ich will Ihnen einmal sagen, worüber wir tatsächlich reden. Was heißt denn „Seniorinnen und Senioren“? Wo fängt denn die ältere Generation an? Wenn Sie meine Kinder fragen, bin ich uralt. Olaf Scholz, Bundeskanzler dieser Republik, beispielsweise ist 63 Jahre alt. Er wäre schon adressiert. Denn bei den Seniorenzentren geht es um 60 plus.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
– Die dämlichen Äußerungen vom rechten Rand brauche ich nicht weiter zu kommentieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie müssen sich doch mal entscheiden, was für ein Bild Sie zeichnen. Ich kann nur dringend empfehlen, einmal hinzuschauen. Hier im Saal ist eine Reihe von Leuten, die über 60 sind. Sie schreiben eine Inhaltsangabe auf, wo ich sagen würde: Das sind die 60- bis 70-Jährigen. – Aber es gibt auch 93-Jährige, die in Rechenzentren gearbeitet haben und noch voller Tatendrang sind und arbeiten.
Ich kann mich Frau Oellers nur anschließen. Das Bild der Älteren ist bunt. Aber Sie sind nicht bereit, sich darauf einzulassen. Sie sind nicht bereit, die Differenzierung vorzunehmen.
Eines gestehe ich Ihnen zu: Da, wo Sie konkreter werden, sind es Geschichten, die in der Verantwortung der Kommunen liegen. Sie haben vorhin gesagt, da solle das Land mal ein bisschen Geld rüberschieben. Sie hätten hier zum Haushalt Anträge stellen können, die gedeckt sind und entsprechende Zukunftsaufgaben beschreiben. Das habe ich nicht erkennen können.
Ich kann nur sagen: Wir in Nordrhein-Westfalen sind in vielen Bereichen Vorreiter. Im Bereich der Pflege müssen wir uns nicht verstecken. Zu den Investitionskosten leisten wir die höchsten Beiträge. Im Bereich der Ausbildung ist Nordrhein-Westfalen bei den Flächenländern führend. Im Bereich der Quote der Pflege sind wir auch führend.
Aber es wäre tatsächlich spannend – vielleicht machen wir das ja im Ausschuss, Kollege Klute –, mal darüber zu diskutieren, was denn unser Bild von den Menschen ist, die 60 plus sind.
Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Her Mostofizadeh, ich unterbreche kurz, weil es eine Zwischenfrage von Herrn Klute gibt. Möchten Sie sie gestatten?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja, wenn er kein Korreferat hält.
Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Eine Zwischenfrage ist selbstverständlich eine Zwischenfrage.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön.
Thorsten Klute (SPD): Vielen Dank, lieber, geschätzter Kollege Mostofizadeh. – Da Sie vielleicht nicht jeden einzelnen Punkt des Antrags ausführlich gelesen haben – darauf deutet jedenfalls das hin, was Sie gerade sagen –, möchte ich Sie fragen, wie Sie denn folgenden Punkt sehen:
„Die Landesregierung soll unter Berücksichtigung der Konnexität ein Gutachten zur Stärkung der kommunalen Seniorenarbeit im Alten- und Pflegegesetz NRW in Auftrag geben.“
Wie sehen Sie das?
Sie hatten das gerade falsch dargestellt. Sie hatten einfach gesagt, es solle ein bisschen Geld rübergeschoben werden. Inhalt des Antrags ist also: Es soll ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, um in die Diskussion einzusteigen. – Wie sehen Sie das? So haben Sie die Chance, diesmal sachgerecht Stellung zu nehmen.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Klute, eigentlich wollte ich Ihnen das Filetieren Ihres Sammelsuriums an teilweise vertretbaren, teilweise merkwürdigen Forderungen ersparen. Was soll denn das Gutachten beinhalten? Geben Sie doch mal eine Stoßrichtung vor. Geben Sie doch mal die Idee vor, was analysiert werden soll. Sagen Sie etwas dazu. Das habe ich eben versucht, Ihnen deutlich zu machen.
Sie müssen doch analysieren: Dieses Bild haben wir vom Alter. Das ist Mehrdad Mostofizadeh, der in vier Jahren 60 Jahre alt ist, …
(Thorsten Klute [SPD]: Ein Gutachten ist für Sie also nur gut, wenn Sie das Ergebnis vorgeben?)
– Wollen Sie jetzt antworten oder ich?
(Thorsten Klute [SPD]: Ja, ich antworte!)
… der sich vorgenommen hat, dann durch die Welt zu reisen, Bibliotheken zu besuchen, viele Dinge zu machen, der sich vielleicht vergleichen muss mit jemandem, der auf dem Lande leben möchte, seine Ruhe haben möchte, Tiere um sich haben möchte, oder mit Leuten, die pflegebedürftig sind, wofür niemand etwas kann, und, und, und.
(Thorsten Klute [SPD]: Ich denke, Pflege solle damit gar nichts zu tun haben!)
Das Bild ist sehr bunt. Das ist das, was ich Ihnen vorhin ins Stammbuch zu schreiben versucht habe. Machen Sie sich doch einfach mal die Mühe, die Punkte zu analysieren. Dann können wir immer noch darüber reden, was wir vorne machen müssen.
Gutachten ersetzen keine gute Politik. Gutachten ersetzen auch nicht die fehlende Analyse der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Land.
(Vereinzelt Beifall von der CDU)
Ich will es angesichts der fortgeschrittenen Debatte – heute Morgen hatten wir ja eine spannende Auseinandersetzung über den Haushalt – jetzt relativ kurz machen. Ich wäre gern bereit, über verschiedene Punkte ernsthaft mit Ihnen zu streiten, mich auseinanderzusetzen und nachzudenken.
(Thorsten Klute [SPD]: Das ist gut!)
Dann müssten Sie aber erstmalig in dieser Legislaturperiode ein Angebot machen, worüber es sich auseinanderzusetzen lohnt. Zum 17. Mal die GemeindeschwesterPlus aus Rheinland-Pfalz auf den Tisch zu bringen, ist nicht nur langsam langweilig, sondern einfach dämlich, weil es zu nichts führt.
Sie sind nicht bereit, sich über die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen auseinanderzusetzen. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich denke, wo Entwicklungsbedarf besteht: bei der Frage der Inklusion im Nahverkehr, bei der Frage der Verknüpfung der Kommunalpolitik, bei der Frage, wenn Sie schon den Landesförderplan „Alter und Pflege“ ansprechen, nicht Institute aufrechtzuerhalten, die sowieso nicht mehr zu erhalten sind, sondern Konzepte zu entwickeln, die nach vorne gerichtet sind.
Das sind Punkte, zu denen wir uns auch in der Koalition darüber unterhalten, wie es weitergehen soll. Schreiben Sie doch mal so etwas auf und bringen hier nicht ein Sammelsurium an Punkten, die nicht nach vorne führen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Die Menschen, die Sie dort ansprechen, die Sie immer nur mit Pflege beglücken wollen, sind Trainer im Fußballverein, sind Vorsitzende von Heimatvereinen,
(Beifall von Britta Oellers [CDU])
sind Abgeordnete im Landtag und im Deutschen Bundestag, sind Ratsmitglieder in den Ratsfraktionen. Da haben wir möglicherweise sogar einen Überhang an Menschen dieser Altersgruppe.
Gemeinsam trägt sie – und das ist in Nordrhein-Westfalen die ganz große Besonderheit –: Sie sind vielfältig, sie sind unterschiedlich, und sie sind meistens solidarisch. Darauf ließe sich sehr wohl ein sehr gutes Konzept aufbauen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)