Mehrdad Mostofizadeh: „Dann kommen wir wirklich in der Pflege ein Stück weiter“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu selbstbestimmtem Leben im Alter

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu GemeindeschwesterPlus lesen wir jetzt, ich glaube, zum 17. Mal etwas. Nein, es ist zum 7. Mal. Ich übertreibe selbstverständlich. Wir lesen also nur zum 7. Mal in Antragsform etwas dazu.

(Kirsten Stich [SPD]: Es ist ja auch gut! – Rodion Bakum [SPD]: Wann machen Sie es denn? – Thorsten Klute [SPD]: Pädagogisch sinnvoll wiederholt!)

Die letzte Anhörung dazu hat vor ein paar Monaten, nein, am 8. Mai, stattgefunden. Insofern: herzlichen Glückwunsch zu dem Dauerwiederkehrer.

Herr Kollege Klute, die Analyse in den ersten dreieinhalb Minuten Ihrer Rede stimmt. Was sollen wir da bestreiten? Die Zahlen sind nicht von der Hand zu weisen. Deswegen kann ich uns insgesamt auch nur eine hohe Ernsthaftigkeit bei dem Thema zumessen.

Vor zwei Wochen haben wir einen Vortrag von einem klugen Bildungswissenschaftler gehört. Er hat uns darauf hingewiesen, dass im Moment auf eine Geburt zwei 60-Jährige kommen und sich das eher zuspitzt. Das ist nicht zu bestreiten.

Dass wir – das heißt: alle; die öffentliche Hand und auch die Privaten – uns damit auseinandersetzen müssen, dass nicht alle Häuser und Wohnungen so behindertengerecht sind, dass man immer darin wohnen kann, ist richtig. Nicht richtig ist allerdings, das einzig und allein beim Pflegeminister abzuladen. Vielmehr bedarf es einer Gesamtstrategie des Staates. Die Kommunen können noch eine ganze Menge tun. Sie können in ihrem kommunalen Umfeld eine Menge tun, indem sie den öffentlichen Nahverkehr, das Wohnumfeld und viele andere Dinge barrierearm oder barrierefrei gestalten und indem eine kommunale Strategie der Prävention und viele andere Dinge gemacht werden.

Das ist – bevor ich weiter ausführe – auch so ein bisschen das Problem an Ihrem Antrag. Sie sprechen ganz viele Punkte an, fokussieren sich aber nicht auf eine Lösung. Über den konkreten Punkt der ambulanten Dienste kann man ja vielleicht mal sprechen, dann muss man allerdings auch mal über den Gesamtkontext der Finanzierung reden. Aber das löst natürlich die Probleme nicht mal im Ansatz. Die Finanzierungsprobleme in der stationären, aber auch in der ambulanten Pflege liegen natürlich in wesentlichen Teilen auf Bundesebene. Eine Pflegeversicherung, die dazu führt, dass normale Rentnerinnen und Rentner im Regelfall zu Transferleistungsempfängerinnen und -empfängern werden, ist eben ausbaufähig. Da müssen wir nicht drumherum reden.

Was die Wohnraumförderung anbetrifft, muss ich allerdings sagen, dass Ihnen, glaube ich, eine falsche Information vorliegt. In Nordrhein-Westfalen ist es bei der Neubauförderung Grundstandard, barrierefrei zu bauen. Sonst kriegt man gar keine Zuschüsse.

(Thorsten Klute [SPD]: Es gibt auch keine Wohnungen!)

Das ist Grundvoraussetzung.

Das Problem stellt sich natürlich im Bestand. Daran müssen wir arbeiten. Das ist auch klar. Da reden wir über Geld. Wenn Sie Vorschläge für die Gegenfinanzierung haben, sind wir die ersten, die Sie da unterstützen.

Ich will noch zwei, drei andere Gedanken bringen.

Stichwort: „GemeindeschwesterPlus“. Ich will jetzt gar nicht den Berufsstreit über Community Health oder nicht führen. Es ist aber ein wirklich zentrales Anliegen grüner Politik, die Quartiersförderung, die Nachbarschaftshilfe und die Netzwerkstrategie vor Ort zu stärken. Es wird da jetzt durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst sehr klare Neustrukturierungen geben. Herr Laumann hat bereits entsprechende Punkte vorgelegt. Im Koalitionsvertrag sind entsprechende Punkte enthalten. Natürlich ist auch das nur ein Baustein in dem ganzen Kontext.

Insofern kann ich nur sagen: Ich kann mit Ihrem Antrag wirklich nur sehr bedingt etwas anfangen.

(Thorsten Klute [SPD]: Das beruhigt mich!)

Der Problemaufriss an dem einen oder anderen Punkt ist nicht ganz richtig, aber da sind wir uns ziemlich schnell einig.

Das gilt auch für die Beschreibung, was die Alterskohorten anbetrifft.

Immer dann, wenn es teuer wird, ist Ihre Grundstrategie, zu sagen, das Land solle die Investitionskosten komplett übernehmen. Dann brauchen wir in Nordrhein-Westfalen keine Politik mehr zu machen. Das sind hohe dreistellige Millionenbeträge, die dann auf das Land zukommen, ohne dass auch nur ein Millimeter Verbesserung in der Pflege passiert. Es werden ausschließlich die Pflegebedürftigen entlastet, was ein gutes Anliegen ist.

Der zweite Punkt ist:

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Der Kollege Klute hat den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Würden Sie die zulassen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Geht ja nicht anders.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Doch, es geht anders.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja, aber wir sind hier ja fair und freundlich miteinander.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Herr Klute.

Thorsten Klute (SPD): Lieber Kollege Mehrdad Mostofizadeh, herzlichen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage.

Ich möchte es ganz konkret auf den Punkt bringen. Ist es in Ihren Augen richtig, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Investitionskostenförderung für ambulante Pflegedienste – das hatte Frau Oellers eben nicht richtig verstanden –

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Entschuldigung!)

seit dem Jahr 1996 nicht mehr angepasst hat?

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Dann ist das so!)

Von – in Euro gerechnet – damals 2,15 Euro hat bis heute keine Erhöhung stattgefunden. Halten Sie das, Herr Mostofizadeh, für richtig?

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Ja!)

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Herr Kollege.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ich will mich gar nicht drumherum drücken: Da ich im Moment keine Gegenfinanzierung habe, ja. Ich halte das für richtig, denn sonst müsste ich sagen, woher ich die Gegenfinanzierung aus dem Haushalt hole.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: So ist es!)

Ich finde auch die Toiletten in manchen Schulen nicht in Ordnung, aber da muss man sagen, wie es geht, und nicht nur ein kleines Segment aus dem Puzzle herausholen und fragen: Ist das jetzt die Lösung des Problems? Das ist es im Übrigen nicht. Selbst wenn man jetzt die Investitionsförderung anheben würden, hätten wir keinen zusätzlichen Tagespflegeplatz, hätten wir nicht dafür gesorgt, dass die Tausenden von zusätzlichen Pflegepädagoginnen und Pädagogen, die wir brauchen, ausgebildet werden, hätten wir nicht dafür gesorgt, dass die Kostenbelastung der jüngeren Menschen, die sie mitfinanzieren müssen, irgendwie gedeckelt ist.

Deswegen sind das Scheinlösungen, die Sie da suggerieren. Natürlich muss man über jeden einzelnen Sachverhalt sprechen. Man muss auch darüber reden, wie wir es im Koalitionsvertrag formuliert haben, wie viele Menschen mindestens in der Nachtpflege da sein müssen. Das sind alles schwierige Punkte.

Ich behaupte nicht, dass wir hier alles gelöst hätten, aber dieser Antrag ist ein Sammelsurium, der nicht dazu beiträgt, die Probleme in der Pflege auch nur ansatzweise zu lösen.

Deswegen meine Bitte: Lassen Sie uns – wir werden ja vermutlich im Ausschuss darüber auch noch mal reden – mal fokussieren, wo wir richtig nach vorne kommen: beim Thema „verbindliche Pflegeplanung“, beim Thema „Öffentlicher Gesundheitsdienst“, bei der Partnerschaft mit den Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, dann kommen wir wirklich in der Pflege ein Stück weiter.

Was den Dauerkalauer mit der GemeindeschwesterPlus angeht: Vielleicht nehmen Sie mal einen anderen Titel oder gucken mal ein bisschen mehr ins Konzept. Dann wäre es vielleicht interessanter. Aber zum fünften Mal das Gleiche abzufragen, ist eher ermüdend.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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