Mehrdad Mostofizadeh: „Da sollten wir Seit‘ an Seit‘ stehen und nicht solche Rückzugsgefechte ausfechten“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu HIV-Selbsttests

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann alles unterstreichen, was Kollege Yüksel eben gesagt hat. Wir werden dem Antrag am Ende zustimmen, weil nichts dagegen spricht, diese 1.000 Tests für 20.000 Euro auch zu verteilen.
Ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, auf vier, fünf Themen einzugehen, die noch nicht angesprochen worden sind. Es gibt Unterschiede, was die Infektionsraten anbetrifft, und Zuspitzungen, die wir beleuchten sollten.
Erstens stellt sich die Frage der männlichen Stricher. Dort gibt es schon eine extreme Zunahme von sexuell übertragbaren Krankheiten. Dort muss Präventionsarbeit, aufsuchende Arbeit stattfinden. Da machen die Aidshilfen eine Menge, deswegen muss die zielgruppenspezifische Arbeit deutlich besser finanziell ausgestattet werden. Das wäre ein klarer, richtungsweisender Schritt, die Aidshilfen besser auszustatten. Das wäre ein konkreter Vorschlag, den wir auch bei den Haushaltsberatungen gemacht haben. Den haben Sie leider abgelehnt. Das finde ich sehr bedauerlich.
Zweitens: das Thema Hepatitis C. Die Punkte sind eben genannt worden. Bei Hepatitis A und B sind Impfkampagnen notwendig, dafür setzt sich ja Frau Schneider eigentlich immer ein. Auch dort müsste deutlich mehr investiert werden.
Ein weiterer Punkt ist, dass Sie eben gesagt haben, von Rheda-Wiedenbrück würde niemand nach Bochum fahren. Wenn ich mir die Berichte vom Neujahrsempfang der AIDS-Hilfe noch einmal in Erinnerung rufe, ist es schon so, dass viele darüber klagen, dass flächendeckend eben nicht entsprechende Schwerpunktpraxen zur Verfügung stehen. Es wäre schon notwendig, mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst und der aufsuchenden Arbeit dafür zu sorgen, dass flächendeckend solche Arztpraxen zur Verfügung stehen. Möglicherweise gehen doch Leute von Rheda-Wiedenbrück nach Bochum, um entsprechend betreut zu werden. Das wäre ein wichtiger Punkt, wo das Ministerium vermittelnd, aufsuchend und moderierend tätig werden kann. Denn was wir bei der Landarzt-Thematik haben, haben wir auch beim Thema Aids, HIV und sexuell übertragbare Krankheiten in ganz besonderer Weise. Denn diese Betreuung bieten nur bestimmte Ärztinnen und Ärzte an.
Ich will Sie nicht überstrapazieren, das ist ja eine der letzten Reden vor dem Wochenende. Aber das Thema HIV und sexuell übertragbare Krankheiten ist ein wichtiges. Wir sollten es systematisch und umfassend diskutieren. Deswegen finde ich es schade, auch angesichts des morgigen Welt-Aids-Tages, dass es mit 1.000 Schnelltests getan sein soll.
Trotzdem – diese Brücke will ich noch schlagen – können diese Tests selbst verständlich dazu beitragen, dass manche Menschen mehr zum Arzt gehen.
Was aber ganz dringend erforderlich ist – und da schauen Sie bitte vor Ort auch mal nach –: Wir reden über Menschen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen auf den Strich gehen, die in den Seitengassen der Städte ihrer Arbeit nachgehen.
Das sind Hauptthemen, die zu bearbeiten wären. Ich kann Sie nur aufrufen, das Thema insgesamt und umfassend zu betrachten. Das geht doch ein Stück weit über 1.000 Schnelltests hinaus. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe genauso viel Redezeit wie die anderen Kollegen auch. Ich weiß gar nicht, was die Aufregung soll.
Mich hat der Beitrag von Herrn Laumann – da geht es mir wie Herrn Yüksel – ein bisschen erstaunt, weil das hinter das zurückfällt, was CDU- und FDP-Fraktion hier vorgetragen haben.
Nach dem, was Sie gesagt haben, muss man sich fast schon wundern, warum diese Selbsttests jetzt hier verteilt werden sollen. Ich kann nur sagen: Jemand, der von HIV betroffen sein könnte, der muss beraten werden, der muss eine Möglichkeit haben, Hilfen aufzusuchen, der muss die Optionen bekommen. Es hat doch nichts mit Selbstverantwortung zu tun zu sagen, er solle mal zum Gesundheitsamt gehen, den Test machen und sich dann vom Arzt beraten lassen.
Die Wahrheit ist doch eine andere. Das ist Ihnen doch auch vermittelt worden. Es gibt zu wenige Hausärzte, die entsprechend sachkundig beraten.
Sie haben doch ein Landärzteprogramm aufgelegt, obwohl doch die Kassenärztliche Vereinigung den Sicherstellungsauftrag auch hat.
Daher können wir uns doch einen anderen Bereich der Gesundheitspolitik herausnehmen und sagen: Wenn es fachlich nicht reicht, müssen wir breiter aufgestellt sein. Dann müssen wir für Strukturen sorgen, die genau das aufgreifen. – Ich verstehe gar nicht, was Sie da erzählen, Herr Minister.
Nach dem, was Sie sonst gemacht haben, können Sie nur sagen: Wir müssen konstatieren, dass wir landesweit ein Netz aufbauen, in dem Ärztinnen und Ärzte vernünftig beraten können, in dem Tests angeboten werden.
Das, was Sie noch gar nicht beleuchtet haben, ist die Frage, was mit den anderen sexuell übertragbaren Krankheiten ist. Natürlich ist es so, dass gegen den Willen vieler konservativer Kräfte in diesem Lande das Thema „Aufklärung“ einen ganzen Schritt vorangekommen ist.
Aber bei vielen anderen Fragen, Impfpraktiken usw. haben wir noch eine Menge Beratungsbedarf. Da sollten wir Seit‘ an Seit‘ stehen und nicht solche Rückzugsgefechte ausfechten, wie Sie sie heute an den Tag gelegt haben.
Wir stimmen dem Antrag zu, aber ich denke, wir haben noch einiges zu beraten. (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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