Mehrdad Mostofizadeh: „CDU und FDP in bedenklichem Graubereich“

Steuerabkommen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vor etwa einem Jahr schon einmal über dieses Steuerabkommen diskutiert. Damals hatten wir noch eine andere Situation. Das Verfahren war im Gange. Man hatte möglicherweise noch die Hoffnung, dass etwas verändert werden könnte. Jetzt ist es so, dass der Bundesfinanzminister es unterschrieben hat. Es liegt zur Genehmigung im Bundesrat vor. Veränderungen sind aus meiner Sicht in diesem Verfahren so nicht mehr möglich. Deswegen gibt es nur die Frage hopp oder top. Stimmt man diesem Abkommen zu, oder lehnt man es ab? Genau, wie Herr Zimkeit es vorgetragen hat, können wir für unsere Fraktion nur sagen: Wir können dieses Steuerabkommen nur ablehnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will ganz kurz drei Punkte anführen. Der Finanzminister hat gestern schon auf die Frage der Selbstanzeigen im Rahmen von Datenkauf und Steuer-CDs hingewiesen. 2008 wurde hier im Landtag mit Unterstützung von CDU und FDP die erste Steuer-CD gekauft. Die Begründung hat Herr Zimkeit eben vorgelesen. Es ist schon ziemlich merkwürdig, um es einmal vorsichtig auszudrücken, wie Sie jetzt in Ihrem Antrag versuchen, zu beschreiben, dass ein Mal kein Mal ist. Also entweder gibt es eine vergleichbare Rechtslage – dann gilt sie immer, ist auch nicht austauschbar oder veränderbar –, oder sie gilt nicht. Ihr Rechtsempfinden und Ihre Rechtsauslegung sind in dem Zusammenhang, gelinde gesagt, zumindest merkwürdig.
Aber sehen wir uns das Abkommen an. Was passiert, wenn dieses Abkommen tatsächlich ratifiziert, wenn es Gesetz wird? Man dürfte nur noch 500 Nachprüfungsanträge pro Jahr für ganz Deutschland stellen. Das ist weniger als ein Fall pro Finanzamt. Wir haben ungefähr 550 Festsetzungsfinanzämter. In der Zeit seit 2008 – als die großen Diskussionen über die Steuerhinterziehung stattfanden – gab es allein 26.000 Selbstanzeigen in Deutschland. Diese Zahl kann der Finanzminister vielleicht noch besser belegen. Sie geht immer dann in die Höhe, wenn es darüber eine öffentliche Diskussion gibt: Ist der Verhandlungsdruck groß, oder ist er klein? Kann man sich über die Zeit retten oder nicht?
Es befinden sich nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft zwischen 100 und 150 Milliarden € unversteuertes Geld in der Schweiz.
Wenn man dafür einen normalen Ertragssatz nimmt, würden wir allein daraus, wenn es ordentlich versteuert würde, mindestens 2 bis 3 Milliarden € pro Jahr an Steuern einnehmen. Die Schweiz garantiert uns einmal für zehn Jahre rückwirkend 1,8 Milliarden €. Es ist nicht einmal ein gutes Geschäft, was da gemacht wird. Was aber, wenn man nach vorne sieht, viel wichtiger ist: Es ist eine Katastrophe für diejenigen, die Steuerfahndung betreiben wollen und die für Steuergerechtigkeit in unserem Land sorgen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vielleicht noch einige Bemerkungen zum Antrag von CDU und FDP. Zunächst einmal geht es um die Geschmackslosigkeit, die ich vorhin schon angesprochen habe. Den Finanzminister sozusagen in den Geruch zu bringen, er habe Mitschuld an dem Selbstmord eines inhaftierten Häftlings, finde ich, gelinde gesagt, unerträglich. Dies ist ein unerträglicher Unsinn, den Sie in den Antrag hineingeschrieben haben.
Zweitens behaupten Sie, es sei die populistische Emotion einiger Politiker. Nein, meine Damen und Herren, es geht um Steuergerechtigkeit in Deutschland. Es geht nicht darum, hier Populismus auszutreiben. Das ist pure Ideologie, die von Ihrer Seite aus hier betrieben wird.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie behaupten, es würde ein staatlich garantierter Absatzmarkt für Hehlerei geschaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist denn zuerst da? Die Steuerhinterziehung oder der Absatzmarkt für Daten? Wenn es keine Steuerhinterziehung gäbe, müssten wir nicht auf diesem Wege dafür sorgen, überhaupt an Daten zu kommen.
Eines muss man doch auch einmal zur Versachlichung sagen: Keine dieser Daten, die auf einer CD sind, werden unmittelbar verwendet. Die Steuerbehörden – sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Fahndungsbehörden – machen eigene Anstrengungen und führen eigene Ermittlungsverfahren durch. Sie tragen diese dann vor, um in Gerichtsverfahren oder in anderen Prozessen sozusagen Strafbefehle oder anderes zu erwirken.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, tun doch so, als wenn unmittelbar darauf ermittelt worden wäre. Sie erzeugen ein falsches Bild. Sie missachten die Rechtslage und schmeißen mit Ideologie nur so um sich. Das ist unerträglich und der Sache nicht angemessen.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz von der Fraktion der Piraten zulassen?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Wenn Sie die Zeit anhalten, ja!
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Wie Sie wissen, wird Ihnen die Zeit nicht angerechnet.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Aber die Uhr läuft durch.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Davon sollten Sie sich nicht irritieren lassen, Herr Kollege.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön .
Dietmar Schulz (PIRATEN): Herr Kollege Mostofizadeh, eine kurze Frage zwischendurch: Sie sprachen eben an, dass die Schweiz nur 2 Milliarden zahlt und wir ohne das Abkommen 1,8 Milliarden bekämen.
Egal, welche Steuerforderung von der Schätzung her im Raum steht: Wie wollen Sie bis zum nächsten Datenankauf die Verjährung von Millionen und Abermillionen Steuerschulden unterbrechen?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege, danke für die Frage. – Wenn man mit dem Teufel den Beelzebub austreiben möchte, kann man so fragen und das insinuieren, was Sie vorhaben.
Ich könnte es mir leicht machen und sagen: Dieser faule Bundesfinanzminister hätte doch schon vor vielen Jahren ein anderes Steuerabkommen mit der Schweiz abschließen können, das das Gebot der Transparenz gebietet, das umsetzt, was die Amerikaner …
(Zuruf von der FDP)
– Antworte ich oder Sie? Wenn das die gleiche Qualität hat wie das amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, hätten wir die Probleme nicht. Dann müssten wir keine Daten kaufen, keine CDs anlegen.
Das aber ist nicht der Fall. Die Schweiz wäre schön blöd, später ein Abkommen abzuschließen, das aus ihrer Sicht eine mindere Qualität hätte, also zum Beispiel für mehr Transparenz sorgen würde.
Im Übrigen hat jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler, der in Deutschland abhängig beschäftigt ist, sein Einkommen nachzuweisen und dem Finanzamt gegenüber nachprüfbar zu machen. Auch unsere Bezüge werden den Steuerbehörden gemeldet; da kann man nicht tricksen. Jeder Euro ist bereits bekannt.
Nur: Sie wollen jetzt dafür sorgen, dass das für Vermögende und diejenigen, die es ins Ausland transferieren, nicht gilt, also schon bei der Datenerfassung Unterschiede zwischen den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland gemacht werden. Das halten wir schlichtweg nicht für angemessen.
Insofern kann ich Ihnen sagen: Das ist ein sehr misslicher Umstand. Den hätte ich gerne anders. Das ist überhaupt keine Frage. Die Verjährung zu verhindern, liegt möglicherweise nicht in meiner Macht. Klar ist aber auch: Wenn wir uns dem Abkommen anschließen, haben wir für alle Ewigkeiten die Chance verspielt, mit der Schweiz ein Abkommen zu bekommen, das der Rechtsstaatlichkeit Genüge tut.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Im Prinzip wollen die Piraten gar nichts! Die wollen so weitermachen! – Lachen von den PIRATEN)
Ich komme zum Schluss meines Beitrags: Nicht der Finanzminister bewegt sich in einem bedenklichen Graubereich, sondern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie machen nicht deutlich, wohin die Reise gehen soll. Sie lassen sich mit einem Linsengericht abspeisen, und was noch viel schlimmer ist: Sie wollen unseren Steuerbehörden verwehren, auf der Basis vernünftiger Daten und Transparenz ermitteln zu können. Damit meine ich nicht die Daten auf den CDs, sondern die Daten, die die Vereinigten Staaten gegenüber der Schweiz erstritten haben und die nach EU-Richtlinie europäischer Standard sein und EU-weit durchgesetzt werden sollten. Dem verweigern Sie sich. Das wollen Sie hier durchsetzen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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